Autor Thema: Wasser von der Erde  (Gelesen 5333 mal)

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Offline Waldviech

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Re: Wasser von der Erde
« Antwort #50 am: 22.09.2013 | 12:18 »
Für eine Hard-Sci-Fi-Herangehensweise ist das IMHO immer noch nichts. Als Science-Fantasy finde ich es, wie gesagt, großartig. Soll es STL und wissenschaftlich durchdacht sein, übersieht es meines Erachtens ein paar Faktoren.

- Der Aufwand für eine einzelne interstellare Kolonie ist wie oben erwähnt schon schlicht unglaublich. (Realistisch betrachtet ist eine koloniale Ausbreitung im eigenen Sonnensystem ja schon fraglich. Nicht zu unrecht gibt es einige, die meinen das die Menschheit, wenn überhaupt, nie über Forschungsaussenposten hinauskommen wird)
- Die Entfernungen sind immens. Es werden keine Handels- oder Eroberungsflüge stattfinden, wenn man mit einem halben Jahrtausend Flugzeit oder mehr rechnen muss. Daher ist eine interstellare Kolonie entweder vom Start weg vollkommen autark - oder tot.
- Wichtigster Punkt vielleicht: jeder besiedelte Planet ist ein Unikat mit ganz eigenen Herausforderungen, Problemen und Punkten an denen man grandios scheitern kann. Ein Wüstenplanet, den man erst mit mit Hilfe von Kometen bewässern muss ist was völlig anderes als eine Ozeanwelt unter einem kilometerdicken Eispanzer. Gibt es dann noch einheimisches Leben oder nicht? Wie reagiert dieses zusammen mit irdischem Leben? In wie weit kann und muss sich die Menschheit selbst anpassen? In wie weit nimmt man überhaupt "Menschen" zur Kolonisation her? Nimmt man Roboter? Nimmt man Uplifts? Genmanipulation der eigenen Spezies? Die Sache mit der Zauberauffrischung von der Erde wirkt da vor einem Hard-Sci-Fi-Hintergrund etwas....ähm...zu "magisch".

Wie gesagt: Für Science-Fantasy als Ökomärchen halte ich das Konzepf für durchaus geeignet. Für härtere SciFi weit weniger. Nicht, weil ich zu optimistisch wäre, was interstellare Kolonisation angeht, sondern weil sie an anderen Punkten weit eher und weit schlüssiger scheitern kann.

Zitat
Auf Kolonie 1 stellt sich erster Optimismus ein: "Ha! Diesmal sind wir wirklich autark!" Eine Welle neuer Expeditionen ist die Folge. Welt 11 bis 100 werden erschlossen. Während dieser zwei Jahrhunderte braucht Kolonie 1 lediglich eine einzige Auffrischungskur, und man ist überzeugt, das war die letzte.
Du solltest bei Terraforming statt in Jahrhunderten eher in Jahrzehntausenden rechnen. Und zwar in Jahrzehntausenden, in denen die Hauptbeschäftigung der Kolonisten im Terraforming besteht. Die werden nach zwei läppischen Jahrhunderten noch nicht glauben, am Ziel zu sein. Und die würden vermutlich auch mehr Plan-B-Szenarien im Hinterkopf haben, als man in einem Rollenspielforum auswalzen kann  ;D. Und: Ja - das kann daneben gehen.  >;D
« Letzte Änderung: 22.09.2013 | 12:22 von Waldviech »
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Offline blut_und_glas

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Re: Wasser von der Erde
« Antwort #51 am: 22.09.2013 | 12:30 »
Die Sache mit der Zauberauffrischung von der Erde wirkt da vor einem Hard-Sci-Fi-Hintergrund etwas....ähm...zu "magisch".

Auch nicht viel magischer, als magische Uplifts/Genies, die auf magische Weise die von dir angezählten Probleme aushebeln und dabei auf noch viel magischere Weise ganz problemlos realisierbar sind...

Die Ökonomie der Sache steht natürlich noch einmal auf einem anderen Blatt.

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Offline Arldwulf

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Re: Wasser von der Erde
« Antwort #52 am: 22.09.2013 | 12:41 »
Um die Ökosysteme vor Ort "aufzufrischen", werden Zellkulturen transportiert. Das war von Anfang an die Idee dahinter.

Nur: Was genau können diese Zellkulturen was Zellkulturen auf dem Planeten nicht können? Wie genau "stablilisieren" sie das Ökosystem? Und woher weiß ich das sie es stabilisieren, wenn ich das Ökosystem einerseits nicht genau verstehe (zu komplex) - andererseits offenbar genau seine Probleme kenne und die passende Zellkultur habe?


Offline Waldviech

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Re: Wasser von der Erde
« Antwort #53 am: 22.09.2013 | 12:50 »
Zitat
Auch nicht viel magischer, als magische Uplifts/Genies, die auf magische Weise die von dir angezählten Probleme aushebeln und dabei auf noch viel magischere Weise ganz problemlos realisierbar sind...
Das ist natürlich richtig. Letztlich ist ja schon das Konzept einer interstellaren Kolonie selbst irgendwo "magisch". Gegenwärtig wäre ja selbst ein Forschungsaussenposten auf dem Mars ganz, ganz großes Kino). Nach meinem Bauchgefühl terminiert die Prämisse, dass eine interstellare Kolonie bei STL-Raumflug von steten Frischzellkuren durch Materie von der Heimatwelt abhängig ist, die Möglichkeit einer Ausbreitung in andere Sonnensysteme halt ziemlich gründlich - gefühlt sogar so gründlich, dass es die Entstehung eines "Nabelschnur-Sternenreiches" schon zu Beginn abwürgt. Wenn man die Sache in Richtung Hard-Sci-Fi aufzieht, und noch den ganzen anderen Aufwand, den man mit interstellaren Kolonien hätte, mit einberechnet. Sieht man die Sache in Richtung Fantasy etwas lockerer, hat man dieses Problem weniger.

