Der Kämpfer hat am Anfang höhere Überlebenschancen als der Magier.
Dafür darf der Magier, wenn er denn überlebt, später die coolen Sachen auspacken.
Stimmt, das ist eine Art Balancing. "Balancing über die Level" eben. Allerdings so ziemlich die denkbar beschissenst-mögliche. Wer sich eine Mechanik ausdenkt, die besagt "ihr dürft niemals gleichzeitig rocken / Spaß haben", gehört geschlagen.
Wo ist der Unterschied zwischen Encounter-Balancing, wie Oger es beschreibt, und "sozialem" Balancing seitens des SL (also auf die Gruppe geschneiderte Szenen) wie Gorilla es beschreibt?
Ich würde sagen, Encounter Balancing ist eine Untermenge von "sozialem Balancing". Ersteres läuft nur zwischen SL und Gruppe ab, letzteres auch zwischen den Spielern untereinander. Dass z.B. der Zauberer sagt "ich könnte jetzt problemlos eine kleine Handvoll Zauber lernen/vorbereiten, die den Schurken wegrationalisieren -- aber verzichte darauf, damit der Schurkenspieler noch seine Daseinsberechtigung hat".
Was ich von diesem Ansatz halte, dürften viele von euch wissen. Das hat für mich sowas von der Szene, wenn ein Erwachsener nem Fünfjährigen bei seinen Bemühungen zuschaut, ans obere Regalfach ranzukommen. Der Kleine darf sich abstrampeln und Trittleitern heranschaffen, wenn er's schafft darf er sich toll fühlen, und wenn er's nicht schafft kann der Große die Keksdose immer noch mühelos mit einem Griff rausholen.
Pure Interessensfrage von der Seitenlinie: Gibt es bei Systemen mit Encounter-Stufen auch solche Stufen für soziale Encounter?
Bei D&D prinzipiell nicht -- jede Kreatur hat nur ein einziges Challenge Rating. Allerdings gibt es die mit diesem CR verknüpfte XP-Belohnung eigentlich unabhängig davon, _wie_ man den Encounter schafft. Beispiel: eine Sphinx versperrt einen Durchgang, den man durchschreiten muss. Ob man die Sphinx im direkten Kampf besiegt oder einen Berg über ihr einstürzen lässt oder ihr Rätsel löst oder sie mit silberner Zunge breit redet, oder sich an ihr vorbeischleicht oder oder... prinzipiell bekommt man immer die gleichen XP.
Allerdings bekommen die meisten SLs da Bauchschmerzen, weil ja manche Lösungen viel "billiger" sind als andere, und vergeben daher für Lösungen, bei denen die Sphinx überlebt und/oder die SCs sich minimaler Gefahr ausgesetzt haben, nur einen Bruchteil der eigentlichen XP.
Noch eine These, die ich mal in den Raum werfe: Balancing ist bei einer Runde mit lauter Unbekannten (einer Con-Runde, z.B.) wichtiger als bei einer laufenden Runde mit Leuten, die man kennt. Da man sich als SL in einer Con-Runde weniger auf die sozialen Balance-Mechanismen verlassen kann, macht es Sinn, auf die mechanischen zurückzugreifen.
Dem bin ich geneigt zuzustimmen. Allerdings kann man auch umgekehrt bei bekannten Spielern das mechanische Balancing einsetzen, um ein tatsächliches Kräftegleichgewicht zu schaffen. Beispiel: ich habe drei Spieler, einen Powergamer, einen Durchschnittsspieler und einen Casual Gamer, der keinerlei System Mastery besitzt.
Da kann ich jetzt -- in Absprache natürlich -- die unterschiedlichen Powerniveaus der D&D-Klassen wie das Handicap beim Golf einsetzen, und den Powergamer bitten, eine schwächere Klasse zu spielen (die er dafür optimieren darf bis der Arzt kommt), dem Durchschnittsspieler eine mittelstarke Klasse schmackhaft machen und dem, ahem, Forrest eine starke Klasse zuschanzen.
(So ähnlich haben wir das tatsächlich mal gemacht. Die schwächste Spielerin der Gruppe hat eine Elfendruidin bekommen, wir haben ihr auch beim Charbau geholfen, sie war überglücklich, aber wir mussten uns niemals Sorgen machen, dass sie das Spiel sprengen könnte.)