Threadstarterwünsch-dir-was: Ich hoffe, dass Freunde von komplexen Regelwerken sich hier melden und mich erleuchten. Ich möchte weder Bashing noch Diskussionen, ob es nötig ist. Ich will die Stelle einer Rollenspielerseele erforschen, die bei euch juckt - und ihr kommt nur mit einem komplexen Regelwerk an die Stelle, um euch zu kratzen!
Viele neuere Systeme reduzieren ja die Komplexität der Regeln gegenüber z.B. DSA4 erheblich. Nun weiß ich aber von einigen Leuten (schönen Gruß an Xemides und Die Falkin), dass ihnen bei solchen Regelwerken etwas fehlt. Ein Versuch, diese Mängel zu typisieren:
Einfachheit der Regeln und Komplexität des Gameplays sind zwei paar Schuhe. Auch ein einfaches Regelwerk kann komplexe Spielsituationen hervorbringen wenn es richtig angelegt ist und ein ausuferndes Regelwerk ist kein Garant für komplexes taktisches Gameplay.
Ich bevorzuge ja mittlerweile Systeme, die allgemeingültige Regeln vor Auflistungen und Tabellen setzen. Gute Beispiele hierfür wären Kampfwerte (ein variabler Kampfwert der auf die Kampfrelevanten Werte verteilt werden kann spart einem sämtliche Auswüchse wie "defensiver Kampfstil" oder "schneller Schlag") und Ausrüstung (wenn man allgemeingültige Regeln für z.B. panzerbrechende Munition erstellt die für alle Waffen gelten indem sie deren Basiswerte modifizieren spart man sich seitenlange Auflistungen von Munitionswerten). Man bekommt so ein System das hochvariabel ist, aber kein großes Regelwerk benötigt.
Savage Worlds geht mit seinen Ausprägungen ebenfalls in diese Richtung (auch wenn ich das System aus anderen Gründen nicht mag).
Charakterentwicklung
Ein Punkt, den ich bisher aus den Ausführungen herauslesen konnte, war das langsame Steigern. Fehlt euch etwas, wenn ihr nicht immer wieder mal ein paar Punkte auf den Charakter verteilen könnt? Je simpler das System ist, desto seltener passiert sowas natürlich...
Wenn wir schon mal dabei sind: Ist es wichtig, dass der Charakter "besser" wird, oder reicht auch "anders"?
Ich finde es durchaus wichtig dass ein Charakter sich beständig steigern kann, ganz besonders innerhalb eines System das die Freiheit von Aktionen recht restriktiv handhabt. Das kommt aber nicht daher, dass mein Charakter beständig immer besser werden muss, sondern weil er sich an die aktuellen Erfordernisse anpassen soll - daher langweilen mich auch RPGs mit starren Klassenkonzepten, bei denen ich meinen Charakter eben nicht so steigern kann wie es erforderlich oder anhand der aktuellen Ereignisse logisch wäre, sondern in meiner Railroading-Klassenschiene feststecke.
Magie
Jemand meinte mal zu mir, dass er die Magie von Ars Magica lieber möge (verglichen mit Dresden Files). Ich weiß nicht so recht warum - es scheint zu stören, dass man in DFRPG einfach so alles zaubern kann. Es dafür aber mechanisch nur drei Effekte gibt (Angriff, Abwehr, Manöver). Entweder fühlt es sich mechanisch langweilig an, oder es ist eine Frage von "creative restraint"?
Eine gewisse mechanische Komplexität sollte schon vorhanden sein - ich kenne das System jetzt nicht, aber mit nur drei Effekten scheint mir gerade Supportmagie etwas arg kurz zu kommen (Magie eignet sich ja auch gut um Mitstreiter zu verbessern oder die Fähigkeiten der Gegner zu beschneiden).
Gerade bei Magie kann man es aber auch sehr übertreiben (Paradebeispiel Arcane Codex - ein 400-Seiten-Regelbuch das von vorn bis hinten mit Zaubersrüchen vollgestopft ist ist schlichtweg Overkill).
Regelanwendung
Da höre ich am wenigsten heraus, dass jemand komplexe Regeln mag. Geht euch das anders? Ich hatte damals bei D&D3.5 viel Spaß an der taktischen Komplexität, die Bewegungsreichweiten, Zauberschablonen, Spruchlisten etc zu zugelassen haben. Erzählspiel adressiert dieses Bedürfnis ja nicht.
Wie schon gesagt sind ausufernde Regeln nicht gleichzusetzen mit komplexem Gameplay.
Wir sind nach ungefähr einem halben Starship Troopers RPG von D20 auf (von uns modfiziertes) Opus anima umgestiegen, und obwohl das Basisegelwerk viel kürzer war hatten wir viel komplexere Kämpfe (mal davon abgesehen dass es ungefähr viermal so schnell lief), weil wir flexibler kämpfen konnten (Verteilung des Kampfpools Initiative/Angriff/Parade selbst bestimmen, signifikante Unterschiede bei den Feuermodi der Waffen) und viel mehr Handlungsoptionen hatten (wir haben die Klassenfeats komplett überarbeitet und obwohl wir die Liste bestimmt auf ein Drittel des ursprünglichen Umfangs zusammengestrichen haben waren die Feats plötzlich viel sinnvoller im Kampf einsetzbar, außerdem haben wir das starre Klassensystem abgeschafft was auch flexible Mischklassen möglich machte).
Wenn man taktisch anspruchsvolle Kämpfe haben möchte braucht man sicher mehr Regelgrundlage als reines Erzählspiel, aber es ist eben auch sehr einfach einen (massiven) Regeloverkill zu produzieren und trotzdem keinen taktischen Anspruch zu haben.
Mir sind daher flexible Regelwerke am liebsten, die sich einfach anwenden lassen, aber unter der Oberfläche viel Raum für Basteleien bieten (z.B. mit einem bau-dir-ein-eigenes-Fahrzeug/Raumschiff/whatever-Baukästen).