Um mal für einen Moment etwas philosophisch zu werden: ich denke, es ist in erster Linie eine Gewichtungsfrage. Inwieweit soll der Charakter das, was er ist, "aus sich heraus" sein, und bis zu welchem Grad soll ihn erst seine Ausrüstung dazu
machen?
Die Fate-Grundeinstellung ist nun erst mal "das ist alles der Charakter" -- wenn ich einen tollen Schützen mit dicker Wumme spielen will, dann wird er dazu, indem ich ihm die passenden Fertigkeiten, Aspekte und Stunts gebe. Wenn er daneben tatsächlich noch eine
ganz bestimmte dicke Wumme ständig mit sich herumträgt, anstatt beispielsweise in jedem Abenteuer mit einer anderen neuen aufzukreuzen, dann ist das ein nettes Detail und eine Art Aushängeschild, hat aber (wenn daraus nicht wieder selber ein Charakteraspekt oder ähnliches wird) ansonsten keine größeren Auswirkungen.
Das ist nun wiederum, klar, nicht der
realistischste Ansatz; gerade beim Thema "technischer Fortschritt" geht's ja eben genau darum, genau dieselben Pappnasen mit immer besseren Spielzeugen auszustatten, weil man die Leute selbst oft eher schlecht noch großartig verbessern kann.
Es ist aber durchaus einer, der in allen möglichen
Unterhaltungsmedien nichtsdestotrotz sehr populär ist und es wohl auch bleiben wird -- mMn unter anderem deswegen, weil das Publikum die tollsten Sachen gerne in den Händen derer sieht, die sie sich auch "verdient" haben, und weil die feste Zuordnung bestimmter außergewöhnlicher Gegenstände zu bestimmten Figuren auch identitätsstiftend wirkt. (Excalibur gehört nun mal zu König Artus, die NCC-1701
Enterprise zu ihrer bekannten Crew, und der Henrystutzen zu Old Shatterhand.)
Wenn ich jetzt also -- eigentlich unabhängig vom System -- anfange, der Ausrüstung
auch explizite eigenständige Spielwerte zu geben, dann entferne ich mich automatisch auch ein Stück weit von dieser Sichtweise. Dann wird mein toller Schütze bis zu einem gewissen Grad nur deshalb zu einem tollen Schützen,
weil er gerade diese bestimmte Art von dicker Wumme benutzt, und dann muß ich mir auch genauer überlegen, welche Eigenschaften nun genau
an der Ausrüstung hängen und gegebenenfalls auch mal mit ihr den Besitzer wechseln sollen. Und letztendlich verschiebt sich damit der Schwerpunkt ein Stück weit weg von der, wenn ich sie mal so nennen darf, "interaktiven Abenteuergeschichte um bestimmte Hauptpersonen" hin zum "Taktikspiel um die optimale Verteilung der coolsten Sachen"; das ist nicht zwingend ein Problem, aber es
ist mMn eine Nebenwirkung, über die es nicht schaden kann, sich nach der goldenen Regel ("Überleg dir erst, was du eigentlich erreichen willst...") erst mal ein paar Gedanken zu machen.
Soviel dazu. Zur rein handwerklichen Darstellung von Ausrüstung will ich noch mal zusammenstellen, was ich so für die ungefähre "typische" Liste von Optionen halte:
-- Ausrüstung als reines Detail, das vielleicht mal als "narrative permission" einspringt. Wenn ich schießen will, brauche ich eine Waffe, wenn ich jemanden fesseln will, ein Seil oder Ähnliches, wenn ich längere Zeit tauchen gehen will, entsprechende Unterwasserausrüstung. Das ist so ungefähr der Abstraktionsgrad "gesunder Menschenverstand, spezielle Regeln werden nicht benötigt".
-- Ausrüstung als Teil des Charakters, also beispielsweise in der Form von
Charakteraspekten oder -stunts. Lohnt sich allein schon aufgrund der Tatsache, daß ich von denen nur eine relativ kleine Anzahl überhaupt haben kann, normalerweise nur für Ausrüstung, die erstens aus welchem Grund auch immer auch regelmechanisch "besonders" und zweitens wirklich zentraler Teil des Charakterkonzepts sein soll, also entsprechend auch normalerweise nicht verlorengeht oder den Besitzer wechselt. Eigentlich ist diese Art von Ausrüstung selber "nur" eine verkappte Charakterfähigkeit.
