So, dann ausführlich zum
Liminal-Preview...
Ich bin ja versucht es so richtig tanelorn-isch zu machen und einzelne Zitate aus dem Dokument rauszuklauben und dann fies auseinanderzupflücken. Aber das lasse ich sein, weil das Preview-Dokument ja wahrscheinlich vertraulich ist. Aber ich komme trotzdem nicht umhin am Anfang direkt mal was sinngemäß zu zitieren:
"Die Liminal Exalted sind, obgleich sie so mächtig wie die anderen Auserwählten sind, auf innere Konflikte ausgelegt."
So wie diese Aussage im Text platziert ist und im welchen Zusammenhang sie steht, sagt sie mir folgendes:
"Guckt mal Leute! Diese neuen Exalts sind toll! Damit könnt ihr echten angsty horror
spielen! Da geht es endlich mal um persönliche Dinge und nicht darum, die Welt zu retten! Diese Typen sind Ausgestoßene! Wandler zwischen Leben und Tod! Sie haben Erinnerungen, die nicht ihre eigenen sind! Ist doch toll, oder?"Okay, mal ganz abgesehen davon, dass sie voll gegen das Bilderfeld schießen, was in der Exalted-Mythologie aufgemacht wurde (siehe mein Rant vor kurzem)...
diese Jungs erzählen mir nichts Neues! Alles, was mir diese Beschreibung an Themen aufgreift, kann ich mit den Exalts, die es bereits gibt, wunderbar bespielen. Der oben zitierte Satz regt mich regelrecht auf, weil da anscheinend nicht verstanden wird, dass befriedigende Epen
immer auch zugleich persönliche Geschichten sind. Das gesamte Exalted-Universum ist doch so aufgebaut, dass es um die persönlichen Implikationen geht. Dass zeigen doch schon die Caste und Aspect Books in aller Deutlichkeit: Es geht im Kern nicht darum, dass Mnemon eine skurpellose, drachenblütige Zauberin mit Welteroberungsplänen ist, sondern darum, dass sie
mommy issues hat. Es geht nicht darum, dass Maske des Winters eine Festung aus lebendigem Fleisch auf die Schöpfung loslässt, sondern darum, dass er von seinem Liebhaber in der Unsichtbaren Festung verraten und ermordet wurde. Es geht nicht darum, dass Lilith eine mächtige Lunare mit tausenden Jahren auf dem Buckel ist, sondern darum, dass sie mit dem Träger von Desus Exalation in einer Hassliebe feststeckt.
Verdammt, diese ganze Geschichte mit dem Großen Fluch schreit mir doch geradezu
personal story entgegen! Das man bei "Exalted" Armeen auseinandernimmt ist doch nur Anstrich, dieses von vielen geschätzte
sich-awesome-Fühlen. Wenn schon alle darüber reden, dass Exalted ein Spiel ist, in der die SCs der Welt ihren Stempel aufdrücken... dann muss das aber schon ein ganz persönlicher Stempel sein. Also sorry, es ist ja nicht so, dass die Liminals da plötzlich ein ganz neues Fass aufmachen. Meine Exalted-Geschichten waren immer schon highly personal... das habe ich schon aus dem SL-Kapitel der Ersten Edition so mitgenommen.
Auch die anderen Implikationen kicken mich nicht so wirklich. Hmmm, ich glaube ich zähle mal kurz die spielbaren Splats aus den früheren Editionen zusammen:
- Solar Exalted
- Lunar Exalted
- Sidereal Exalted
- Abyssal Exalted
- Infernal Exalted
- Dragonblooded
- God-Blooded
- Demon-Blooded
- Ghost-Blooded
- Fae-Blooded
- Half-Castes
- Akuma
- Fair Folk
- Mountain Folk
- Dragon Kings
- Ghosts
- Heroic Mortals
- Beastmen
Schauen wir uns diese dicke, fette Liste an, sind allein Heroic Mortals (und vielleicht noch Ghosts und Beastmen) das Einzige, was unter die Kategorie
normales Volk fällt. Alles andere ist exotischer Shit. Und wenn ich mir so den Überblick verschaffe, dann merke ich: Alles, was an angeblich neuen Themen durch die Liminals hinzukommt, kriege ich bereits in einem oder mehreren vorhandenen Splats unter.