Zitat
Nur: Was genau können diese Zellkulturen was Zellkulturen auf dem Planeten nicht können? Wie genau "stablilisieren" sie das Ökosystem? Und woher weiß ich das sie es stabilisieren, wenn ich das Ökosystem einerseits nicht genau verstehe (zu komplex) - andererseits offenbar genau seine Probleme kenne und die passende Zellkultur habe?
Das ist die andere Frage. Daher tendiere ich auch hier zu einer astrein-übernatürlichen Erklärung.  ;D
« Letzte Änderung: 22.09.2013 | 13:16 von Waldviech »
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Offline Waldviech

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Re: Wasser von der Erde
« Antwort #54 am: 22.09.2013 | 18:42 »
Zitat
Und woher weiß ich das sie es stabilisieren, wenn ich das Ökosystem einerseits nicht genau verstehe (zu komplex) - andererseits offenbar genau seine Probleme kenne und die passende Zellkultur habe?
Eine weitere Frage wäre auch: Wie finden die Kolonisten es rechtzeitig vorher raus? Angenommen, eine Kolonie wäre....sagen wir mal, 350 Lichtjahre von der Erde entfernt. Auch wenn die Kolonisten herausfinden, was ihnen fehlt wird es 700 Jahre dauern, bis die Erde es liefern kann. Und bei den unzähligen verschiedenen Möglichkeiten, auf die ein komplexes künstliches Ökosystem (laut Prämisse) aus dem Ruder laufen kann, ist es vergleichsweise unwahrscheinlich, dass ein alle paar Jahrhunderte vorbeikommendes Schiff zufällig genau das Richtige mit sich führt (vorausgesetzt, die Schiffe führen nicht standartmäßig eine Gendatenbank der gesamten terrestrischen Biosphäre mit sich). Das die Kolonisten ihr Ökosystem so penibel kennen und so genau prognostizieren können, dass sie wissen was für ökologische Probleme in 7 Jahrhunderten auf sie zu kommen, würde der Prämisse ja eigentlich sauber widersprechen.

Mal so als Alternativmöglichkeit: Wie wäre es, wenn man Ganze auf eine überschaubare Zahl von Sonnensystemen (wat weis ich - vielleicht 5 statt 500) begrenzt, die alle so nah an der Erde liegen, dass sich die Reisezeit nur in Jahrzehnten bemisst - so dass die Terraformingepoche von mehreren Jahrzehntausenden einen vergleichsweise häufigen Verkehr zwischen den Sonnensystemen erlaubt, und auch die anderen Probleme einer potentiellen interstellaren Kolonisation mit einbezieht. Nachschublieferungen wären nicht so völlig unsinnig, da die Entfernungen nicht so übermäßig gigantisch sind. Bei diesen überschaubaren Welten weiß man jeweils, welche Nachschubmaterialien man nachliefern muss, wobei diese sich von Planet zu Planet stark unterscheiden können. Das nimmt der Erdlieferung an sich den Ruch des magischen Panacea. Der Alienplot bleibt natürlich drin - in einem der kolonisierten Systeme hat man Ruinen gefunden und man hat jüngst auch herausfinden können, woher die Außerirdischen gekommen sein müssen. Es stellt sich heraus, dass die Aliens der Menschheit technisch unglaublich weit voraus waren, ihrerseits aber auch nur 15 Sonnensysteme besiedeln konnten, bevor sie nach Millionen von Jahren eingingen.
Der zusätzliche Vorteil einer überschaubaren Weltenanzahl läge auch darin, exemplarisch ein paar generelle Probleme von interstellaren Kolonien aufzeigen kann, ohne dass es so wirkt, als würde Mutter Natur paranormal mit dem grünen Zeigefinger zu winken. Zudem könnte man darauf eingehen dass die Probleme, sich interstellar auszubreiten, nicht nur an einem Punkt liegen, sondern an einem Haufen verschiedener, immer wieder anderer Probleme. Zudem kann man hier auch noch einbauen, dass eine Nabelschnur nicht zu lang sein kann.
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Offline Grey

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Re: Wasser von der Erde
« Antwort #55 am: 23.09.2013 | 11:32 »
OK, der Reihe nach. Dieses Posting ist etwas länger, daher habe ich es mit ein paar Überschriften gegliedert.

Zunächst einmal, mein Anspruch an das Setting ist nicht "völlige" Hard SF, sondern lediglich ein "so hart wie möglich, so weich wie nötig". Nötig wofür? An dieser Stelle vielleicht erst mal ein paar Worte zu meiner erzählerischen Absicht.

1. What's f@#*ing wrong with SF these days?

Dafür allerdings ist ein literaturgeschichtlicher Exkurs notwendig. ;) Die SF der "Golden 50s" zeichnete sich durch einen ungebremsten, naiven Optimismus aus. "Dieses Jahrhundert besiedeln wir noch den Mars, die Galaxis kommt im nächsten Jahrhundert dran", so ungefähr. Dieser Optimismus war, rückblickend betrachtet, zweifellos übertrieben und ging über die Probleme, die wir allein schon auf der Erde hatten bzw. haben, ziemlich leichtfertig hinweg. "Ja, sicher, irgendwann gibt es einen Atomkrieg, und nach dem Wiederaufbau brechen wir zu den Sternen auf", so ungefähr.

Schon damals war zwar auch eine pessimistischere, mahnende SF gegenwärtig, doch bis sie sich Gehör verschaffte, vergingen 30 Jahre. In den 80ern hatten sich Cyberpunk und Dark SF weit genug etabliert, um (zusammen mit der Tagesschau) den ungebremsten Zukunft-und-Weltraum-Optimismus zu dämpfen -- was zu jener Zeit zweifellos dringend nötig war. Die neue Generation von SF-Autoren betonte sehr die extremen Schwierigkeiten, die ein Aufbruch ins Weltall bedeuten würde, und zeichnete auch sozial mehr und mehr das Bild einer verrotteten, verkommenen Menschheit, die ihren Untergang nicht nur selbst herbeiführte, sondern auch verdiente. Das Weltall-Motiv wurde nicht länger mit einer "Aufbruch zu neuen Horizonten"-Stimmung bedient, sondern zunehmend -- wenn überhaupt -- mit einer "Flucht von der zerfallenden Erde"-Stimmung. Wer doch noch überhaupt ein optimistisches, "schönes" Bild vom Weltall zeichnen wollte, wurde von den Genrekonventionen mehr und mehr in den Bereich "Space Fantasy" verbannt.

