Worüber wir halt stolpern, ist die sprachliche Doppelbedeutung von "Gut", einmal als "Gegenteil von Böse" und einmal als "Gegenteil von Schlecht" (in so ziemlich allen mir bekannten Sprachen). In Common wird es dafür unterschiedliche Wörter geben.
Also so, wie der Imperator in der Rückkehr der Jedi-Ritter "gut" sagt, als Luke seinem Paps die Hand abhaut.
D&Ds Gesinnungssystem funktioniert, wenn man mythische Wesen abbilden möchte. Dass es gute goldene und böse rote Drachen gibt, ist einfach zu verstehen. Dass Modronen Inkarnationen der Ordnung und Slaadi Ausgeburten des Chaos sind, auch.
Solange man sich über die Motive keine Gedanken macht, warum der menschliche Totenbeschwörer den Avatar seines Gottes in die Welt holen will, funktioniert womöglich auch da die Zuschreibung noch ganz gut.
Sobald man diesen Rahmen verlässt und zB politische Kampagnen spielen will, stellt sich das Gesinnungssystem einem eher in den Weg.
Wirkt "Böses erkennen" auf einen Prinzen, nur weil der jeden Abend mit dem Gedanken einfschläft, seinen Vater erdolchen zu lassen?
Solange man immer daran denkt wie groß und wie facettenreich und voller Schattierungen die Dinge in diesen Schubladen sind umso besser funktioniert dies. Aber mehr ist es halt auch nicht, man darf sich von solchen "Ein Charakter mit Gesinnung X konnte so sein" auch nicht täuschen lassen, dies sind letztlich nur Inspirationen und Hilfen.
Ich habe ja mit Planescape quasi angefangen, Rollenspiele zu leiten, und mag gar nicht bestreiten, dass das Gesinnungsystem auch viele Vorzüge hat und für die Landkarte dieser tollen Kampagnenwelt nahezu unverzichtbar ist.
Aber gerade, wenn Charaktere ihre eigene Gesinnnung quasi abfragen können, gehen die Schattierungen für mich irgendwie verloren. Du weißt halt am Ende ganz genau, wo Du landen wirst, wenn Du chaotisch böse gewesen bist; und als Tyrann kannst Du Dir kein X für ein U vormachen, dass Du letztlich nur eine Verlängerung des Baatezu-Armes bist.
Dass - in Anführungszeichen - böse Menschen in der Lage sind, sich für die eigentlichen Helden ihrer Geschichte zu halten, ist ja der Kern der psychologischen Glaubwürdigkeit, die in solchen Welten immerzu umgeschrieben werden muss. Bei Eberron bzw. Dark Sun ist das ja wie gesagt anders, da funkt keine Götterebene großartig hinein, und die Gesinnungen sind so egal, dass man sie eigentlich auch weglassen könnte. Und in meinen Augen auch sollte.
sehr wichtig bei bösen Gruppen sehe ich die Frage nach der Initiative.
Das ist übrigens tatsächlich etwas, was ich an Dungeon Keeper - ein Spiel, das ich ansonsten immer noch phantastisch finde - immer störend fand: Man ist zwar dem Fluff nach der böse Overlord, der in die Ländereien der freien Völker eindringt; vom Spielprinzip her aber bin ich ein Kerkerverwalter, der friedlich nach Gold und Edelsteinen schürfen lässt, bis die aggressiven Zwerge und Elfen bei einem eindringen und alles kaputt machen wollen. Da handelt man nur aus Selbstverteidigung, und nicht aufgrund eigener Bösartigkeit.
Da böse Charaktere dazu neigen den ersten Schritt zu machen, das zu tun was Helden später zu verhindern suchen. Darum sollte man mehr Entscheidungsfreiheit anbieten.
Das bestärkt mich eigentlich in meiner Ansicht, dass es für "böse" Charaktere eben ein eigenes System braucht, und das Belohnungssystem in den meisten D&D-Welten eher auf "gute" Gruppen gemünzt ist, die auch Wagnisse und Opfer für Schwächere eingehen würden.