Zum Beispiel:
Die Liminals stehen als Wächter zwischen dem Reich der Lebenden und dem Reich der Toten. Sie sind in keiner der beiden Welten wirklich zu Hause.Habe ich wohl zu früh gejubelt, als im 2. Edition Abyssal-Buch genau das als eine der verschiedenen Interpretationen angegeben wurde, wie man Abyssals in die Gesellschaft (nicht)eingliedern kann. Und was ist mit den Ghost-Blooded? Die sind doch genau das: Wie die Abyssals auch weder lebendig, noch tot! Auf der Schwelle. Fremde egal wo sie hinkommen. Da brauche ich keine Unterwelt-Drachenblütigen (denn genau das sind die Liminals) mit Frankensteinthematik. Das führt auch voll von den mythologischen Quellen von Exalted weg...
Aber okay, wie steht es jetzt damit:
Die Liminals stehen außerhalb des Todes. Sie können sich einfach Körperteile von anderen ansetzen und auf die motorischen Erinnerungen der ehemaligen Besitzer zugreifen.
Das ist doch auch nicht neu! Necro-Tech und Necro Surgery gibt es doch schon seit der Ersten Edition (und die waren mir für den Stil der Welt da schon zu... ich sag mal, „fleischig“). Das war bislang auch das Metier der Abyssals. Ja, auch damals konnte ich schon Leuten neue Gliedmaßen annähen und ähnliches. Und die motorischen Erinnerungen? Geschenkt, baut man eben ein, zwei neue Thaumaturgie-Prozeduren und der Käse ist gegessen. Aber als Thema für eine ganze Gruppe Exalted? Sorry, aber da hätten die Sidies eher ein paar Erinnerungskräfte verdient. Mal abgesehen davon, dass mit Lunar Chimeras, Abyssals, Infernals und Wyldnismutationen genug Gelegenheiten vorhanden sein dürften um ein auch optisch monströses Monster zu spielen.
Ein drittes, tolles, „neues“ Thema:
Die Liminals sind ein Körper, der mit Erinnerungen von jemand anderem gefüllt ist. Das weiß der Liminal und er fühlt sich nie, als wäre er wirklich er selbst.
Also wenn im Liminal-Buch nicht Joss Whedon's „Dollhouse“ als Referenz angegeben wird, bin ich wirklich enttäuscht. Ist nämlich genau das! Ich habe Erinnerungen, die sind nicht meine eigenen... wer wäre ich ohne die Erinnerungen, was bin ich. Zugegeben, hier haben die Liminals einen Punkt, der so noch nicht im Setting auftaucht... aber das Grundproblem behandeln doch alle anderen Exalted trotzdem bereits. Wir haben doch bereits sowas:
„Verdammt, ich habe im Ersten Zeitalter bereits gelebt, mehrfach gelebt. Es gibt Dinge, die damals mir gehörten... gehören sie jetzt auch mir, ich bin doch gar nicht dieselbe Person? Warum sind Götter, Geister, Dämonen, andere Erhabene hinter mit her und berufen sich auf alte Feindschaften? Ich bin das doch gar nicht! Ich weiß, meine frühere Inkarnation hat schreckliche Dinge getan... habe damit ich diese Dinge getan? Wer bin ich und sind diese neuen Erinnerungen überhaupt Teil von mir?“
Die Frage ist zwar nicht exakt dieselbe, aber wenn man noch ein wenig das Konzept der Reinkarnation ausdefinieren würde, käme man schnell dahin. Und Moment mal: Mir fällt spontan sogar eine Möglichkeit ein, wie ich genau so einen Charakter nach aktuellen Regeln bauen könnte... nein, zwei. Einmal über Nemissäre (Geister, die Besitz von toten Körpern ergreifen) und zum Zweiten über das Lichte Volk (Seelenleere Menschen, die man mit entsprechenden Charms „wiederaufbaut“). Also auch für das Thema brauche ich keine Liminals.
Ich glaube ja der Punkt ist der: Liminals sind kein neues Konzept. Damals flog auf den Pattern Spiders, als es noch anders hieß, ein Exalted Concept für genau diese Typen rum: Unterwelt-Drachenblütige mit Aspekten, die den fünf Unterwelt-Elementen zugeordnet waren und die auch so Frankenstein-Kram draufhatten. Entweder OOP hat da ohne Umschweife geklaut, oder der Typ, dem das einfiel, schreibt inzwischen für den Haufen. Ich fand das schon damals unpassend. Und daran hat sich nichts geändert.
