Autor Thema: Railroading & SL-Willkür revisited - Es ist eine Frage der Fairness  (Gelesen 10017 mal)

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Offline Kriegsklinge

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Lieber Wellentänzer, dein Versuch, die Diskussion auf ein anderes Feld zu verlagern, ist mir einerseits sehr sympathisch. Ich finde nämlich auch die abwertenden Bezeichnung für Arten von Rollenspiel, bei dem die SL aus guten und nachvollziehbaren Gründen mal die für die Spieler geltenden Regeln aussetzt, unnötig (allerdings, hier eine erste leise Kritik: Ich hab eh das Gefühl, dass diese Phase ziemlich vorbei ist und sich auf breiter Front, einfach durch die Spielerlebnisse der Leute, die Erkenntnis durchsetzt, dass man am besten, also am schönsten, spaßigsten, kreativsten spielt, wenn man ein bisschen achtsam rausfindet, was man mit einer Gruppe von Leuten möchte und sich dann der richtigen Methoden bedient. Und dann ist es gut, wenn es möglichst viele, möglichst gut beschriebene Methoden gibt).

Zweitens spielen Fairness und Vertrauen sicher eine wichtige Rolle und es kann lohnend sein, dies etwas genauer anzuschauen, also über das bekannte Diktum "Eigentlich ist ja nur die Gruppe wichtig" oder "Hauptsache, man versteht sich gut" hinaus. (Hier aber meine zweite leise Kritik: Ich finde das wissenschaftliche Arsenal, das du dazu auffährst, ein bisschen hoch gegriffen. Mein Vorschlag wäre, hier eher auf best-practice Beispiele zurückzugreifen und Handlungsempfehlungen abzuleiten. Wenn einzelne Diskussionsteilnehmende da auf psychologische/soziologische Forschung zurückgreifen wollen, okay, aber ich glaube, wir erreichen mit alltagsnäheren Methoden genau so viel. Und was hinten rauskommt, ist für viele nützlicher).

Ich würde aber einwenden, dass die Verlagerung weg von der Betrachtung der Interaktion von Regeln mit dem sozialen Raum bzw. dem Erleben der Gruppe ("system matters") hin zum Primat des sozialen Raums, wie du das vorschlägst, einige wichtige Erkenntnis über Bord wirft, die speziell die von dir ungeliebte Forge eben doch produziert hat. Ich halte es für unbestreitbar, dass Regeln eben doch eine wichtige Rolle dafür spielen, was mit einer Anwendung der Methode Rollenspiel je und je möglich ist (schöner wurde eine Binsenweisheit nie verpackt  :D).

(Leise Kritik die dritte: Ich habe den Eindruck, dass du in deinem Bemühen, die Forge und die Besserspieler endlich mal ad acta zu legen, diesen Konflikt eigentlich nur selber am Leben erhältst. Was du anzugreifen vorhast, reproduzierst du durch die radikale Kehrtwende, die du anvisierst, eigentlich eher. Aber wo sind denn heute noch die geifernden Forge-Apologeten, die jeder SL, die mal ein Würfelergebnis ignoriert, die Rollo-Polizei auf den Hals schickt? Lassen wir das einfach hinter uns, diese Feindbilder braucht doch keiner mehr).

Mein Vorschlag wäre deshalb: Nehmen wir die richtigen Erkenntnisse, die sich durch die praktischen Erfahrungen vieler Spielrunden mit Indies, OGL usw. verbreitet haben und widmen uns, damit gerüstet, wieder einer uraltem Rollenspielweisheit: "Die Gruppe zählt", meinetwegen mit Begriffen wie Fairness und Vertrauen. Wir müssen dann nicht sagen: Regeln zählen gar nicht, es geht nur um das freundschaftliche Aushandeln der Fiktion zwischen Gruppenmitgliedern. Wir könnten uns eher fragen:

- Welche Versuche gibt es in verschiedenen Regelsystemen, Vertrauen und Fairness zu organisieren?
- Welche Ausnahmen von der Regelhaftigkeit werden wem unter welchen Bedingungen gestattet und wie geht es, dass das Vertrauen darunter nicht leidet?
- In welchen Momenten sind für welche Spielziele transparente Regelanwendungen nötig und wann darf/muss/soll jemand etwas individuell entscheiden, weil/obwohl die anderen ihm/Ihr vertrauen?