2. Die Vision

Der Status Quo der SF lautet: "Realistisch = düster". Wenn eine Zukunftsvision überhaupt von großen Sternenreichen handelt, wird sie automatisch als Space Fantasy eingeordnet. (Disclaimer: Nein, Waldviech, ich möchte dir an dieser Stelle nicht diesen Beweggrund für deine Argumentationsweise unterstellen; deine Einstellung ist differenziert und wohlbegründet, aber ich stoße sehr häufig auf eine geradezu reflexartige Ablehung von "Kitsch im Weltraum".) Das Science Fiction-Genre bietet im Moment wahlweise eskapistische Fantasy oder düstere, hammerharte Untergangsprophezeihungen; was sie nicht mehr bietet, sind Visionen.

Und genau diese möchte ich mit meinem Setting wieder anfachen.

Visionen, die -- zumindest im Kern -- erreichbar erscheinen. Deshalb möchte ich auf offensichtliche Fantasy-Elemente wie FTL verzichten. Deshalb möchte ich das Ganze im wissenschaftlichen Sinne so "hart" machen, wie es irgend möglich ist, ohne den visionären Kern dabei zu zermalmen.

Wenn wir aber über eine Zukunft reden, die sich über mehrere Jahrtausende erstreckt, wird abseits einiger naturwissenschaftlicher Grundpfeiler so ziemlich alles, worüber wir reden, hochspekulativ. Derzeit peile ich an, meine Haupthandlung irgendwann im 57. Jahrhundert anzusiedeln; das ist 3600 Jahre von hier entfernt, was ungefähr dem Zeitraum vom mittleren ägyptischen Reich bis heute entspricht. Kulturell und mentalitätsgeschichtlich ist da, was die Entwicklung der Menschheit betrifft, so ziemlich alles drin. Und wenn ich mir ansehe, mit welcher Beharrlichkeit z.B. mittelalterliche Bergleute 100 Jahre lang(!) daran gearbeitet haben, einen Stollen ganze 7m tiefer in den Berg zu treiben (zu besichtigen in Freiberg bei Dresden), dann fällt es für mich zumindest in den Rahmen des Vorstellbaren, daß Menschen auch unter den Einschränkungen von STL die Geduld und Beharrlichkeit aufbringen, eine so titanische Aufgabe wie den Aufbruch zu den Sternen zu stemmen; vorausgesetzt, sie haben eine Vision. Und da ist es Aufgabe der SF, sie zu liefern.

Soviel zu meinen Beweggründen. Nun zu euren Beiträgen im Einzelnen:

3. Was ist möglich und warum nicht?

@Waldviech: Den Anspruch "Hard SF" habe ich, wie gesagt, lediglich so weit, daß ich dem aktuellen Stand der Wissenschaft nicht offen widersprechen möchte. Im Rahmen dieses wissenschaftlichen Standes auf phantastisch anmutende technische Fortschritte zu setzen, ist hingegen eine Option, die ich mir offenhalte. Soll heißen: Der Aufwand für eine einzelne interstellare Kolonie ist nach heutigem Ermessen unglaublich. Das ist der Aufwand für ein Gebäude wie den Kölner Dom nach dem Ermessen von Steinzeitmenschen auch. Und ein Gebilde wie ein moderner Flugzeugträger wäre zwar nach dem Ermessen eines Galilei prinzipiell denkbar gewesen, aber "niemals realisierbar". Ist eine interstellare Kolonie realisierbar? Oder ein ganzes Sternenreich? Ich weiß es nicht, aber ich kann sie nicht prinzipiell ausschließen, also warum nicht eine Vision davon aufbauen? Warum diese Vision gleich wieder als "Fantasy" abtun, wenn sie zumindest keinem bekannten Naturgesetz widerspricht?

4. Wenn ich schon sage, Kolonisation ist sauschwer...

Für die Auffrischungskuren rede ich, wie gesagt, von Zeitabständen im Rahmen von Jahrzehnten bis Jahrhunderten. Ich gehe davon aus, daß Ökosysteme eine gewisse Trägheit besitzen, die den Kolonisten genug Reaktionszeit läßt, um Hilfe von benachbarten Welten oder -- wenn es ganz hart auf hart kommt -- von der Erde selbst anzufordern. Die Notwendigkeit einer vollkommenen Autarkie (eine hinreichend hoch entwickelte Raumfahrt vorausgesetzt) sehe ich damit nicht länger gegeben. Daß vollkommene Autarkie wünschenswert wäre, steht auf einem anderen Blatt; wenn ich sie aber für die Menschheit zulasse, muß ich sie auch für andere Spezies zulassen, und dann laufen wir mit Karacho ins Fermi-Paradoxon -- oder in eine Galaxis, in der die Menschheit allein ist. Letztere wäre mir zu trübsinnig, also habe ich mich auf die (von dir korrekt benannten) Schwierigkeiten bei der Schaffung/Manipulation von Ökosystemen besonnen und daraus meine "Nabelschnur"-Prämisse gehäkelt.

5. ... warum "gebe ich nicht gleich zu", daß sie unmöglich ist?

Zum Punkt "Jeder Planet ist ein Unikat": Stimmt. Für mein Setting gehe ich nicht nur von einer extrem hoch entwickelten Raumfahrttechnik aus, sondern auch von einer extrem hoch entwickelten Ökologie. Der Mensch hat in diesem Setting seine heutige, hausgemachte Umweltkatastrophe gemeistert (Ein Task, der nach heutigem Ermessen schon unglaublich genug erscheint) und sich dabei ein Wissen über Ökosysteme angeeignet, das ihm die Urbarmachung von Wüstenwelten, Ozeanwelten und vollkommen fremdartigen Dschungeln leicht erscheinen läßt -- eine folgenschwere Selbstüberschätzung, die zur übereilten, unüberlegten Ausbreitung ins Weltall führt. Meine "Zauberauffrischung" von der Erde soll nicht etwa so aussehen, daß ein Schiff vorbeikommt und ein Standardpaket Zellkulturen abwirft, und alles wird gut; die Flotte, die für diese Auffrischungen zuständig ist, jongliert mit einer äußerst empfindlichen Balance -- auf jeder Welt für sich und zwischen den Welten untereinander. "Welcher Planet braucht welchen Mix von Zellkulturen, um sein bedrohlich wachsendes Ungleichgewicht zu beheben" ist eine Frage, an der ein gewaltiges Netzwerk von Experten und KIs permanent herumtüftelt.