Vor allem, wenn man sich folgendes klarmacht: Eine der unumstößlichen Regeln des Exalted-Universums war immer: Was tot ist, bleibt tot! Ich kann niemanden wirklich wiederbeleben, ich kann nur seinen Geist binden oder seinen Körper zu einem Zombie machen. Im Moment seines Todes spaltet sich die Seele in Hun und Po und nichts kann sie jemals wieder zusammenführen, weder Götter, noch sonstwer. Okay, bei den Liminals wird das zwar beibehalten, aber ich verstehe nicht wirklich was der ganze Zirkus soll, wenn das doch nur so eine Form von Wandelnden Toten ist. Ich scheue mich sogar, das überhaupt als Exaltation zu bezeichnen.
Abgesehen davon, dass mich dieses Fleisch-, Blut- und Gehirne-Zeugs voll von den Regeln wegführt, denen der menschliche Körper auf der Schöpfung unterworfen ist. Nach Liminal-Mythologie scheint das Gehirn nämlich sowas wie der Sitz der Persönlichkeit oder der Lebensfähigkeit zu sein. Medizinisch korrekt, aber vollkommen vorbei an der Exalted-Mythologie: Hier muss man sich den Körper nämlich aus den fünf Elementen bestehend vorstellen, wobei jedes Element seinen Teil tut, wie etwa Luft für den Lebenshauch, Feuer für die Seele, Erde für den Leib, Wasser für das Blut und Holz für das Wachstum und Altern. Jetzt einen toten Fleischklumpen als die Essenz des Daseins zu inszenieren... puh, das fällt für mich voll raus. Das wird direkt wieder Splatter-mäßig und geht voll in die Richtung dieser Andere-mit-Gliedmaßen-verprügeln-Charms der Infernals (ja, ich weiß, ich reite darauf rum, aber wie dämlich das auch ist). Und sicher wird es dann auch Gesichten um Leute geben, die Liminal-Gehirne sammeln. Oh, wow, now that's Greek-Chinese-Heroic-Epic. Das ist nichtmal wirklich japanische Horrorästhetik.
Fazit: Die Liminals sind schon konzeptionell ein Griff ins Klo für mich und daran wird sich wohl auch nichts ändern. Da hätte ich mir die Themen, die sie für sie zur Verfügung haben wollen, lieber für die Abyssals aufgehoben. Gerade dieses „nicht tot, aber auch nicht lebendig“-Ding hätte diesen Jungs wirklich noch eine zusätzliche Dimension geben können (bzw. hat es bereits, immerhin werden die Abyssals in den früheren Editionen mitunter genau so inszeniert).
Oy yoy, hab sie mir nur etwas angeschaut und das Update zu den Abyssals.
Gerade letzteres fand ich irgendwie etwas Wischiwaschi formuliert,.. und das obwohl es Aufklärung bringen sollte. ^^;
(Hat mich im Stil an ein cWoD Buch erinnert ^^; )
Da liegst du nicht falsch. Aber das liegt wohl primär daran, dass du die alten Abyssal-Bücher nicht kennst. Hier geht wirklich viel zum Besseren, habe ich den Eindruck. Aber dazu vielleicht später mehr!
Also das Regelupdate klingt eigentlich durchweg sehr nice.
Na, ich bin noch skeptisch wegen diesem neuen "Merits & Flaws"-Ding. Ich bin kein Freund von solchen Systemen, weil die aufgeblasen sind und es immer Schwierigkeiten gibt, da vernünftiges Balancing zu machen. Zumal auch WW dazu neigt, tausend einzelne klitzekleine Nulpen- oder Dumpstat-Flaws zu machen ("Nightmares" or "Phobia" anyone?), die dann von den Spielern immer wieder gerne genommen werden. Ich würde lieber klare Oberbegriffe machen. Oder bei den Backgrounds bleiben und die stärker zusammenfassen: Contacts, Backing und Spies z.B. zu "Connections" vereinen). Und dann zusätzlich Anti-Spezialisierungen erlauben, mit denen ich bestimmte Dinge innerhalb einer Ability einfach etwas schlechter kann.
Auch bin ich, nachdem ich die Beispielwerte für den Tyrant Lizard gesehen habe, der Ansicht, dass man wenn man schon auf Combat Momentum setzt, eine so dämliche Trennung wie Bashing und Lethal Damage immer noch simulationistischer Balast ist, den man aus Traditionsgründen mit rübergeschleppt hat. Das braucht keine Sau. Und Willpower ist immer noch dämlich, dann bitte doch richtige Stuntpoints, die ich durch Stunts kriege, mir aber für spätere Würfe aufsparen kann. Und ein echtes soziales Kampfsystem wäre mir auch lieber... man hätte ja Willpower auch als "sozialen Health Track" inszenieren können. Wenn man schon Massenkämpfe gleich zu normalen Kämpfen macht, dann soll das bitte auch für soziale Kämpfe gelten.