Mich würde an dieser Stelle interessieren, in welche Richtung Gorillas Plädoyer letztlich geht: Sollen einzelne Regelsysteme sich prinzipiell dahin entwickeln, weniger Balancing anzustreben, oder geht der Appell mehr in die Richtung anzuregen, dass mehr Rollenspieler Systeme ausprobieren, bei denen mechanisches Balancing eine weniger große Rolle spielt?
Beides nicht wirklich, obwohl ich vor allem Letzteres auch für erstrebenswert halte und es auch dafür sorgen kann, dass man sich meinem Standpunkt etwas annähert.
Es geht mir darum, dass Balancing nicht als "Allheilmittel" angesehen wird, als das ultimative Ziel das vorrangig über Wohl und Wehe, über Spielbarkeit, Qualität und Wert eines Regelwerkes entscheidet.
Es geht mir darum, dass sich "jeder" Rollenspieler auf die Aussage eines Mitspieler "Das ist aber unfair, der macht viel mehr..." seitens eines Mitspielers die Freiheit erlaubt, zu antworten "Na und, das macht doch nichts. Wir kriegen das schon hin."
Ich denke auch, dass man einem Spielstil, der Wert auf Balancing legt, nicht negativ werten darf.
Ich werte nicht den Spielstil negativ. Ich persönlich schätze Balancing ebenfalls oftmals sehr, weil damit eben schon ein erster Schritt in Richtung einer "fairen" Spielrunde gemacht ist.
Aber mechanisches Balancing ist imho eben weder ausreichend noch zwingend erforderlich, um eine faire Spielrunde zu erreichen. Nur darauf will ich hinaus. Es kann helfen, ja, aber es geht auch ohne und selbst wenn es idealtypisch ausgeprägt ist, muss das noch gar nichts heißen.
Zum Stichwort "Gamismus" noch so viel:
Weder spreche ich dem Stil des Gamismus ab, Rollenspiel zu sein, noch "disse" ich die Leute, die Spaß daran finden oder halte mich für besser, weil ich ja ein ach-so-toller Storyteller oder noch-viel-besserer Method Actor wäre.
Gamismus hat absolut seine Daseinsberechtigung und ist für viele viele Rollenspieler ein sehr beliebter Spielstil. Es gibt wohl kaum eine Runde, die völlig auf gamistische Elemente verzichten möchte.
Gamismus hat aber dennoch nicht zwangsläufig wahnsinnig viel mit mechanischem Balancing zu tun. Viele Runden, die sich vorrangig Gamismus verschrieben haben nutzen als System z.B. Pathfinder oder DnD3.x - mechanisches Balancing? Fehlanzeige. Haben die Gamisten in diesen Runden trotzdem Spaß? Ja. Sehr häufig schon. An der Ultimativen Unerlässlichen Voraussetzung(tm) "mechanisches Balancing" kann es also nicht liegen. Vielleicht geht es ja auch dem ein oder anderen Gamisten um die spaßige Zeit mit Freunden, den epischen Würfelwurf im richtigen Moment, die coole Beschreibung von Klausi, wie sein Barbar mit dem Crit den Kopf von den Schultern des Orks schlägt, die Möglichkeit auszuknobeln, wie man mit den begrenzten Ressourcen der SC den kniffeligen Kampf übersteht - könnte ja sein.
Zum Punkt: "es gibt auch viele Indie-Spiele bei denen die Zuteilung von Erzählrechten im Regelwerk behandelt und geregelt wird"
Ja, gibt es. Das ist aber kein mechanisches Balancing (nach meiner Definition*). Das ist soziales Balancing, das im Regelmechanismus behandelt wird.
(*Kurz: "mechanisches Balancing" gleicht die Wertigkeit von Charakteren an, "soziales Balancing" versucht, die Gleichwertig alle Spieler zu erreichen)