Ich würde auch hier wieder darum bitten, dass wir die Diskussion möglichst unakademisch halten und mehr auf Spielbeispiele vertrauen. Meine Befürchtung wäre, dass wir sonst seitenlange Threads bekommen, in denen über den Begriff der Fairness und des Vertrauens gestritten wird, bis am Ende keiner mehr weiß, was das eigentlich sollte. Sinnvoller fände ich, erstmal stillschweigend davon auszugehen, dass schon jeder weiß, was Vertrauen und was Fairness ist und mit diesen unbestimmten Werkzeugen mal loszuziehen. Sie werden sich im Verlauf der Reise an der Arbeit mit Spielsituationen von selber schärfen.

Oder?

Online Arldwulf

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Mu!

Der Themenstarter wollte nicht diskutieren, dass man ja auch transparent bescheuerte Methoden einsetzen kann.
Es ging ihm darum, dass bescheuerte Methoden eingesetzt werden UND es als unfair empfunden wird.
Was eine UND Verbindung ausmacht, weisst Du hoffentlich. Es müssten BEIDE Umstände eintreffen.
Also es muss bescheuert UND unfair sein. Was Du beschreibst ist nur bescheuert aber nicht unfair, weil transparent.
Spielt also kein Rolle für das, was hier diskutiert werden soll.
Comprende?

Durchaus - und auch von Anfang an. Über diesen Punkt bin ich nur schon hinaus, denn es gibt ja einen Grund warum er dies tun will. Um

Zitat
auf der definitorischen Ebene vom aktuellen Wust derogativer Begrifflichkeiten wegkommen und dem die Perspektive der Fairness gegenüberstellen. Vergessen wir Railroading, SL-Willkür und all diese schwummrige, negativistische Begriffsscheiße. Lasst uns stattdessen über Fairness und Vertrauen reden.

Um diese Begriffe also zu ersetzen und von ihnen wegzukommen. Aber wie gesagt, am Ende ist das ja egal. Wir können ja auch Problemlos ohne diesen Ansatz andere Begriffe damit zu ersetzen über die Aussagen zur Fairness sprechen. Ich denke auch so gibt es da genug zu diskutieren, ich versuche das weiter oben ja schon mit den Gedanken über Konsistenz, Transparenz und Mitarbeit.

ChaosAmSpieltisch

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Ich überlege die ganze Zeit bei der Debatte, wo den nun die genauen Abgrenzung zum "Impossible Thing before Breakfast" ist, und was es hier neues gibt, was dort nicht erfasst wurde.

Link: http://tanelorn.net/index.php/topic,28747.msg564707.html#msg564707

Offline pharyon

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Hallo Arldwulf,
Durchaus - und auch von Anfang an. Über diesen Punkt bin ich nur schon hinaus, ...
Du bist also ab hier in einer anderen Diskussion gelandet, als (wir/die) anderen. Du kritisierst/ergänzt/erweiterst das Modell bzw. die Grundannahme von Wellentänzer. Kann man gerne machen, dann aber in einem anderen Faden, insbesondere da er extra darum gebeten hatte. Ich verstehe Wellentänzers Absicht so, dass er seine These auf Anwendbrakeit/Nützlichkeit prüfen möchte, in dem Sinne, dass sie viele andere Phänomene erklärt. Indem du nun schon ihre Bestandteile infrage stellst (z.B. die Konsistenz), reden wir über andere Modelle. Und das wurde hier nicht gewünscht. Dazu wäre ein weiterer Faden die sinnvollste Möglichkeit.

Zitat
Um diese Begriffe also zu ersetzen und von ihnen wegzukommen. Aber wie gesagt, am Ende ist das ja egal. Wir können ja auch Problemlos ohne diesen Ansatz andere Begriffe damit zu ersetzen über die Aussagen zur Fairness sprechen. Ich denke auch so gibt es da genug zu diskutieren, ich versuche das weiter oben ja schon mit den Gedanken über Konsistenz, Transparenz und Mitarbeit.
Ja, aber es geht hier (zumindest nach Intention des Threaderstellers) nicht darum über Fairness aufgrund anderer Grundlagen zu diskutieren.

