Wenn ich cinematisch leite, hat bestimmt nicht jeder NSC einen Namen, da gibt's nämlich Mooks. Und die sind schon per Definition namenlos. Insofern finde ich deine "Vorteile" ambivalent. Wenn du dramaturgisch spielst, ist es u.U. gerade hilfreich, tatsächlich zwischen wichtigen (= dramaturgisch relevanten) und unwichtigen (= dramaturgisch irrelevanten) NSCs ganz einfach zu unterscheiden. Sich gerade keine Gedanken darum zu machen, wen es betrifft, wenn "einem Straßenjungen" was passiert. Usw.
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Es kommt halt auf den Spielstil an. Nicht umsonst gibt es auch Spielsysteme (Savage Worlds, FATE,...), die ganz bewusst in NSC erster und zweiter Klasse (Statisten) unterscheiden. Das macht immer dann Sinn, wenn es im Spiel gar nicht darum geht, mit jeder Figur eine tiefgehende persönliche Verbindung aufzubauen.
Ich persönlich bin für gewöhnlich kein Freund davon, da zuviel Realismus in mein Spiel zu holen. Ich würde sogar soweit gehen zu sagen: Ein Teil des Charmes beim Rollenspiels besteht darin, sich die Welt auch mal konsequent zu vereinfachen. Da gibt's dann auch einfach mal sinnlos Böse, bei denen ich nicht über ihre schwierige Kindheit nachdenken muss, sinnlos Besoffene, bei denen man nicht über die Folgen der Alkoholsucht für ihre arme Frau und ihre armen Kinder nachdenken muss, usw. Die Political-Correctness-Bewegung, nach der seit einigen Jahren sogar die Monster mit einem tiefgehenden kulturellen Hintergrund, mit Namen und Familien ausgestattet werden müssen ("Der Ork, den du gerade geköpft hast, heißt übrigens Grrnk, was soviel heißt wie Tanzt-über-dem-Feuer. Seine zwei Frauen und seine neun Kinder werden jetzt wohl jammervoll verhungern..."), ist da an mir ohne Spuren zu hinterlassen vorübergegangen.
Für mich persönlich gilt (aber das darf natürlich jeder anders handhaben): Wenn ich Realität will, dann gehe ich raus und hole mir Realität. Gibt's gratis gleich vor meiner Haustür. Dafür brauche ich keinen Spieltisch. Der Spieltisch ist bei mir eine Abstraktion, so wie bei anderen Spielen auch. Ich überlege mir ja auch beim Schachspiel nicht, ob der Bauer, den ich gleich schlage, nicht eigentlich Fritz Müller heißt und eine arme Sau ist.
Wobei, je länger ich drüber nachdenke: Eigentlich sortieren wir ja auch in der Realität die uns umgebenden Personen in solche ein, für die wir uns interessieren ("Kalle", "Lena", "Müller Zwo"), und in solche, für die wir uns nicht interessieren ("Der Postbote", "Der Typ vom Dönerladen", "Die Verkäuferin vom Lidl mit den rot gefärbten Haaren"). Wen wir davon in den Kreis der Personen aufnehmen, für die wir uns wirklich interessieren, entscheiden wir selbst. Dann bekommen sie plötzlich Namen, Geschichten usw.
Und genau so handhabe ich es auch im Rollenspiel. Wenn die Spieler anfangen, sich ernsthaft für einen NSC zu interessieren, bekommt der sofort einen Namen verpasst. Aber das mache ich im Nachhinein und je nach Bedürfnis der Gruppe. Wenn sich die Gruppe in den Kopf setzt, den oben erwähnten Alki zu therapieren, dann wird er eben schnell von einem NSC 2. Klasse in einen NSC 1. Klasse umgewandelt, bekommt Name und Vorgeschichte verpasst. Aber der Gruppe von vornherein ein schlechtes Gewissen mit auf den Weg geben, indem ich jeden NSC zu jemandem mache, dem sie eigentlich helfen müssten?
No way.