Und wenn Du Spieler hast (egal ob Du sie nach halben Jahr bei einem Psychotherapeuten von Gegenteil überzeugen könntest oder nicht)
In der Psychotherapie spielt die Motivationstheorie eine eher untergeordnete Rolle
, die gerne die mechanische Balance sehen (und seien es nur die Zahlen auf dem Charabogen oder sei es nur eine Pseudobalance),
Der Wunsch "sehe gerne mechanische Balance" ist aber nicht das Bedürfnis, das befriedigt werden muss, um den Zustand der Zufriedenheit bei dem Spieler zu erreichen. Es ist sozusagen das Symptom und nicht die tatsächliche Ursache.
kannst Du auf die mechanische Balance nicht "sehr gut" verzichten, weil der Verzicht bereits die soziale Balance kippt. Nicht immer, nicht in jeder Runde, aber es werden sich Runden finden, bei denen es so ist. Das ist so wie bei dem Bildchen mit den Steinen. Nimm ein Stein weg und die ganze Pyramide fällt in sich zusammen.
Das stimmt sicher für viele Runden. Wenn auch imho aus anderen Gründen als den den von dir angenommenen.
Dann frage ich also mal ganz konkret: was für Gründe sollen das dann bitte sein, die da so obskur sind, dass man sich ihrer nicht bewusst sein soll?
In Bezug auf dem Streben nach mechanischem Balancing nehme ich an, oder?
Wenn ich dich richtig verstehe, ist deine Frage: Warum kann ein Ziel für einen Spieler sein: "Erreichen von mechanischem Balancing"?
Umgangssprachlich formuliert, vermute ich in dem Wunsch in den meisten Fällen, dass dieser Spieler vor "Benachteiligung" geschützt sein möchte.
Was der Spieler dabei aber außer Acht lässt, ist die Tatsache, dass diese "Benachteiligung" nicht von den Rahmenbedingungen des Regelwerks und damit der Ausprägung von mechanischem Balancing abhängig ist, sondern davon, wie am Spieltisch dann damit umgegangen wird.
Es ist grundsätzlich völlig egal, ob er "nur" den Zuckerbäcker spielt und gegen die ganzen Heros in seiner Runde eigentlich überhaupt keinen Auftritt hat - genauso wenig wie gegen auch nur den schwächsten aller möglichen Gegner. Trotzdem kann er sich am Ende des Tages "gerecht" behandelt fühlen, wenn es der Gruppe gelingt, ihn trotz seiner "Wertlosigkeit" in die Gruppe zu integrieren.
Wenn es jetzt von den unbewussten Motivationen ausgeht, könnte man im "Streben nach Balancing" z.B. das relative Bedürfnis nach Anerkennung sehen: man will dafür wert geschätzt werden, dass man etwas erreicht. Das ginge jetzt auch wieder ohne Balancing. Aber es könnte bei dem Spieler eben sein, dass er sich grundsätzlich nicht anerkannt fühlt, wenn ihm nicht "ebenbürtige" Ausgangsvoraussetzungen zur Verfügung stehen, wie den anderen Spielern auch.
Es geht also weniger um Gründe (das sind keine Motive) und auch nicht darum, ob diese obskur sind, sondern eher darum, auch einmal ein bisschen zu abstrahieren.
Ich stelle an einem (fiktiven und plakativen) Beispiel kurz den Unterschied zwischen (vordergründem) Wunsch und (tatsächlichem) Motiv (und dem Bewusstsein dessen) dar:
Runde 1 startet in eine neue Kampagne. Alle sind sich einig, dass sie das System gefunden haben, dass für sie (inkl. Balancing) die Ideallösung darstellt.
Nach der zweiten Runde stellt Spieler A fest, dass obwohl er doch den Damage Dealer spielt, ihm schon 2 Bosse per Kill-Steal vom Controller vor der Nase weggeschnappt wurden. Er ist angenervt.
Option A: Spieler A beklagt sich nach Spielsitzung 2, dass der Controller total imba ist und das mit dem Balancing überhaupt nicht hinhaut. Schließlich spielt er ja den Damage Dealer und nie legt er einen der Bosse um. Da passt irgendetwas nicht am System. Er braucht bessere Powers, oder die Powers des Controllers müssen generft werden. Ist ja wohl klar.
Option B: Spieler B erkennt, dass sein Unmut nicht am "kaputten" Balancing liegt, sondern nur daran, dass seine eigentliche Erwartung nicht war "ich spiele grundsätzlich den Damage-Dealer", sondern dass er erwartet hatte "ich bin der, der sich im Alleingang gegen die Bosse stellt und diese niederschlägt" - aha, mir geht es also um "Selbstverwirklichung". Er spricht das in seiner Gruppe "Hey, lasst mir doch auch noch den Kill, wenn ich schon die 250HP vorher rausgeklopft habe." an und man einigt sich darauf, dies in Zukunft soweit möglich zu beherzigen.
Vielleicht macht das ein bisschen klarer, worauf ich (im Sinne eine "Anwendbarkeit" am Spieltisch) hinaus will.