Du sagst beschrieben wird der Effekt und die Welt und Vorstellung passen sich daran an. Aber das Gegenteil ist der Fall - der Effekt beschreibt die Welt, oder genauer gesagt, beschreibt was geschieht wenn eine bestimmte Aktion ausgeführt wird. Wenn der Oger die Halblingsdiebin zurückstößt löst er einen Push Effekt aus. Und wenn nicht dann nicht.
Ich sehe das genau umgekehrt. Vom System definiert ist der
Effekt, genauer gesagt, das
Resultat. In diesem Fall: Schaden und Push. Ich als Spielleiter kann dann sagen: Keulenschwung, der Dich zurückstößt. Oder: Fußstampfer mit Schockwelle, die Dich zurücktaumeln lässt. Oder: Der Oger schnappt sich eine Holzbank und schmeißt sie zwischen euch.
Die Fiktion ist gleichermaßen frei, wie sie machtlos ist. Ich kann eine Power immer wieder neu narrativ einkleiden, um den Anschein zu vermeiden, das Monster würde immer wieder das Gleiche tun: Den Tentakelhieb des Illithiden kann man genausogut als Ego-Peitsche oder telekinetischen Griff ausgeben.
Die "Villain's Menace" meines Warforged habe ich mal psychologisch ("Nie wieder wirst du meine Brüder verklaven, Magieschmied!"), mal als Zielerfassung ("Wechselbalg im Fokus, Waffenwechsel aktiv!") oder Überladung der Systeme ("Wenn der Konflikt eskaliert, eskaliere ich mit!") umgedeutet.
Die narrative Einfärbung der Power ist aber letztlich egal, was die Auswirkungen innerhalb der Regeln angeht. Dieselbe Power kann den Keulenschwung des Ogers beschreiben, aber auch das grauenvolle Geheul einer Banshee oder einen Windstoß aus dem Zauberstab eines Luftmagiers abbilden. Der Fluff hat keine Auswirkungen auf die Power.
Tatsächlich kann ich dir nicht sagen ob dies nun Gameistisch ist, narrativ oder simulationistisch. Keine Ahnung, ganz ehrlich. Was ich dir aber sagen kann ist das mit diesem Ansatz sehr viel mehr und verschiedenere Dinge dargestellt werden als wenn ich sage: Jeder Oger macht XYZ. Es ist ein viel flexiblerer Ansatz.
Ich finde ihn auch praktischer und übersichtlicher. 3.X und Pathfinder tun sich meiner Meinung sehr schwer mit ihren Grapple-Regeln oder Combat Maneuvers, die ja, denke ich, Zugeständnisse ans simulationistische Spielen sind. Im Gesamtkonstrukt empfinde ich sie allerdings als unschierig und nachschlageintensiv, während die Effektregelung der 4E es ermöglicht, alle notwendigen Wirkungen auf zwei Seiten kompakt und bündig darzustellen.
Wenn ich will das der Oger die Halblingsdiebin zwischen Schild und Hammer einquetscht geht dies. Genauso wie es geht dass er mit ihr Baseball spielt. Was das ganze zu einem sehr offenem System macht und auf die Frage "was will ich" reduziert.
Und andere Spieler möchten, dass das System
immer klarstellt, was passiert, wenn ein großes, starkes Wesen mit einer Keule ein kleines Objekt trifft. Und dass ein Paladin in Vollplatte nicht genausoweit zurückgestoßen wird wie der Gnom in seinem Arkanistentrikot.
Oder dass Entwaffnen immer möglich ist. Und dass man seinen Gegner selbst dann in den Schwitzkasten nehmen kann, wenn man keinerlei Grapple-Power sein eigen nennt. Spieler, die einen Waffenwechsel bis in die Fingerspitzen fühlen wollen.
In der 4E ist das Board der "Final Arbiter", der faire Richter, der alle wesentlichen Aktionen im Kampf abdeckt. Diese konsequente Reglementierung ist etwas, was vielen Spielern aufstößt - gerade,
weil es so gut funktioniert. Denn es ist ja psychologisch interessant, dass nicht funktionierende Regeln - wie LaCipollas Fall zeigt - die Spieler leichter dazu animieren, Hausregeln zu erfinden, als der Hinweis im Spielleiterbuch, man könne doch jederzeit auf die Regeln pfeifen, wenn sie einem im Wege stehen.
Wellentänzer hat auch unterstrichen, dass die 4E ein "Spiel" liefert, das komplett in sich schlüssig ist und deshalb nicht einen allmächtigen Spielleiter erfordert, der die Lücken im System mit seinem vergoldeten Meisterspachtel ausfüllen darf, um sich das System "passend" zu machen.
Der Reiz einer solchen gamistischen Strenge liegt in der Klarheit der taktischen Optionen, die immer und überall zu Verfügung stehen. Es gibt keine Willkür, die Dir mal das eine ermöglicht, um es Dir das andere Mal zu verweigern. Die Kehrseite davon ist aber eben, dass es - wie Crimson King sagte - keine nennenswerte Rule of Cool gibt.
"Ein Goblin! Ich hasse Goblins! Ich stürme auf ihn zu und schlag mit dem Hammer drauflos!"
"Das sind sechs Felder. Du kannst nur fünf laufen. Bist ja ein Zwerg."
"Aber das ist ein Goblin! Die haben meinen Klan ausgelöscht! Ich hasse diese Viecher! Bei Moradins Amboss!"
"Fünf Felder."
Was will ich ist wie gesagt auch die wichtige Frage beim Thema Balancing. Will ich dass Klasse X schneller Macht gewinnt als alle anderen so ist dies immer leicht zu machen. Aber will ich es? Will ich mich z.B. vor meine Gruppe hinstellen und sagen: "Mark bekommt mehr Erfahrungspunkte als Paul, denn er hat Klasse X gewählt." ? Wenn ich es will so geht dies problemlos, und doch macht es niemand. Warum? Weil Imbalanz eigentlich nicht gewollt wird, erst recht nicht in einer Weise die mit offenen Karten spielt.
Das ist es halt. Imbalance ist mit der 4E nicht zu machen und macht prompt keinen Spaß mehr. Aus demselben Grund fühlt sich episches Spielen auch nicht in dem Maße "episch" an wie in Spielen, die diese "unfairen" Mittel den Spielern an die Hand geben.
Ich spiel ja noch regelmäßig AD&D - dort haben Magier zum Teil sehr schwerwiegende Einschränkungen und sind eben nicht die unumstritten allergrößten. Das ganze ist etwas was erst mit 3E/3.5 so richtig aufkam, uind mit dem Abbau dieser Einschränkungen.
Auch in der AD&D konnten Zauberer später viel mehr als andere Klassen, von deren Schutz sie in den ersten Stufen abhängig waren. Sie spielten gewissermaßen ihr eigenes Spiel, während sie in der 4E dasselbe Spiel spielen. Das ist ein heftiger Designumschwung, an dem einige Fans noch heute knabbern.
Du sagst für Imbalanz wird man mit einem Effektfeuerwerk entschädigt. Tatsächlich ist aber doch das Gegenteil der Fall. Dadurch dasss nur aus ein paar Rohren gefeuert wird...und andere es nicht so bringen... hat man statt einem Feuerwerk nur ein paar einzelne Böller. Das ist ja gerade die grundlegende Eigenschaft eines Feuerwerks. Mehr als eine Rakete.
Diese Metapher habe ich nicht verstanden. Kannst Du sie mir noch ein mal erklären?