Welche Rolle spielt für euch "Loot"? Ich habe ebenfalls eine ambivalente Beziehung zum Loot. Ich mag keine lieblos hingeworfenen Gegenstandslisten, die ich einfach abschreiben muss. Die Frage ist dabei natürlich, was "lieblos hingeworfen" bedeutet. Für mich bedeutet es in diesem Fall, dass der Spielleiter erst nach dem Kampf auf Schatztabellen würfelt und der getötete NSC auf einmal Gegenstände bei sich hat, bei denen sich jeder fragt, warum er sie dann nicht nutzt. Selbstverständlich kann ein aufmerksamer Spielleiter die Schätze vorher bestimmen oder das Ganze erklärbar machen, aber die Gefahr bestimmt immer, dass es dann zu einer Belohnung wird, die sich nicht als Belohnung anfühlt.
Das ist der zweite Punkt, der mich immer umtreibt. Das Gefühl der Belohnung. Wenn es also ein harter Gegner ist oder mir der Umgang mit dem Gegner Spaß gemacht hat oder ich im Zuge eines Survivalabenteuers mühsam Gegenstände zum Überleben zusammenklaube, habe ich beim Plündern auch eine Art Belohnungsgefühl. Wenn ich mich - meinetwegen bei D&D - mit meinem +5 Henkerzweihänder durch eine Horde nichtsnutziger, bereits halbtoter Goblins pflüge, ist weder der Kampf für mich in den meisten Fällen wirklich belohnend und dementsprechend auch das Plündern nicht, unabhängig davon, was die Goblins nun so mit sich führen.
Der dritte Punkt liegt sicher auch in meiner Studienausrichtung als Archäologe und meinem grundsätzlichen Interesse an materieller Kultur. Gerade deshalb sind gerade die Alltagsgegenstände, Kleidungsstile, besonderes Kleinod etc. unabhängig vom Rollenspielsystem für mich ganz wichtig, weil ich gerade auch das Gefühl der kulturellen Entdeckung brauche. Da lebt es vom Detail. Es muss dabei allerdings nicht so sein, dass der SL oder ich als SL jeden NSC mit ausführlicher Ausrüstungsliste erstelle und das es bei jedem Charakter beschrieben werden muss. Aber wenn es beispielsweise eine spezielle Räubertruppe im Umfeld einer von den Spielern kontrollierten Stadt gibt, interessiert es mich dann als Spieler immer, ob aus der Ausrüstung Rückschlüsse auf das Alltagsleben der Räuber in den Wäldern geschlossen werden kann. Das bietet die Chance eines investigativen Spiels, welches auch durch die Fragen der Spieler getrieben wird.
Das führt zum vierten Punkt, nämlich das mich die Geschichten hinter diesen Gegenständen interessieren. Klar kann nicht jeder Feuerstein eine spannende Geschichte erzählen, aber das können auch nicht alle Menschen. Aber einzelne Gegenstände können schöne Geschichten erzählen, wie es auch Gegenstandskompositionen können oder die mit den Gegenständen verbundenen Menschen. Sofern dies eine Rolle spielt, bin ich leicht dafür zu gewinnen. Und da können für den jeweiligen Charakter nützliche Gegenstände ebenso spannende Geschichten erzählen wie der Müll einer Person oder Personengruppe.
Fünfter Punkt: Ich mag es, wenn die Charaktere nicht nur ihr Schwert und ihre zwei, drei Fähigkeiten immer wieder stumpf einsetzen, sondern mit ihrer Umgebung spielen. Das umfasst einmal die Szene, in der sie sich befinden (meinetwegen Tavernenraum, Tanzsaal, Saloon), und eben auch mit den dazugehörigen Gegenständen. Da zu wissen, was ein durchschnittlicher Cowboy in dieser Stadt so bei sich hat, hilft auch im Saloon zu Gunsten der Gesamtszene zu improvisieren und die Umgebung mit einzubeziehen. Gleichzeitig beginnt da immer das Problem, dass die vollständige Beschreibungen von Räumlichkeiten viel zu lange dauern und da natürlich gekürzt werden soll. Manchmal gehe ich mit meinen Spielern einfach mal Räumlichkeiten vor dem Spielabend durch, um eine Vorstellung von gewissen Räumlichkeiten zu haben.