Auch verstehe ich unter "Terraforming" in diesem Zusammenhang nicht, daß man die vorgefundenen Welten in Kopien der Erde verwandelt; vielmehr geht es mir darum, daß sich Menschen auf Welten mit bereits vorhandenen einheimischen Ökosystemen ansiedeln. Das "Terraforming" besteht darin, menschliche Nutzpflanzen und -tiere so in die bestehende Welt einzufügen, daß der Mensch eine Lebensgrundlage hat. Das wiederum zieht die Notwendigkeit von Nicht-Nützlingen nach sich wie z.B. bestimmte Insekten, die von irgendwelchen Vögeln gefressen werden, die wiederum für irgendwelche Pflanzen wichtig sind usw. usf., sprich: einen Riesenrattenschwanz von "kleinen Anpassungen" am Ökosystem bzw. an der Nahtstelle zwischen dem einheimischen und dem terranischen Ökosystem. Aus diesem Grund halte ich es auch für glaubwürdig, daß Kolonisten sich durchaus nach, sagen wir, 500 Jahren in Sicherheit wiegen könnten: "Hey, jetzt sind wir wirklich ein Teil dieser Welt!"

@Arldwulf: Ich hoffe, vor allem in letzterem Absatz auch deine Frage beantwortet zu haben. Die eingeführten Zellkulturen "stabilisieren" unterm Strich nicht, sie "steuern gegen".

6. Back to the details

Die "Nabelschnur" soll auch -- gerade bei den entfernteren Kolonien -- nur in Ausnahmefällen direkt bis zur Erde selbst reichen. Meine besagte Flotte wird die meiste Zeit damit verbringen, kleinere Ungleichgewichte auszugleichen, indem von Kolonie #389, #417 und #422  Zellkulturen entnommen werden, um sie nach #628 zu bringen, wo es diese speziellen Zellen einfach noch nicht gibt; wo sie aber eine bestehende Lücke im Ökosystem schließen würden. Sollte die Erde tatsächlich zu irgendeinem Zeitpunkt verlorengehen, dann würde das Sternenreich der Menschheit auf diese Weise noch ein paar Jahrtausende weiterbestehen, indem sich die Kolonien gegenseitig versorgen; irgendwann aber würde das Ganze unweigerlich aus dem Ruder laufen, und die Tage der Menschheit wären gezählt.

(Tatsächlich fände ich so ein Endzeit-Szenario von sterbenden Kolonien ebenfalls ganz reizvoll, wenn es nicht gerade meine Absicht wäre, eine positive Utopie zu erschaffen.)

@Waldviech: Noch zu deinem abschließenden Vorschlag, das Ganze auf wenige Welten im Umfeld der Erde zu beschränken: Dieses Setting klingt ebenfalls reizvoll und durchaus nach "härterer" SF, als es mir bislang vorschwebte. Ich lasse es mir auf jeden Fall durch den Kopf gehen. Im Moment bin ich mir allerdings nicht sicher, ob es mit meiner erzählerischen Absicht von der "großen Vision" vereinbar ist; die hat im Zweifelsfall Vorrang.
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Re: Wasser von der Erde
« Antwort #56 am: 23.09.2013 | 11:47 »
Ich mag ja positive und somit etwas altbackene SciFi sehr gerne, deswegen würde ich auch jederzeit Traveller (3I oder 2300AD) als positive Spiele bespielen.
Ich tue mich nur schwer mit der Vorstellung einer großen Kolonisierung ohne irgendeine Art von FTL. Der nicht-cthulhoide Teil von The Void gefällt mir da, der Ansatz von Aeon/Trinity gefällt mir da, nur in diesem fall, ein größeres Kolonienetz, ach kA., ich finde da nicht rein.
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Offline Waldviech

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Re: Wasser von der Erde
« Antwort #57 am: 23.09.2013 | 12:48 »
Ah, das macht einiges klarer - ich hatte da ehrlich gesagt einen eher dystopischen Ansatz gesehen und mich gefragt: Warum in diesem Falle noch ein Problem konstruieren, wenn interstellare Kolonisation so schon schwer genug ist? (Das sie per se unmöglich ist, glaube ich im Übrigen auch nicht, nur das sie unter Umständen sehr, sehr schwer sein kann....). Für hellere Ansätze bin ich tatsächlich sehr gern zu haben!  :)
Zitat
Den Anspruch "Hard SF" habe ich, wie gesagt, lediglich so weit, daß ich dem aktuellen Stand der Wissenschaft nicht offen widersprechen möchte. Im Rahmen dieses wissenschaftlichen Standes auf phantastisch anmutende technische Fortschritte zu setzen, ist hingegen eine Option, die ich mir offenhalte.
Hmm...wie phantastisch dürfte es denn "maximal" werden? Die bereits angesprochenen transhumanen "Setting-Sprenger" sind ja mehr oder weniger ausgeschlossen, aber nach aktuellem Stand der Wissenschaft nicht grundsätzlich als unmöglich einzustufen. Nebenbei bemerkt: Das eine potentielle Maschinenzivilisation "weniger komplex" wäre, als das was Mutter Natur erschafft, würde ich ein wenig anders sehen. Zum Einen konstruiert das einen Gegensatz zwischen Menschenwerk und Natur, der bei näherer Betrachtung nicht da ist (streng genommen sind auch Roboter ein Teil von "Mutter Natur", da nichts außerhalb der Natur stehen kann), zum anderen übersieht es, das hier Einzelteile mit dem Gesamtsystem verglichen werden. Die mangelnde Flexibilität wäre vielleicht ein Faktor, müsste es aber nicht zwingend sein. Auch das Baumbeispiel ist zumindest fragwürdig. Genau wie ein menschliches Gebäude kann ein Baum auch nur deswegen 1000 Jahre alt werden, wenn er permanent instand gehalten wird - in diesem Falle von seinen eigenen lebenden Zellen. Wird der Baum nicht mehr instand gehalten (weil er tot oder krank ist), verfällt er weit schneller als jedes Steingebäude. Das Prinzip ist also in beiden Fällen das selbe. Eine "lebende" Raumstation überdauert deswegen so lange, weil sie von ihren Bestandteilen (der Besatzung) instand gehalten wird. Ist halt nur eine Frage der Perspektive.

