[Die 4. Sitzung]
Als das Licht in dem Raum angeht, schauen sie auf eine Reihe Computermonitore, einen Bürostuhl und eine beachtliche Sammlung Baseballsammeltassen. In einer Ecke steht ein Funkgerät. Bei näherer Betrachtung erweist es sich als voll funktionsfähig. Dennoch verzichtet Tad zunächst darauf, einen Funkspruch abzusetzen. Lieber wendet er sich dem Computerterminal zu und schaut sich in dessen digitalen Eingeweiden um. Doch die Benutzeroberfläche und das Dateisystem erscheinen ihm wie leergefegt. Im Posteingang des Mailprogramms findet er eine einsame Videodatei. Derweil versenkt Annenkow die Webcam des Systems in einer der Baseballtassen, sicher ist sicher. Pete kommt hinzu und gemeinsam sieht man sich die ominöse Videodatei. Darauf ist ein Mann mittleren Alters zu sehen, der sich offenbar an Betsy wendet, immer wieder unterbrochen von statischem Rauschen. „Betsy, etwas Schlimmes ist passiert. Die gesamte [Rauschen] ist [Rauschen]. Komm auf keinen Fall zur [Rauschen]. Ich wiederhole, auf keinen Fall zur [Rauschen] kommen,“ hört man die Stimme des Mannes sagen.
In der Zwischenzeit ist Candy wieder aus dem Wald aufgetaucht und schleicht sich an die Hintertür der Bar. Sie ist sich sicher, dass sie niemand gehört hat. Da geht plötzlich die Tür auf und Fjodor tritt hinaus ins Freie, macht ein, zwei Schritte und schaut demonstrativ in den wolkenverhangenen Himmel, um sich dann unvermittelt zu Candy umzudrehen. „Und wer sind Sie,“ fragt er in seiner unnachahmlich charmanten Art. Überrascht stolpert Candy einige Schritt zurück und richtet ihre Waffe auf Annenkow. Dieser hebt beschwichtigend die Arme, deutet eine Verbeugung an und sagt: „Gestatten, Fjodor Alexejew Annenkow. Mit wem habe ich die Ehre?“ „Candy Underwood,“ presst Candy hervor. „Ein amerikanischer Name... Sagen Sie, ist es üblich in ihrem Land, einen Gentleman mit einer Waffe in der Hand zu begrüßen,“ führt Annenkow die Unterhaltung fort. „Candy, die sind in Ordnung, etwas verrückt, aber in Ordnung. Kannst reinkommen,“ schaltet sich Pete von drinnen in das Gespräch ein.
Nach dem sie sich etwas beruhigt hat, verlangt Candy nach einem Ort, an dem man sich waschen kann. Die Toilette sei leider „okkupiert“ wird ihr erklärt, aber in der Bar gäbe es ein Waschbecken, Annenkow bietet sich an, sie dort hin zu geleiten. In der Bar macht sich Candy am Waschbecken frisch, während Annenkow schnell ein paar Cocktails kreiert. Als sich Candy etwas Privatsphäre erbittet, dreht Fjodor ihr galant den Rücken zu. Plötzlich fällt in der Bar das Licht aus und sie wird nur noch von ein paar herunter gebrannten Kerzenstummeln erleuchtet. Auch elektrische Geräte wie die gefundenen Taschenlampen scheinen nicht mehr zu funktionieren, wie auch Tad und Pete feststellen können, die noch im Kontrollraum ausharren. Sie beschließen, in der Bar nach dem Rechten zu sehen. „Was soll ich denn mit so einem Obstsalat, haben Sie nichts Richtiges in dieser Bar,“ entgegnet Candy, als Fjodor ihr einen der Drinks rüber schiebt. Sein Gesicht hellt sich schlagartig auf: „Sie meinen Wodka!“. Während Pete sich des Generators annimmt, will Candy den Körper und den Kopf auf der Toilette in genaueren Augenschein nehmen. Bewaffnet mit einer Kerze macht man sich auf den Weg. Der Anblick lässt den Beteiligten das Blut in den Adern gefrieren. Der Geruch nach verbranntem Fleisch tut sein Übriges.
