Angeregt durch aktuelle Ereignisse habe ich mit der Arbeit an einem RPG angefangen, das ich als Catholicsploitation zusammenfassen würde: Ich stelle mir vor, dass die Spieler katholische Geistliche (im weitesten Sinne) spielen, die in pulpmäßiger Manier mit Gebet und Schrotflinte gegen (cthulhoide) Monster bzw. "das Böse" vorgehen und sich dabei gleichzeitig mit den (oft allzu weltlichen) Befindlichkeiten, Intrigen und Ränkespielen in der katholischen Amtskirche herumschlagen müssen.
Das Ganze ist parodistisch angelegt, aber nicht in dem Sinne, dass die Kirche einfach auf billige Weise lächerlich gemacht wird, sondern dass im Gegenteil die Weltvorstellungen und Dogmen der katholischen Kirche derart ernst genommen werden, dass sie die Blaupause für die Regelmechanismen liefern. Beispielweise könnte das ein Gebetssystem sein, in dem die Charaktere statt Zauberfertigkeitswerten Fertigkeitswerte in bestimmten Heiligen haben, die angeben, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Gebet an den für den entsprechenden Wunsch zuständigen Heiligen erhört wird. Oder eine Sündenskala, die je nach Taten, nach Häufigkeit des Messebesuchs, sündigen Gedanken etc. in immer sündigere Höhen steigt, für entsprechende Mali sorgt und nur durch Beichte & Buße wieder abgebaut werden kann.
Mit dabei ist eine ordentliche Dosis
Sex & Violence, die für den Exploitation-Twist sorgt.
Sex nicht im offensiven Sinne von Nonnen in kurzer Tracht, die darunter Strapse tragen, sondern eher komisch verdreht, in der Weise, wie der Gedanke an Keuschheit immer gleich auch Fantasien des Gegenteils hervorruft (Prinzip der verbotenen Früchte...), oder wie in den alten Nunsploitation-Filmen oft das Sexuelle in einem sadomasochistischen Vergnügen der Buße und Geißelung auftaucht. Zur genauen Illustration der beiden Prinzipien: Wenn ihr euch Darstellungen des Heiligen Sebastian anschaut
https://www.google.de/search?client=ubuntu&channel=fs&q=st+sebastian&oe=utf-8&redir_esc=&um=1&ie=UTF-8&hl=de&tbm=isch&source=og&sa=N&tab=wi&ei=h-1SUbSlMMqD4gSp64DADQ&biw=1024&bih=510&sei=jO1SUczYKKXx4QShnoGYBQ, sieht man z.B. wie nahe sich schwule Erotik und katholische Heiligkeit sein können. Von den ganzen grenzerotischen Madonnendarstellungen bzw. dem coolen Blutrotelippenkitsch der Devotionalien mal ganz abgesehen.
Und Violence, na klar: "I kick ass for the lord!" Und zwar mit geweihter Munition.
Das
Regelsystem macht mir noch großes Kopfzerbrechen. Es soll passende Zufallsmechanismen geben, vielleicht ein System mit einem Rosenkranz - nur wie genau kann das funktionieren im Sinne eines Zufallsgenerators? Auf jeden Fall soll es Heiligenkarten geben, also Karten mit Darstellungen von Heiligen (siehe z.B.
http://www.heiligenbild.de/index.php?cat=c95_Heilige.html), die man auf der Hand hält und in den entsprechenden Momenten ausspielen kann, um z.B. Boni auf einen thematisch passenden Würfelwurf zu erhalten.
Zwar soll das System sehr schlank und flexibel sein, aber auch die Möglichkeiten für die mathematischen Denkmuster im Katholizismus bieten (einmal unkeusche Gedanken = 10 Ave Marias).
Die
Charaktere können der Kirche verbundene Laien sein (Glöckner, Küster, geweihte Jungfrauen...), Kleriker (Priester, Mönche, Nonnen) oder (dazu unten genaueres) so etwas wie "synkretistische Priester". Jeder Charakter muss einen Weg finden zwischen seiner persönlichen Agenda, der des Vatikans, seiner Diözese und der des Ordens/der Kongregation, der er angehört. Die persönliche Agenda können z.B. Motive der Nächstenliebe sein, des Aufstiegs in der Kirchenhierarchie, ganz weltliche Dinge oder auch das Martyrium, bzw. die Selig- oder Heiligsprechung.
Daneben sollte es eine Art Metacharakter geben. Ich denke da an die eigene Pfarrei, in der die Charaktere leben, die mit der Zeit (einfluss)reicher oder zwielichtiger werden kann. Ähnlich z.B. wie der Bund in Ars Magica.
Das geplante
Basissetting ist Mexiko in den 1960er Jahren. Ich stelle mir ein Setting vor, in dem moderne Technologie zwar verfügbar ist, das alltägliche Leben (auf dem Land) aber noch fernab davon funktioniert. Es hat noch was wildwesthaftes und der einzige VW Käfer des Ortes gehört vielleicht dem Priester... Da ist auf jeden Fall eine tiefkatholische Gesellschaft, in der ständig Konflikte entstehen zwischen den Lebensrealitäten der einzelnen Leute und den Anforderungen der Kirche. Da ist die Kirche informell die mächtigere Institution als der Staat. Da sind die Motive eines weiteren Exploitation-Genres ("Mexploitation") mit seiner geballten eigenen aber verwandten Sex&Violence-Kultur, Tarantino liefert die Stichworte... Da ist der religiöse Clash zwischen dem regulären Katholizismus und dem synkretistischen Volksglauben mit seinem Mischmasch aus Katholizismus und Aberglauben/Ureinwohnerreligion/Voodoo (z.B. in der Verehrung der arbeitstitelgebenden Santa Muerte...
http://en.wikipedia.org/wiki/Santa_Muerte). Und da ist mächtig Stoff für Intrigen und Machtkämpfe (kurz vor dem reformierenden 2. Vatikanischen Konzil, Aufkommen der Befreiungstheologie, Synkretismus, lateinamerikanische Diktaturen/marxistische Rebellionen/US-Einfluss+Kalter Krieg).
Wobei sich von selbst versteht, dass die weltliche Geographie mit ihren (Bundes)Staatsgrenzen usw. nur eine untergeordnete Rolle spielt - die Grenze zwischen zwei rivalisierenden Erzdiözesen ist natürlich viel wichtiger.
Über Kritik, Ideen und Anregungen freue ich mich sehr, genauso über Angebote zur Mitarbeit :-) (umso mehr, falls der oder diejenige Einblick in die theologischen/organisatorischen Verhältnisse im Katholizismus hat, denn ich muss mir das momentan alles mühsam anlesen...)