Aber genug Philosophiererei: Mal so als fixer Gedanke - wie sähe es mit einem "Limited-FTL" aus? Rein mathematisch gesehen scheint ein Warp-Antrieb ja nicht so völlig unmöglich zu sein. Könnte man da, auf Basis der heutigen Überlegungen zu diesem Antriebssystem nicht auch was basteln? Natürlich mit den Nachteilen dieser Technologie, die sich abzeichnen. Mehr als zehnfache Lichtgeschwindigkeit scheint nicht drin zu sein (Flüge dauern unter Umständen immer noch Jahre), innerhalb der Warpblase baut sich immense Strahlung auf (man muss die Besatzung also während der Flugzeit strahlensicher eintüten), diese Strahlung entläd sich am Ankunftsort recht destruktiv (man sollte also tunlichst am Rand des Sonnensystems aus der Warpblase plöppen und sichere Sprungzonen einrichten), das Ganze ist relativ energieaufwendig (auch wenn man wohl nicht den ganzen Jupiter bräuchte), außerdem wäre ein Warpschiff wegen des Energieaufwandes wohl auch größenbeschränkt. Was, wenn die Nabelschnurzivilisation auch sowas im Petto hätte? Nicht, um viel Zeug zu transportieren - das passiert generell mit Sublicht, weil man sonst viel zu viel Energie brauchen (und bei Ankunft auch explosiv freisetzen) würde. Aber zur schnelleren Kommunikation könnte es vielleicht eine kleine Flotte an warpfähigen Kurierschiffen geben....ein ideales Vehikel für SC, und dafür wichtige Biokulturen zu transportieren!
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Re: Wasser von der Erde
« Antwort #58 am: 23.09.2013 | 12:51 »
Könnte man di Idee aus dem Honorverse aufgreifen? Ist zwar nicht Hard SciFi, aber die Warp-Routen und Knoten gefallen mir irgendwie.
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Offline Grubentroll

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Re: Wasser von der Erde
« Antwort #59 am: 23.09.2013 | 13:03 »
Muss nur ich jetzt an "Krieg der Eispiraten" denken?  ;D
Welcher einer der großartigstens Sci-Fi-Filme aller Zeiten ist..

(Aber das nur am Rande ;) )

Offline Waldviech

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Re: Wasser von der Erde
« Antwort #60 am: 23.09.2013 | 13:17 »
Ich sage nur "Das Schiff hat Herpes" ;D

Im Übrigen mal nebenbei so halb-offtopic:
Was, wenn sich das Fermi-Paradox (so es dieses geben sollte - ob die Überlegungen dahinter so ganz stichhaltig sind, ist ja nicht unumstritten) dadurch löst, dass sich besonders hoch entwickelte Zivilisationen in eine Art "Wohlstandsstasis" katapultieren? Mal fix überlegt, wie die Welt aussähe, wenn die Menschheit all ihre Probleme lösen würde: Die Bevölkerung wäre stabil, könnte bis in alle Ewigkeit nachhaltig ernährt werden, neuartige Technologien erlauben es, Rohstoffe vollständig zu recyceln, zunehmender Reichtum sorgt dafür, dass Konflikte auch weiter abnehmen, etc.pp. Wenn man sich irgendwann ein Utopia erarbeitet hat, in dem es einem an nichts fehlt und man weiß, dass man diesen Zustand nahezu unbegrenzt aufrecht erhalten kann, hat man kaum das Bedürfnis sich großartig auszubreiten. Das spricht nicht gegen eine gewisse Expansion, aber zumindest dagegen, das eine solche Expansion die Form eines intergalaktischen Heuschreckenschwarms annimmt. Zivilisationen, die es nach kosmischen Maßstäben geschafft haben, könnten also relativ kleine, total nach ihren Bedürfnissen gestaltete Blasen von relativ wenigen Sternensystemen bewohnen, aber nie das Bedürfnis entwickeln, die halbe Galaxis zu überrennen, weil sie das nicht brauchen. Droht ein Stern zu erlöschen, suchen sie sich in aller Ruhe dann und wann einen neuen (sie haben ja Zeit), aber das Galaktische Imperium entsteht in den meisten Fällen nicht.
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Offline Arldwulf

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Re: Wasser von der Erde
« Antwort #61 am: 23.09.2013 | 13:44 »
@Arldwulf: Ich hoffe, vor allem in letzterem Absatz auch deine Frage beantwortet zu haben. Die eingeführten Zellkulturen "stabilisieren" unterm Strich nicht, sie "steuern gegen".

So richtig beantwortet empfinde ich meine Frage damit eigentlich nicht. Du sagst man ist sehr weit mit der Ökologie, so dass die Zellkulturen genau richtig eingesetzt werden können um gegen Entwicklungen gegenzusteuern welche als schlecht empfunden werden.

Doch: Wenn dies so ist, warum bedient man sich dann nur Zellkulturen von der Erde? Nehmen wir mal an wir haben einen Wüstenplaneten und dieser wird urbar gemacht. Nach einer Weile stellt man fest dass beispielsweise eine Pflanze die wichtig ist von einem Pilz befallen wird, und dass dies einem Dominoeffekt gleich die Stabilität des Ökosystems gefährdet. Mal ganz abgesehen wie unrealistisch dieses Szenario ist: Warum sollte die perfekte Zellkultur die dies verhindert gerade auf der Erde wachsen? Warum nicht auf Deserto 3 dem Nachbarwüstenplaneten der zwar andere Probleme hat, aber dieses in den Griff bekam?