Ein Angriff (+2) auf den (Mentalen) Belastungsbalken der anwesenden SCs.
Für Tad ist das alles zu viel, seine Knie werden weich, er muss würgen und die Kerze entgleitet seinen zitternden Fingern. Es gelingt Annenkow noch Thadeus zu stützen und gleichzeitig nach der Kerze zu greifen, die über den Fußboden rollt. Doch seine Fingerspitzen schiebe sie nur noch weiter aus seiner Reichweite, glücklicherweise in Richtung Candy. Diese kann die Kerze an sich nehmen, im flackernden Kerzenschein starren sie zweit tote Augenhöhlen an. Es gelingt ihr, sich soweit zu überwinden, eine Gewebeprobe zu nehmen.
Derweil kann Pete am Generator keine technische Störung erkennen, daran kann es nicht liegen, er kehrt zurück in die Bar. Dort überkommt ihn schlagartig eine Erinnerung: Er ist in einem weißen Raum zusammen mit anderen Personen, festgeschnallt an eine Art Krankenhausbett. Personen mit OP-Kitteln und Mundschutz kommen auf ihn zu. Neben ihm wehrt sich Fjodor mit allen Kräften, der ähnlich fixiert ist. Am anderen Ende des Raumes steht Thaddeus, seltsam, abwesend lächelnd von seinem Bett auf. Just in diesem Moment tritt Tad durch den Perlenvorhang in den Barraum, gefolgt von den anderen. „Ihr steckt da alle mit drin,“ schreit Pete ihn an. „Sachte, sachte, wer steckt wo mit drin,“ versucht Thadeus ihn zu beschwichtigen. Doch Pete kommt weiter drohend auf ihn zu, sodass er diesen in den Schwitzkasten nehmen muss, bis er sich beruhigt hat. Nachdem Pete sich erklärt hat, lässt Tad ihn los und Pete tigert vor der Bar auf und ab. „Fuck, fuck, fuck, die haben irgendwas mit meinem Gehirn gemacht,“ wiederholt er immer wieder, greift sich an den Hinterkopf und spürt dort eine Narbe. Annenkow tut es ihm bewusst nach, läuft neben ihm auf und ab, spricht seine Worte nach und erntet schließlich ein: „Man wie bist du denn drauf,“ von Pete.
„Ich hab da eine Narbe am Hinterkopf und kann mich nicht erinnern, wo ich die her habe,“ erläutert Pete. „Ach, ich kann mich auch an viele Dinge nicht erinnern, das ist nicht schlimm,“ versucht Fjodor ihn zu beruhigen. „An Narben erinnert man sich normalerweise,“ entgegenet Pete. Unwillkürlich greift sich Fjodor an seinen Hinterkopf, dort spürt auch er eine Narbe und eine Erinnerung wird in sein Gedächtnis gespült: Er steht auf einem Hochhausdach in einer Stadt in einem südamerikanischen Land. Dort wartet ein Hubschrauber und ein älterer Mann mit südländischen Zügen, einem wettergegerbten Gesicht und einem silbrig schimmernden Haarkranz reicht ihm die Hand. Per Handschlag besiegeln sie ein Geschäft, nämlich dass sich Fjodor diesem Menschen eine Woche lang zur freien Verfügung stellt.
Reizen von Fjodors Amnesie-Aspekt durch den Spieler von Pete. Ursprünglich wollte der Spieler Fjodors „Drogeninduzierte Flashbacks“ reizen.
Ein etwas ratlos wirkender Thadeus gesellt sich zu den beiden. Nachdenklich fährt er sich über seine Hinterkopf, als er sich seine Basecap neu aufsetzen will. Auch er spürt dort eine Narbe. Annenkow und Pete dränge ihn, sich zu erinnern. Eine tiefe Furche bildet sich auf Tads Stirn, irgendetwas baumelt knapp außerhalb der Reichweite seines Bewusstseins, doch er bekommt es nicht zu fassen. „Da ist nichts, ich kann mich nicht erinnern,“ stellt er resigniert fest. „Das ist es ja gerade,“ unterstreicht Fjodor, indem er seinen knöchernen Finger in Tads Brustkorb bohrt.