@ Wellentänzer:
Interessanter Grundgedanke. Hoffentlich komme ich die Tage dazu, die Anhänge in Ruhe zu lesen. Ich finde es durchaus sinnvoll und notwendig Erkenntnisse aus anderen Bereichen ggf. hier auf Übertragbarkeit zu prüfen (soweit umsetzbar). Allerdings sollte das nicht nur darauf beschränkt werden (insofern stimme ich Kriegsklinge zu, jedoch auch hier gilt: DAS ist mMn nicht das Thema dieses Fadens). Falls du also wieder bereit für ein wenig Diskussion bist, können wir gerne auch Gedanken hierzu über pm austauschen (oder hier, je nachdem).

Grüße, p^^
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"Lassen Sie uns die leichten Raumanzüge anziehen - schließlich wollen wir ja nicht ins All." (Danke, Bob Miller und Koloth, Sohn des Rodoth)

Online Arldwulf

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Ich verstehe Wellentänzers Absicht so, dass er seine These auf Anwendbrakeit/Nützlichkeit prüfen möchte, in dem Sinne, dass sie viele andere Phänomene erklärt.

Ich hätte es nicht besser erklären können - genau so verstehe ich ihn ebenfalls. Aber das ist eben auch der Punkt warum die genannten Einwürfe in die Diskussion hineingehören. Eben weil sie sich um das Thema drehen inwieweit seine These die genannten Phänomene erklären kann, oder Hilfen zu ihrer Auflösung bietet. Wenn du mich fragst - dann tut sie dies durchaus, auch in ihrer jetzigen Form.

Aber sie könnte es besser mit beherzigter Kritik. Nur weil man diese äußert meint man es doch nicht ganz soll böse mit dem Threaderöffner. Thesen sollen doch geprüft, kritisiert und verbessert werden, sie zu hinterfragen ist der beste Weg sich mit ihnen zu beschäftigen.

Offline Andorian Spaceman

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Vieles was hier von einigen als Spielleiterwillkür empfunden wird empfinde ich nicht so. Schon gar nicht die Auswahl und Vorbereitung von Spielmaterialien bis hin zu den Abenteuern. Willkür ist es für mich erst wenn ich nicht weiß was ich Spiele. Das kann mir bei ganz verschiedenen Spielansätzen passieren. Ich bin kein Fundamentalist was Spielstile oder Regelsysteme angeht. Aber ich möchte gerne wissen was ich spiele und mit welchen Mechanismen ich spiele.

Habe momentan so einen Fall. Ich schätze den Spielleiter und meine Mitspieler. Ich denke jeder für sich hätte einen anderen bevorzugten Spielstil. Langsam merke ich aber, dass es mich beim Spiel behindert, dass der Spielleiter so viel handwedelt oder irgendetwas unabhängig von den geregelten Proben würfeln lässt.  Vorallem nervt es, dass Optionalregeln nur gelten wenn die NSCs davon profitieren. Die Regeln die Spieler in ihrer Kernkompetenz herausragend machen könnten werden nur aktiviert wenn der Spieler nichts mehr davon hat. Dafür gibt es dann die Zusage, dass Spieler nicht durch Pech sterben können (oder nur durch offensichtlich dummes Verhalten). Das verstehe ich unter Spielleiterwillkür. Mit Bruch des Gruppenkonsens hat das eher wenig zu tun. Zumal dieser sogenannte Gruppenkonsens in den seltensten Fällen ausformuliert wird.

Wobei das damit ja schon ziemlich Richtung Spieler kleinhalten geht. Vielleicht auch teilweise Faulheit sich belastbar in ein System hinenzudenken. Dafür gibt es dann öfter mal Stimmungprosa oder andere kleine Belohnungen.

Ich denke die meisten Spielleiter die damit so übertreiben wollen damit ihren Anspruch von stimmungsvollem Rollenspiel durchsetzen. Ab und zu kommt dann auch im Einzelfall plötzlich das Realismus-Argument, dass sonst bei diesem Ansatz eher nicht zählt. Unterm Strich schadet es dem Spiel aber wohl mehr als es dem Spielspaß nützt. Und hinterher wissen die meisten wahrscheinlich nicht mal woran es gelegen hat.  

(Fehler korrigiert)
« Letzte Änderung: 11.07.2013 | 08:57 von Abralax »
Spielt: momentan leider nur D&D5 online
Spielt gerne:  DSA3, Midgard, Starslayers, Iron Kingdoms...
Beendet: Hollow Earth, Rolemaster
Träumt davon Dragonlance, Star Trek, DC Heroes  oder bei DSA einen Praioten zu spielen.