Was ich jedoch nicht mag, ist das Looten um des Lootens willen. Also nur, um irgendetwas an der Hand zu haben. Das ist insofern manchmal problematisch, dass die Spieler nicht unbedingt erkennen, was ich im Sinne habe oder ich als Spieler nicht erkenne, was der SL im Sinne hat und wir die jeweilige Auswahl für beliebig halten, obwohl sie das nicht unbedingt ist. Das ist eine Verhandlungssache in diesen Fällen. Viel furchtbarer finde ich jedoch, wenn gewisse Gegenstände zur externen charakterprogressiven Notwendigkeit werden. Das betrifft beispielsweise Systeme wie D&D, wo ich irgendwann eben meine modifizierten Waffen, Rüstungen etc. brauche, um überhaupt noch gegen Standardgegner meines Herausforderungsgrades bestehen zu können und bei solchen Erwägungen bleiben dann häufig die Geschichten hinter den Gegenständen zurück, vor allem wenn Charaktere bei D&D Charakterkonzepte verfolgen oder einfach nur ein Attribut steigern wollen etc. Wenn man das jedoch in gute Geschichten packen kann, kann ich damit leben. Das mit der Charakterprogression stört mich aber nicht nur bei Systemen, sondern auch in settingspezifischen Entscheidungen. Wenn die Geschichte schwach ist dazu, interessiert es mich als Spieler relativ wenig, dass die vier Spielercharaktere nur mit den vier geweihten Artefakten das Kampagnenübel ausrotten können. Wenn also nur solche Entscheidungen anstehen und diese dann auch durch "Loot" zu bergen sind, kann es schnell eine Geschichte ersticken. Gerade diese Dissonanz kann allerdings auch ein interessanter Aufhänger für eine Charakterentwicklung sein, muss dann aber mit einer gewissen Sensibilität von SL und Spieler angegangen werden. Da dies meist nicht passiert ist in meinen Fällen, war das immer etwas problematisch, wenn es darauf hinauslief, dass der SL mir vorschreiben wollte, mit welchem Werkzeug ich zu arbeiten habe.
Insgesamt liegt die Standardlösung meiner Gruppe dazwischen und es weniger systemabhängig, sondern gleicht sich relativ stark von System zu System, nur leicht unterschieden von den systemrelevanten Notwendigkeiten (D&D vs. Fate bspw.). Wenn der Spielfluss es zulässt oder die Geschichte es erfordert, wird die materielle Kultur diverser Gruppen näher beleuchtet oder mal das Gegenstandarsenal einer Person bewertet, sofern dies lohnend erscheint (entweder im Rahmen des Kulturverständnisses oder der Geschichte), bei den meisten weniger spektakuläreren Begegnungen werden diese Dinge aber auch gekürzt und nicht jeder (also nur wenige Exemplare) Goblin wird als Individuum vorgestellt. Je nach Abenteuertyp wird dies eben auch unterschiedlich wichtig.
Werden besiegte Kontrahenten systematisch geplündert? Ja, aber mit unterschiedlichen Gewichtungen. Wenn der Kampf belohnend war, wird das Plündern mit mehr Sorgfalt durchgeführt. Wenn der Kampf weniger spannend war, beschränkt sich das Plündern auf das Finden der wichtigsten Dinge (Informationen, Bares, besondere Gegenstände, Gimmicks). Zu dieser Systematik kann je nach Runde auch das Nichtplündern gehören, zum Beispiel wenn nur geschaut wird, was der Gegner dabei hat, ohne dass es geborgen wird. Oder wenn das Plündern moralisch bewertet wird. Es ist auf jeden Fall häufig ein Thema.
Ist Schatzsuche ein elementarer Bestandteil eures Spiels? D.h. sucht ihr als Spieler gezielt nach verstecken Schätzen bzw. bemüht ihr euch als SL diese gezielt zu verstecken?Das typische Dungeondurchsuchen ala D&D ist trotz der systematischen Plünderung weggfallen. Es muss zur Szene und zur Situation zu passen. Wenn die Szene es anbietet oder die Situation es möglich macht, wird auch mal eine Art Schatzsuche oder Schnitzeljagd reingebracht. Aber wenn die Charaktere jetzt nur auf ein Gespräch und ein Bier in der Taverne sind, durchstöbern sie nicht noch Abort und Lagerraum nach Schätzen, weil man in den alten WotC-Dungeons ja auch überall nochmal ein Juwel oder einen Trank versteckt findet. Wenn die Situation es begünstigt, bemüht der Spielleiter sich auch darum, solche Gegenstände zu verstecken. Mal mit einfachen Mittel, mal kreativ. Hauptsache abwechselungsreich, damit es keine langweilige Routine wird, die man mit einem Würfelwurf abhandelt.
Findet ihr es zumindest generell spannend, eine Schatzsuche zu erzählen? Generell ja, so es zum Szenario passt. In einer Kampagne voller Schlachtengetümmel, wo es um Strategie und Schlachtenglück geht, interessiert mich die Schatzsuche weniger und selbst wenn ich zwischendurch ein uraltes, vergessenes Banner für die Moral meiner Truppe bergen muss, ordne ich die Schatzsuche etwas unter. Wenn sie gut erzählt ist (dazu gehören ja immer SL und Spieler) kann es da natürlich seinen Reiz haben. Ein auf Schatzsuche ausgelegtes Grundspiel bietet aber schon ein gewissen Reiz und wenn ich den Charakter darauf ausrichte, möchte ich das sicher auch angespielt sehen. Mich fasziniert dieses Thema aus archäologischer, historischer und menschlicher Sicht, häufig aber weniger wegen des vorgestellten Wertes, sondern eben wegen der menschlichen Geschichten dahinter.
Ist Loot ein Aufhänger für moralische Fragen oder wird das als genre-immanent hingenommen?Bei uns ist es immer ein Aufhänger dafür, unabhängig vom Genre. Und selbst wenn sich alle Spieler vornehmen, wildgewordene Plünderer zu spielen, kommt es zumindest zu Konflikten um die Verteilungsgerechtigkeit.