Ich sehe es so, dass Kreativität eine untrainierbare, bzw. inhärente Befähigung ist, die einem Einfälle beschert. Das Ausarbeiten dieser jedoch ist etwas, das man absolut (er-)lernen kann und auch sollte. Stetige Verbesserung ist ein guter Motor und das nicht nur im Rollenspiel
Ich glaube eher, dass Kreativität generell trainiert und trainierbar ist. Die funktioniert in verschiedenen Gebieten natürlich anders - um ein guter kreativer Ingenieur zu sein, braucht es andere Fähigkeiten als ein guter kreativer Rollenspieler zu sein.
Bei solchen Sachen wie Wushu oder Fate muss man ja gar nicht die "total neue, noch nie dagewesen Idee (tm)" präsentieren, sondern nur etwas, was a) cool ist und b) zur Situation passt. Dazu kann man einerseits üben, aus verschiedenen Quellen zu schöpfen und die Basisideen dann mit neuen Elementen zu verknüpfen oder zu brechen.
Einfach nur klauen reicht im Rollenspiel aber meist auch
Das heißt aber, dass man üben muss, sich coole Szenen aus Filmen, Büchern oder einfach nur anderen Rollenspielrunden zu eigen zu machen. Im besten Fall überlegt man sich auch, warum man die jetzt cool fand, dann macht man sich das anpassen viel leichter.
Klassische Kreativübungen im Stil von "Delphin und Wohnungsbaugesellschaft - mach mir daraus eine Geschichte!" sind tatsächlich sinnvolle Übungen für sowas.
Natürlich kann man nicht erwarten, dass nach der ersten Story über Delphinwohnungsbaugesellschaften im Rollenspiel die Ideen gleich fließen. Aber man kann halt auch nicht nach dem ersten Kicken gleich super Fußball spielen.
"Passend" setzt nun erstens voraus, dass ich mich schon mal mit sowas wie Genre und Stimmung auseinandergesetzt habe und auch willens bin, das im Rollenspiel zu verarbeiten. Klar hindern einen die Regeln bei Fiasko nicht daran, in die düstere Noir-Geschichte einfach mal totale Gonzo-Elemente einzubauen - aber warum sollte ich? Wenn ich eine Vorstellung habe, wie ein Noir-Plot so ablaufen sollte und ich eine solche Geschichte erzählen möchte, will ich gar kein Gonzo einwerfen.
Zweitens muss ich ein Gespür für meine Mitspieler haben und darauf achten, was sie an Elementen ins Spiel bringen. Empathie ist generell eine wichtige Eigenschaft und ja, auch das kann man lernen. Normalerweise merkt man es ja recht deutlich, ob die Mitspieler die eigene Idee nun klasse oder totalen Mist finden (und man kann auch einfach nachfragen
).
Zusätzlich kommt es meist besser, Elemente aufzunehmen, die schon im Spiel sind. Also muss man aufpassen, was die anderen Spieler (inklusive des SL) einbringen und deren Ideen weiterspinnen. SLs machen das in ihrer Vorbereitung sowieso schon oft, indem sie zum Beispiel die alte Tante auf deinem Charakterblatt als Erbtante deklarieren, die dir das unheimliche Schloss vermacht hat.
Das geht auch im Spiel. Der Kriminelle hat gerade seine Pistole in eine Mülltonne geworfen und der Straßenjunge wird gerade geärgert? Ja, dann passiert das eben in der gleichen Gasse, in der auch die Knarre liegt.
Das ist natürlich anstrengend, weil man immer auf alle achten und schon extrapolieren muss, was man als eigene Aktion mal einbringen könnte.
Und auch das ist eine Übungssache und wird besser, je häufiger man das macht.
Man sollte auch nie vergessen, dass man im Rollenspiel immer eine wichtige Ressource hat: Seine Mitspieler. Wenn man in Fate eine coole Advantage schaffen will, wie man den Drachen tötet und man weiß nicht weiter... einfach seine Mitspieler fragen. Gemeinsam findet man sicher eine Idee.
Natürlich haben es Leute leichter, die schon häufiger in der Art gespielt haben und die von sich aus gerne reden. Aber das heißt nicht, dass man Rollenspielkreativität nicht lernen könnte.
Ich würde ja die Schüchternheit vor solchen Spielen eher auf eine Grundunsicherheit bezüglich "was man denn jetzt darf" und "ich könnte ja was falschmachen" schieben. Totaler Gonzo ist mir entweder in entsprechender Stimmung auch mit Story Game-Erfahrenen Kreativlingen untergekommen oder bei Leuten, die auf "das wird dir nicht explizit vom Regelbuch verboten" reagieren mit "ach, ich kann bei Fiasko erzählen, was ich will? Ja, dann taucht jetzt Darth Vader im rosa Tütü auf, weil solche Regeln können gar nicht funktionieren!"