Schließlich kommt auch Candy heraus zu ihnen auf die Landebahn. Sie wundert sich, was es mit diesen merkwürdigen Tabletten auf sich hat, die sie gefunden hat. Aus alter Gewohnheit legt sich Fjodor eine davon unter die Zunge. Er ist sich sicher, dass er die Art der Tabletten bestimmen kann, sollte es sich um ein Betäubungsmittel handeln. Candy geht etwas vorsichtiger vor, ist aber auch neugierig, sie schabt mit einem Taschenmesser etwas von einer Tablette ab und leckt daran. Bei Candy passiert nichts. Fjodors Pupillen weiten sich schlagartig. Als er sich zur Bar umdreht, sieht er diese in helles Tageslicht getaucht. Eine untersetzte Person in Hawaiihemd verabschiedet sich gerade von Betsy und geht zu einem Flugzeug, das auf der Landebahn wartet. Unwillkürlich läuft Annenkow auf diese zu, ruft ihr etwas zu. Der Mann in dem Hawaiihemd bleibt kurz stehen, schaut sich zögernd um und schüttelt dann den Kopf, als wollte er einen störenden Gedanken abschüttelt. Er steigt in das Flugzeug, eine kleine einmotorige Maschine. Vergeblich versucht Fjodor ihm zu folgen, als er die Flugzeugtür zu fassen bekommt, greift er ins Leere. Das Flugzeug fährt die Rollbahn hinunter, wendet, kommt auf ihn zu und nimmt immer mehr Fahrt auf. Angewurzelt bleibt Annenkow stehen, bis die wirbelnden Rotorblätter sein Bewusstsein unerbittlich durchpflügen. Nur langsam, wie aufgewirbeltes Sediment in einem Wasserglas, setzt es sich wieder zusammen.
Es dauert eine Weile, bis Fjodor wieder ansprechbar ist und man beschließt sich in Richtung der Fledermaushöhlen auf den Weg zu machen, von denen Candy gesprochen hat. Auf dem Weg dorthin taucht plötzlich über ihnen eine gleißendes Licht auf, das über ihnen verharrt und nach ihnen tastet. Instinktiv ducken sich alle ins Unterholz. Von dem Licht geht ein Geräusch wie von einem Hubschrauber aus. Nur Tad wundert sich, dass er keinen Luftdruck spürt. Wenig später zieht das Geräusch und das Licht weiter zum Flugplatz. Dort angekommen schwillt ein singendes Kreischen immer mehr an und man hört das Prasseln von Metall. Nach einer gefühlten Ewigkeit verebbt das Geräusch wieder und das seltsame Fluggerät bewegt sich mit hohe Geschwindigkeit zur Rückseite der Insel.
Ohne zu zögern läuft Thadeus zurück zum Flugfeld, die anderen folgen ihm. Es bietet sich ihnen ein Bild der Zerstörung. Die Bar und der Hangar liegen wie aufgeplatzte Konservendose da. Die Jollyjumper wurde komplett zerfetzt, in mitten der Trümmerteile liegen Annenkows Gemälde, seltsam unberührt von dem ganzen Chaos. Während Annenkow liebevoll seine Bilder durch die Flightcases betrachtet, starrt Thadeus fassungslos auf die Überreste seinen Flugzeugs.
An dieser Stelle wurde ein neuer Stunt für Fjodor geschaffen. Einmal pro Spielsitzung können seine Gemälde die Wirklichkeit um sie herum verformen. Allerdings hat das seinen Preis, aus dem Flugzeug ist nichts mehr zu retten.
Als sich Tad von dem Anblick losreißen kann, macht man sich auf den Weg zum Urlaubsparadies. Candys Bemerkung, dass es dort sicher keinen Handtuchservice mehr gibt, wird von der Aussicht auf ein Bett verdrängt...
[Fortsetzung folgt]