Kurzum: Solange nicht erklärt wird was so besonders an den Lieferungen von der Erde ist bekommt man auch keinen Nabelschnureffekt. Sondern nur einen "Handel ist gut für Stabilität" Effekt.

Offline Grey

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Re: Wasser von der Erde
« Antwort #62 am: 23.09.2013 | 20:23 »
Ah, das macht einiges klarer - ich hatte da ehrlich gesagt einen eher dystopischen Ansatz gesehen und mich gefragt: Warum in diesem Falle noch ein Problem konstruieren, wenn interstellare Kolonisation so schon schwer genug ist?
Nenee, Dystopien gibt es für meinen Geschmack inzwischen mehr als genug. ;) Was ich aufbauen will, ist eine neutrale bis positive Vision, die wieder Lust aufs Weltall macht.

Allerdings bestätigt es mich in meinem Eindruck vom aktuellen Zustand der SF als Genre, daß ohne ausdrückliche Erwähnung dieser Zielsetzung sogar du ganz automatisch von einer Dystopie ausgegangen bist... :-\

Zitat
Hmm...wie phantastisch dürfte es denn "maximal" werden? Die bereits angesprochenen transhumanen "Setting-Sprenger" sind ja mehr oder weniger ausgeschlossen, aber nach aktuellem Stand der Wissenschaft nicht grundsätzlich als unmöglich einzustufen.
Die transhumanen "Setting-Sprenger" möchte ich durchaus in das Setting integrieren, aber mehr unter der Rubrik "fehlgeschlagene Experimente". Es gäbe durchaus Zivilisationen von Genmutanten, Cyborgs und/oder Mischformen, die auf eigene Faust vielleicht sogar 1000 Jahre durchhalten. (Man beachte die enorme zivilisatorische Leistung, die allein das bedeuten würde: 1000 Jahre Stabilität abseits der "naturgegebenen" Grundlage!)

Der Nachteil dieser Ansätze soll (meinem Entwurf nach) in der zu hohen Spezialisierung bestehen. Genmutanten werden optimal an ihre jeweilige Umgebung angepaßt, aber da sie die frisierten Gene zusätzlich zu ihren terranischen Altlasten mitschleppen, erweisen sie sich bei der weiteren Expansion als eher noch unflexibler als unmodifizierte Homo Sapiens. Maschinen wiederum haben normalerweise gar keine Altlasten, sondern "from scratch" nur das, was sie für ihre jeweilige Umgebung brauchen; das macht sie zunächst enorm leistungsfähig und robust, solange sich die Umstände nicht ändern, aber um so anfälliger, sobald sich wesentliche Veränderungen einstellen. (Ich setze an dieser Stelle voraus, daß ein Mensch/KI-Netzwerk zwar an Kreativität jedes reine Menschennetzwerk weit hinter sich läßt, KIs alleine aber unkreativer sind und bleiben als Menschen alleine.)

Zitat
Aber genug Philosophiererei: Mal so als fixer Gedanke - wie sähe es mit einem "Limited-FTL" aus? Rein mathematisch gesehen scheint ein Warp-Antrieb ja nicht so völlig unmöglich zu sein.
Damit hätte ich immer noch Bauchschmerzen, solange nicht die Frage geklärt ist, was dann aus der Kausalität wird. Zu diesem theoretisch möglichen Warp-Antrieb habe ich bislang zwar nur ein paar Online-Artikel überflogen, aber die Antwort darauf bleiben diese Artikel allesamt schuldig. Bis zu dem Thema keine fundierten Ausführungen vorliegen, möchte ich bei reinem STL bleiben.

Zudem: Reines STL ist in meinen Augen gerade das, was ein solches Setting interessant macht. Welchen dramaturgischen Effekt hat denn FTL? Es erlaubt den Menschen, sich in der Galaxis genauso zu benehmen wie heutzutage auf der Erde. STL hingegen fordert neue, nach heutigen Maßstäben fremdartige Denkweisen und kulturelle Institutionen. Gerade das empfinde ich als besonders spannend.

Alternative Lösungen des Fermi-Paradoxons habe ich übrigens auch in der Schublade und möchte daraus gern andere Settings stricken. In diesem Thread geht es mir allerdings ganz konkret um dieses hier, und dabei möchte ich, wenn es recht ist, bleiben. ;)

So richtig beantwortet empfinde ich meine Frage damit eigentlich nicht. Du sagst man ist sehr weit mit der Ökologie, so dass die Zellkulturen genau richtig eingesetzt werden können um gegen Entwicklungen gegenzusteuern welche als schlecht empfunden werden.

Doch: Wenn dies so ist, warum bedient man sich dann nur Zellkulturen von der Erde?
Eine Voraussetzung, die an dieser Stelle eingeht, ist: Ökosysteme unterschiedlicher Planeten sind untereinander so gut wie inkompatibel. Die Flora und Fauna fremder Welten bietet z.B. nur wenig, was für den Menschen überhaupt als Nahrung taugt, und selbst das muß kompliziert nachbehandelt werden.

Eine vollständige Lebensgrundlage für den Menschen bietet allein das Ökosystem der Erde. Natürlich bemühen sich die Kolonisten, auf jede neue Welt eine möglichst große Bandbreite an irdischen Lebensformen mitzunehmen. Trotz aller Unverträglichkeiten treten aber die mitgebrachten irdischen Organismen stets in irgendeine Form von Wechselwirkung mit dem einheimischen Ökosystem; nimm als Beispiel an, es gibt irdische Bakterien, die irgendein Stoffwechselprodukt einheimischer Mikroben in etwas anderes umwandeln, was dann ins Grundwasser sickert und zu einer toxischen Kartoffelernte führt... Und das sind dann die Kleinigkeiten, die auch die fortgeschrittenste Ökologie nicht vorhersehen, sondern nur per try and error herausfinden kann.

Die Annahme lautet demnach: Für eine Lebensgrundlage taugen nur Bausteine aus dem irdischen Ökosystem. Damit das Ganze nicht kippt, muß es aber in eine Balance mit dem einheimischen Ökosystem gebracht werden. Natürlich kann diese Balance teilweise durch die Einfuhr dritter Zellkulturen aus Ökosystem C wiederhergestellt werden; aber weggebrochene Bausteine der eigentlichen Lebensgrundlage für den Homo Sapiens können nur aus dem Pool "terranische Lebensformen" ersetzt werden.

