Hallo.
@SLF: Ok, ich verstehe.
Das ist so ein Punkt, der mir noch nicht so richtig eingefallen war. Aber er macht viel Sinn. Gerade in meiner Region sind die alten Klassiker einerseits sowie ihre retro- oder old-school-Klone gerne und viel gespielte Rollenspiele. Insofern sitzt in meiner Region sehr tief verwurzelt fest, was man wohl als "strategisches" Rollenspiel bezeichnen könnte, in welchem vieles eben von dem rein binären Konzept der Würfelproben (Treffer/ Fehlschlag; Erfolg/ Misserfolg) abhängig gemacht wird. Meine Versuche, als ich selbst noch D&D geleitet und gelitten hatte, die Spieler zu motivieren, sich durch Erzählen Vorteile zu erspielen, blieben leider extrem ungehört; und wenn ich mich selbst etwas zurückgelehnt hatte und die Spieler machen ließ, schliefen Spielnachmittage auch gerne mal schnell ein. Und so ähnlich beobachtete ich das auch durchaus in anderen Spielrunden aus der Perspektive des Spielers.
Ich hole mal weiter aus und schildere eine "naive Grunderwartung" ...
In meinen bisherigen Rollenspielbegegnungen habe ich immer mehrere Dinge beobachtete - egal, ob ich Spielleider oder Spieler war:
a) Wenn Spielleiter etwas freier und losgelöster von Würfelergebnissen erzählten, eckten sie bei Spielern an, die sich auf Spielmechanismen verlassen wollten, was dazu führte, dass insbesondere Modifikatoren, die sich den Spielern nicht erklärten, oder "geheimes Würfeln" gerne lautstark kritisiert wurden;
b) wenn Spieler Aktionen beschrieben, die von den Regeln nicht vorgesehen waren oder sich nur sehr schwierig von diesen abbilden ließen, winkten/ wunken Spielleiter entweder ab und demotivierten so die Spieler oder die Spielleiter und Spieler stürzten sich mit Verve in Regelwerke und störten Spielsitzungen mit elend langen Recherchen, um am Ende dann doch nur festzustellen, dass die Chancenauf eine erfolgreiche Durchführung nicht oder kaum auf Erfolg für die beschriebenen Aktionen der Spieler standen;
c) wenn Spieler oder Spielleiter aufforderten, mehr zu erzählen und kreativer zu beschreiben, herrschte Schweigen im Walde, weil sich irgendwie nie jemand so richtig an das Erzählen heranwagte.
Jetzt meine Erwartung an das Würfelsystem von SW EotE: Das narrative Würfelkonzept von SW EotE fördert, wenn man den Spielentwicklern in stundenlagen Interviews auf dem Order 66 Podcast Glauben schenken mag (und das tue ich), das narrative Rollenspiel in gleich mindestens zwei Richtungen:
a) bei der Bildung des Würfelpools, indem der Spielleiter beschreibt, warum negative Würfel hineingeraten, und Spieler beschreiben, warum zusätzliche positive Würfel dort hineinfallen könnten; der FFG Stab (insbesondere Jay Little) für SW EotE spricht da gerne vom "social contract" zwischen Spielern und Spielleitern dahingehend, dass man gemeinsam vereinbart und erzählt, wie sich der Würfelpool bildet, und am Ende akzeptiert, was das Ergebnis der Würfelprobe sein wird; und dann
b) geht es an die Auswertung, wobei wohl regelmäßig die positiven Würfel von den Spielern und die negativen vom Spielleiter "ausgelegt" werden, wobei wohl hin und wieder mit Blick auf Balancing auch ein wenig verhandelt werden müsste;
c) aus diesem Würfelergebnis ergeben sich dann Folgen für den nächsten zu bildenden Würfelpool und a) bis c) wiederholen sich, sofern Würfelproben "notwendig" sind oder bleiben;
( d) Jay Little und Sam Stewart von FFG gehen sogar davon aus, dass aufgrund dieser Möglichkeiten des erzählten Würfelpools und seiner erzählten Auswertung ein Spiel gänzlich ohne Spielleiter möglich wäre).
Was bedeutet das nun? Während die starren Regeln und Würfelmechanismen der "typischen", ich nenn' es mal "ergebnisorientierten" Rollenspiele die Kreativität zumindest auf den ersten Blick eher zu verhindern scheinen (gleichwohl nicht ausschließen, aber das ist ein anderes Thema und setzt einen entsprechenden Spielansatz der Spielrunde voraus, den ich nur extrem selten gesehen habe), lädt das System von SW EotE nach meiner Einschätzung gerade dazu ein, alles das endlich machen zu dürfen und zu müssen, was man so lange Jahre nicht praktiziert hat. Und hier liegt möglicherweise auch der Rankor im Pfeffer: Wie sollen viele Gewohnheitstäter ihre Kreativität ausschöpfen, wenn sie das bisher in den eher "schematischen" Spielen nie wirklich "sollten" oder "mussten". Versteht Ihr, was ich meine oder worauf ich hinaus will?
Endlich kann ich als Spielleiter mit Fug und Recht sagen: "Weil das so und so ist, gibt es einen "Setback Die"; und weil euer Gegner in der letzten Runde diesen besonderen Erfolg landete, gibt es einen "Challenge" oben drauf!" Die Spieler kontern: "Nee, nee, neee! Maulwurfn in Arschenhausen! Weil die Szene so und so ist, haben wir den und den Vorteil auch wegen der und der Konsequenzen der letzten Spielrunde; und wir setzen noch ein Machtpunkt ein, um einen weiteren gelben "Proficiency Die" zu erhalten." *würfel*würfel*würfel*alia iacta est* > Auswertung: Die Spieler werten positiv aus - damn, kein Erfolg, aber OHHHOOHHH!!, cool, drei Advantage > BAMMM, 1 Triumph: HOW AWESOME KaaAPOWWW!!" *beschreib*beschreib*, last but not der Spielleiter: "Mh, netto kein Threat, aber dafür 1 Despair! Ok, Eure Aktion schlug fehl, aber Euer positiver Nebeneffekt ist schon beeindruckt - der Triumph nicht von der Hand zu weisen; aber der Despair-MuahaHAHAHA *erzähl-laber-rabarbar*" ...
Und weiter geht's ... Man ist mit anderen Worten nicht mehr an das "binäre System" aus Erfolg und Misserfolg gebunden und muss sich für spezielle, insbesondere "rätselhafte" (secret!!!) Modifikatoren nicht mehr erklären ...
Klar. Man kann jetzt sagen: Wozu dieser ganze Hokuspokus? Dann kann man doch gleich mit minimalen Regeln und einem stärkeren Erzähl-Ansatz an die Sache herantreten. Ja, richtig. Könnte man so sehen. Ich sehe aber in dem Würfelsystem von SW EotE auch die Chance, den Schicksalsschlägen in Gestalt zufälliger Würfelergebnisse einen gewissen Spielraum einzuräumen, der in einem noch erzähllastigeren Spiel, in welchem die Erzählrichtungen nicht von Würfelproben zum Teil abhängig gemacht werden, zu kurz kommen würde. Mit anderen Worten: SW EotE hat mir gegenüber den äußeren Anschein, die Lücke zwischen "reinen" Erzählspielen und Spielen mit "hohem simulatorischem Ansatz" zu schließen bzw. auszufüllen. Das finde ich sehr reizvoll ...
Ok ... Das war das. Ich musste mich kurz ablenken. Muss zurück in meine Akte ...
edit - nicht mehr tl;dr ... /edit
AO