Bei der Frage nach der Henne und dem Ei lege ich mich fest, dass die Zeiteinheit das eigentlich relevante und der Ursprung ist, weil sie die Handlungen vieler Kämpfer gerecht vergleichbar macht. Und die Kürze oder Länge der Zeit (1 bis 4 Sekunden scheinen die Klassiker zu bevorzugen, von den Inkonsistenzen von ad&d mal abgesehen) orientiert sich pragmatisch am Prototyp des Kämpfers. Davon ausgehend wird alles andere skaliert.
Hier eher kurze Rundenzeiten zu wählen hat den Vorteil, dass Schätzfehler nicht allzu groß werden.
Irgendwie muss man bei festen Rundendauern schließlich festlegen, was in einer Runde geht und was länger dauert - und da verhauen sich einige Systeme gründlich.
Hier ist vielleicht das Mißverständnis entstanden, dass flexible Kampfrunden Abwesenheit von geregelten Handlungsoptionen bedeuten. Das ist natürlich nicht (notwendigerweise) der Fall.
Macht man sich da nicht ein ganz neues Problemfeld auf?
Auch wenn man die Dauern nicht konkret benennt, ist doch bei einem Wechsel z.B. von der Sekunden- auf die Minutenskala auf einmal die Bandbreite an Handlungen für eine Runde eine ganz andere.
Je nach System stellt sich da auch schon die Frage, ob das mit Fertigkeiten und anderen Charakterwerten einfach so zusammengeht.
Was gibt es denn da an Vorgehensweisen abseits davon, bei einer Verlängerung um den Faktor X eben auch die Handlungsoption Z X-mal wählbar zu machen - ggf. mit einer zusammengefassten Abhandlung, sonst wäre es ja sinnlos.
Combat, bleeding, and first aid are incredibly short in duration under Shadowrun rules. It's a fundamental problem with setting the combat round length to the minimum times people achieve. So in the real world you can shoot four people with a semi automatic pistol in 3 seconds. In actual firefights, this basically never happens, but it is possible. So the game sets that as the standard time frame, and then everything takes an unrealistically short amount of time.
SR hat mit diesem Ansatz schon so seine Probleme, ja.
Aber dass man nicht mittem im Feuergefecht anfängt, Erste Hilfe zu leisten, ergibt sich immer noch aus den Regeln. Und auch verblutet wird nicht von einer Runde auf die nächste.
Aber grundsätzlich hat man da etwas zu kurz gedacht:
Was wer in welcher Zeit hinkriegt, ist gerade in Sachen Schießen eine Fertigkeitsfrage und keine Frage rein physikalischer Machbarkeit.
Mit so einem Ansatz die Rundendauer zu definieren, zäumt das Pferd von hinten auf.
Gibt es irgendwelche Regeln, die dafür sorgen, dass man unter irgendwelchen Umständen so lange brauchen kann? Und wie läuft das bei GURPS (das ich nur theoretisch kenne) praktisch ab?
Denkbar ist es z.B. dann, wenn
- die Kontrahenten schwer gerüstet, aber in Relation dazu eher unwirksam bewaffnet sind,
- beide ziemlich gleichwertige Kämpfer sind,
- beide bereits vom Training her eher auf eine defensive Kampfweise ausgerichtet sind,
- und im Kampf auch tatsächlich fast ausschließlich defensiv agieren,
- viel taktiert und eingeschätzt wird.
Die ersten drei Punkte ergeben sich organisch aus den Ausrüstungs- und Charaktererschaffungsregeln.
Regelseitig liefe eine sehr defensive Kampfweise darauf hinaus, dass viel mit folgenden Manövern gearbeitet wird:
"Evaluate" gibt einen Bonus auf eine folgende Attacke, verfällt aber, wenn die Voraussetzungen dafür wegfallen - im Nahkampf regelmäßig dann, wenn die beiden Gegner sich zu weit voneinander entfernen.
"Feint" erlaubt es einerseits, sich einen Angriffsbonus für die folgende Runde auch dann zu erarbeiten, wenn der Gegner im vergleichenden Wurf seine Probe ebenfalls schafft, aber eben um einen geringeren Betrag als man selbst. Bei einem echten Angriff wäre hier alles wieder auf Anfang, mit der Finte ergibt sich ein kleiner Vorteil.
Umgekehrt kann man die Finte auch defensiv einsetzen, um dem Gegner den nächsten Angriff zu erschweren - spielmechanisch das Selbe mit umgekehrten Vorzeichen.
"All-out defense" erlaubt es, unter Verzicht auf einen Angriff zwei verschiedene Verteidigungen einzusetzen oder eine einzelne Verteidigung mit Bonus.
Für jede aktive Verteidigung gibt es noch die Option des Zurückweichens, das ebenfalls einen Bonus mit sich bringt.
Als weitere Regeloption könnte man erlauben, mit Ausdauerpunkten einen weiteren Bonus für die Verteidigung zu kaufen.
Wenn nun beide Kämpfer mit einem Schild ausgerüstet sind und sich darauf verlegen, durch Bewegung ein gegnerisches "Evaluate" zu entwerten, um danach mit einer ausreichend guten Finte eine Lücke zu suchen (die der Gegner seinerseits mit einer defensiven Finte beantworten wird), kann sich das schon eine ganze Weile hinziehen. Zumal auch bei einer gut gelungenen Finte dem Gegner immer noch mindestens das Zurückweichen zur Verfügung steht - wenn er sich nicht nach einer eher schlechten defensiven Finte* sowieso erst mal auf "all-out defense" verlegt.
*Erfolgsgrade von gegnerischen Finten werden standardmäßig nicht angesagt, um sie auch auf der Metaebene einigermaßen wirksam zu machen. Da aber die
eigene Finte eingeschätzt werden kann, ist volle Verteidigung nach einer schlecht ausgeführten defensiven Finte trotzdem sinnvoll.
Solange man schön Platz zum Zurückweichen und Entwerten von "Evaluate" hat und die Ausdauer nicht ausgeht, zieht sich das dann entsprechend.
Für so einen Verlauf müssen aber auch äußere Umstände dafür sorgen, dass beide einerseits bleiben, ohne aber andererseits mit entsprechendem Druck die Entscheidung zu suchen.
Ein Gerichtskampf wäre eines der Paradebeispiele.
In einem "normalen" Kampf mit eindeutigerer Rollenverteilung von Aggressor und Verteidiger kann sich der Aggressor so langes Taktieren nicht erlauben, weil der andere sonst kurzerhand stiften geht und der Verteidiger nicht, weil er dem anderen bei erster Gelegenheit selbst Druck machen muss, sonst geht er im Angriffshagel unter.