Die von manchen "Gralssuchern" gesuchte "Zweite Erde" wäre demnach ein Planet, der sich dadurch auszeichnet, daß sein Ökosystem schon von sich aus dem Menschen eine Lebensgrundlage bietet.
« Letzte Änderung: 23.09.2013 | 20:29 von Grey »
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Offline Arldwulf

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Re: Wasser von der Erde
« Antwort #63 am: 23.09.2013 | 20:43 »
Klingt hält sehr komisch, Menschen kommen doch mit quasi allem aus, und irdische Ökosystems auf fremden Planeten werden doch so oder so sich anders entwickeln.

Offline Waldviech

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Re: Wasser von der Erde
« Antwort #64 am: 23.09.2013 | 20:57 »
Zitat
Allerdings bestätigt es mich in meinem Eindruck vom aktuellen Zustand der SF als Genre, daß ohne ausdrückliche Erwähnung dieser Zielsetzung sogar du ganz automatisch von einer Dystopie ausgegangen bist...
Das war weniger der Zustand der SF allgemein als eher der "vorprogrammierte" Untergang. Allerdings würde ich Dir mit der Gesamtbeurteilung des Genres ziemlich zustimmen. Da kommt man aus Doom und Gloom kaum noch raus.

Zitat
Eine vollständige Lebensgrundlage für den Menschen bietet allein das Ökosystem der Erde. Natürlich bemühen sich die Kolonisten, auf jede neue Welt eine möglichst große Bandbreite an irdischen Lebensformen mitzunehmen.
Klingt soweit recht schlüssig - allerdings würde das IMHO zu folgender Entwicklung führen (können): Das Inkompatibilitäten mit außerirdischen Ökosystemen zu erwarten sind (da gehen wir heute ja schon von aus), wirkt sich deutlich auf die Planetenauswahl der Kolonisten aus. Planeten mit bereits existierendem Ökosystem fallen weitgehend raus. Besonders interessant sind "Proto-Erdwelten", die das Potential für ein Ökosystem haben, aber noch keines entwickelt haben. Das Problem dabei kann sein, dass man dabei regelmäßig bereits existierende Mikroorganismen übersieht oder das irdische Organismen auf irgendwelche Details anders reagieren als vorhergeplant. (Das umgeht auch das Problem, warum eine Menschheit die auf der Erde aus ihren ökologischen Fehlern gelernt hat, rausgeht und außerirdische Ökosysteme planiert. Denn das machen sie im Großen und Ganzen garnicht)
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Offline Grey

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Re: Wasser von der Erde
« Antwort #65 am: 23.09.2013 | 21:23 »
@Waldviech: Klarer Fall von Crossposting. ;) Ein Teil meiner Antwort auf Arldwulf betrifft auch dich, auf den Rest gehe ich unten noch mal separat ein.

Klingt hält sehr komisch, Menschen kommen doch mit quasi allem aus, und irdische Ökosystems auf fremden Planeten werden doch so oder so sich anders entwickeln.
Es geht ja gerade nicht um (rein) irdische Ökosysteme auf fremden Planeten; das ist die Crux.

Zunächst mal: Daß Menschen mit quasi allem auskommen -- dem würde ich eher nicht zustimmen. Im Rahmen der Vielfalt, die uns dieser ganze Planet Erde bietet, sind wir relativ flexibel, aber von der Erde sind wir auch ein Teil. Und solange wir in der Sicherheit unserer kultivierten und gezähmten Umgebungen bleiben, neigen wir zu der Illusion, wir könnten uns an so ziemlich alles anpassen; daß sogar der größte Teil der Erde für uns lebensfeindlich ist, machen wir uns nur selten bewußt.

Nun meine Annahmen für das Setting:

1. Eine vollständig von 0 aufgebaute Biosphäre ist nur begrenzt haltbar. Ohne gelegentliche Korrekturen kippt sie recht schnell (binnen weniger Jahrhunderte) in einen für Menschen unbewohnbaren Zustand. Aus diesem Grund werden als Kolonieplaneten bevorzugt solche ausgewählt, die bereits ein einheimisches Ökosystem aufweisen -- insbesondere z.B. schon eine Vegetation, die freien Sauerstoff in der Atmosphäre erzeugt.

2. Wir sind kein natürlicher Teil dieses fremden Ökosystems und haben dort keine Lebensgrundlage. Die müssen wir von der Erde mitnehmen. Auch diese Lebensgrundlage aber muß sich im Rahmen des fremden Ökosystems behaupten. Dabei kommt zwar fast immer etwas heraus, das auch auf der fremden Welt lebensfähig ist; aber es stellt nicht automatisch einen Platz für den Menschen bereit. Um eine Analogie zu bemühen, stell dir die (aus irdischen Organismen aufgebaute) Lebensgrundlage des Menschen als einen Garten vor, umgeben von Wäldern aus Alien-Pflanzen, von denen der Mensch nicht leben kann. Diese Alienpflanzen haben den Heimvorteil und wuchern wie verrückt. Eine Zeitlang kannst du sie mit der Heckenschere von deinem Garten fernhalten, aber irgendwann haben sie einen Teil der irdischen Pflanzen unwiderruflich erstickt. Das ist der Moment, in dem eine Auffrischung mit irdischen Organismen fällig wird.

Klingt soweit recht schlüssig - allerdings würde das IMHO zu folgender Entwicklung führen (können): Das Inkompatibilitäten mit außerirdischen Ökosystemen zu erwarten sind (da gehen wir heute ja schon von aus), wirkt sich deutlich auf die Planetenauswahl der Kolonisten aus. Planeten mit bereits existierendem Ökosystem fallen weitgehend raus.
Natürlich auch eine schlüssige Überlegung; allerdings bin ich eher zum umgekehrten Schluß gekommen: Die Planeten mit einheimischem Ökosystem sind besonders interessant, da ein solches Ökosystem auch schon "natürliche Abwehrkräfte" gegen Klimaveränderungen, Sonnenaktivität etc. bereitstellt. Man verliert leicht aus dem Auge, wie sehr die Amazonas-Regenwälder und das Plankton der Ozeane unsere Temperatur regulieren. Auch freien Sauerstoff in der Atmosphäre wirst du nicht finden, ohne daß bereits ein Ökosystem vorhanden ist. Das macht Welten mit einheimischer Vegetation eher interessant.