-- Ausrüstung als eigenständiger Aspekt; kann ein Situationsaspekt oder etwas von längerer Dauer sein. Das ist im Prinzip die nächste Stufe vom "reinen Detail" aufwärts; die Ausrüstung ist
immer noch in erster Linie reine Beschreibung, aber wir betrachten sie jetzt als wichtig genug, daß sie in passenden Situationen eingesetzt, gereizt, oder als Rechtfertigung zum Hinzufügen von Details benutzt werden kann. Dabei sollte man nicht übertreiben und sich auf die tatsächlich relevanten Ausrüstungsteile konzentrieren, um "aspect spamming" vorzubeugen; in einer typischen Szene sind sowieso schon X Spieler- und Nichtspielercharakteraspekte, wahrscheinlich noch ein paar Situationsaspekte rein zur Definition der "Landschaft", und die Kampagnenaspekte sowieso vertreten, da braucht wirklich
niemand noch zusätzlich zwei getrennte Aspekte für jeweils seine linke und seine rechte Socke.
-- Ausrüstung als eigenständiges Extra. An diesem Punkt fange ich wirklich an, der Ausrüstung mehr "Charakter" als nur ein, zwei Aspekte zu verpassen. D.h., hier geht's jetzt wirklich um Fragen wie "Was für Stunts hat dieses Ausrüstungsteil, und welche davon sind eventuell 'nur seins' und welche kann sein Besitzer verwenden?", "Dieses Ding ist wichtig und/oder groß genug, um als eigenständiges Ziel für Angriffe in Frage zu kommen -- wieviel hält es aus?", "Will ich mir ein neues Spezialregeluntersystem aus den Fingern saugen, um Munition/Energiereserven/Abwärme/wasauchimmer zu verwalten, und wenn ja, wie sollte das aussehen?"...letztendlich mache ich hier die Ausrüstung selbst frei nach Bronzeregel zu einem eigenen mehr oder weniger detailliert ausgearbeiteten Charakter und damit potentiell zum "Co-Star" des Spielercharakters oder der Gruppe. MMn lohnt sich dieser Aufwand normalerweise nur für Dinge, die entweder tatsächlich eine entsprechende Rolle spielen
sollen (der gemeinsame Raumfrachter der Gruppe verträgt schon mal ein Quentchen mehr "Persönlichkeit", wenn ich eine Mecha-Kampagne haben möchte, will ich vielleicht auch tatsächlich mehr Detail zu den einzelnen Maschinen...oder auch nicht, aber gehen wir hier ruhig einmal davon aus) oder die auf diese Weise schlicht am einfachsten
funktionieren (bei einer Verfolgungsjagd im Auto ergibt's schon irgendwie Sinn, daß es in erster Linie der sonst gar nicht weiter erwähnenswerte Wagen der SC sein müßte, der eventuellen Schaden einsteckt, also darf der auch ruhig spontan einen eigenen Streßbalken und vielleicht noch Platz für 'ne leichte Konsequenz entwickeln -- wenn er ausgeschaltet wird, geht's zu Fuß weiter).
Die jeweiligen "Kosten" der einzelnen Möglichkeiten würde ich dabei in etwa wie folgt handhaben: reine Details sind gratis, ergeben sich aus der Handlung, und/oder werden im Notfall mal schnell handgewedelt, die kosten rein regeltechnisch also nix. Ausrüstung als Situationsaspekt ebenso, weil sich da eine eventuelle Relevanz gegebenenfalls überhaupt erst im konkreten Zusammenhang zeigt. "Charakterfähigkeiten in Ausrüstungsform" kosten normal.
Nur bei eigenständigen
Extras (eventuelle "feste eigenständige Ausrüstungsaspekte" eingeschlossen) gibt's für mich in gewissem Rahmen noch eine Entscheidung zu fällen: entweder stehen die völlig frei als Quasi-NSC für sich, kosten ihre derzeitigen Besitzer entsprechend nichts, und eventuell aufkommende Spielgleichgewichtsfragen müssen per Improvisation gelöst werden...oder aber ich vergebe von vornherein ein festes Budget, sei's als ausgewachsenes Inventar- und womöglich noch Traglastsystem nach eigenem Gusto oder etwas abstrakter in der Art von "okay, zusätzlich zu euren 'reinen' Charaktersachen darf sich jeder von euch noch X Ausrüstungsaspekte und Y Ausrüstungsstunts aussuchen, die sich auch zwischen zwei Szenarien oder in passenden Situationen spontan ändern können". Beide Ansätze haben ihre Vor- und Nachteile (für mich modellieren sie so ein bißchen den Unterschied zwischen "frei sammelnden Abenteurern" und "Charakteren im Auftrag mit passender Missionsausstattung"), und ich würde mich entsprechend danach zu richten versuchen, welche Art von Spiel ich nun genau haben möchte.