Davon abgesehen habe ich mir das Vorgehen nicht etwa so vorgestellt, daß die Menschheit die außerirdischen Ökosysteme "planiert"; sie versucht eher, sich behutsam ihre Nischen darin zu schaffen.
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Offline Arldwulf

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Re: Wasser von der Erde
« Antwort #66 am: 23.09.2013 | 21:31 »

Um eine Analogie zu bemühen, stell dir die (aus irdischen Organismen aufgebaute) Lebensgrundlage des Menschen als einen Garten vor, umgeben von Wäldern aus Alien-Pflanzen, von denen der Mensch nicht leben kann. Diese Alienpflanzen haben den Heimvorteil und wuchern wie verrückt. Eine Zeitlang kannst du sie mit der Heckenschere von deinem Garten fernhalten, aber irgendwann haben sie einen Teil der irdischen Pflanzen unwiderruflich erstickt. Das ist der Moment, in dem eine Auffrischung mit irdischen Organismen fällig wird.

Nur, was nützt mir in diesem Szenario die auffrischung? Wenn die Außerirdischen Pflanzen überlegen sind, sind sie dies auch nach der Auffrischung. Insbesondere wenn sie so überlegen sind das nichtmal gärtnerische Arbeit durch Menschen etwas bewirkt.

Und wenn die außerirdischen pflanzen die Pflanzungen der Menschen verdrängt haben hilft doch auch nicht das in hundert Jahren evtl. ein Schiff mit neuen Pflanzen kommt. Warum sollte es auch?

Offline Grey

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Re: Wasser von der Erde
« Antwort #67 am: 23.09.2013 | 21:37 »
Natürlich wird das Schiff mit der Auffrischung nicht erst gerufen, wenn der ganze Garten schon verloren ist; der Notruf geht raus, sobald abzusehen ist, wohin das Ökosystem innerhalb der entsprechenden Warnzeit kippen wird. Und man hat in der Zwischenzeit die Lehre gezogen, welche andere Pflanze an dieser Stelle günstiger wäre und sich besser mit den einheimischen Pflanzen verträgt/gegen sie behauptet. Also bringt man mit der Auffrischung diese andere Pflanze, und der Gärtner hat wieder seine Ruhe. Für ein paar Jahrhunderte, ehe das Problem an einem anderen Ende des Gartens losgeht.
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Offline Arldwulf

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Re: Wasser von der Erde
« Antwort #68 am: 23.09.2013 | 21:54 »
Selbst wenn man mal annimmt ökosysteme konnten jemals so gut verstanden werden dass man dort so weit voraus planen kann, also Quasi das Wetter in hundert Jahren vorhersagen kann: wie genau hilft dort dann die Auffrischung? Wie stellst du dir das vor, wie viel Pflanzen sollen dort hinzukommen? Wenn die wirklich so hilfreich sind, warum verdrängen sie dann nicht die auserirdischen Pflanzenarten? Und wenn nicht, was bringt es dann? Das ganze wirkt irgendwie wie der versuch den Vulkan mit dem Wassertropfen aus einer Pipette zu kühlen.

Das sind doch Ökosysteme in planetarem Maßstab. Es ist einfach extrem schwer sich etwas vorzustellen das diese stabilisieren könnte ohne sich unkontrolliert auszubreiten. Man sollte eher Quarantäne erwarten. Aber selbst wenn man von Versorgungsschiffen ausgeht machen auch diese mehr Sinn als Handelsnetz, und würden keine besondere Erdbindung ergeben. Die notwendigen speziellen Ergänzungen könnten ja von überall kommen.
« Letzte Änderung: 23.09.2013 | 21:57 von Arldwulf »

Offline Grey

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Re: Wasser von der Erde
« Antwort #69 am: 24.09.2013 | 12:04 »
@Arldwulf: Ich habe den Eindruck, wir drehen uns gerade im Kreis. Vielleicht wirkt das Szenario ja überzeugender, wenn ich es einfach für sich sprechen lasse. Ich glaube, ich habe jetzt genug Anregungen, um da was zusammenzuschreiben.

Danke an alle Diskussionsteilnehmer, auch und gerade die Kontroversen! :)
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Offline Arldwulf

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Re: Wasser von der Erde
« Antwort #70 am: 24.09.2013 | 12:08 »
Klar, ich denke es kann immer sein dass der Blick aufs große ganze verstellt ist. Insofern - ich würd mich freuen das Endergebniss lesen zu können. :-)

Offline Grey

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Re: Wasser von der Erde
« Antwort #71 am: 24.09.2013 | 12:09 »
Gebongt. Du bist im Verteiler. ;D
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ErikErikson

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Re: Wasser von der Erde
« Antwort #72 am: 26.09.2013 | 21:37 »
Eines versteh ich nicht. kann man das Rohmaterial von der Erde nicht einfach "einfrieren" und lagern?
Dann muss man das nicht ständig nachkarren.

Und man müsst ja massive verteidigungssysteme für die Erde bauen, und massive Sicherheitsvorkehrungen im Spionagesektor, damit ja der Erde nichts passiert. Sämtliche (entscheidungstragende) menschen währen dann im grunde massive Erd-Paranoiker in klinischem Ausmaß, anders könnte so eine Zivilisation nicht funktionieren.

Da steht dann so ein transporter, der Erdmaterial holen soll, schon mal paar Wochen nur für die Kontrolle in irgendeiner orbitplatform, und jede Schraube wird auf Atompartikelebene geprüft.

Und zusätzlich währen alle irgendwie fatalistisch geprägt, weil wenn die sonne verreckt isses auch aus mit der menschheit. All die zigtausend Kolonien für die katz.  
« Letzte Änderung: 26.09.2013 | 21:41 von ErikErikson »