Zuerstmal: Guter Einsteigsartikel, ich bin mir aber nicht ganz sicher, was der Zweck der folgenden Diskussion ist
Aber ich geb einfach mal meinen (hoffentlich) ungefähr passenden Senf dazu.
1)
Primär finde ich es gut, dass in den letzten Jahren ein immer größerer Teil der Rollenspielerheit darauf kommt, dass es mehrere Arten des Spielens gibt und alle Spaß machen können, wenn sie den Nerv der Gruppe treffen.
Was vielleicht noch mehr durchsickern muss ist, dass auch Spielervorlieben veränderlich sind und oft von der aktuellen Befindlichkeit oder früheren Erfahrungen abhängen.
Ich leite sowohl Story-getriebene als auch Sandbox-offene Runden (zum Teil sogar parallel), einfach weil beides Spaß macht. Und auch, weil ich von beidem irgendwann genug bekomme und mich dann wiederum dem anderen zuwende.
Und interessanterweise kommen viele meiner Spieler mit beidem klar.
Natürlich gibt es gewisse Tendenzen und hier kann tatsächlich Robin. D. Laws altes Modell (Storyteller, Taktiker,etc.) immer noch gute Dienste für eine erste (!) Einschätzung der Vorlieben liefern. (In seinem "Gutes Spielleiten" findet sich übrigens auch schon der Ansatz basierend auf den Spielertypen Punkte zu vergeben um zu evaluieren, ob die Gruppe eher frei oder story-getrieben spielen will)
Vor allem muss aber die Erwartung stimmen. Ich sage zu Beginn einer Kampagne klar "Das wird sehr offen, das wird teil-offen, das wird Story-getrieben" und damit gibts dann eigentlich nie Probleme.
2)
Was ich auch interessant finde ist, dass die Argumente für extreme Sandboxen oft denen für simulationistisch-realistischen Spielsysteme ähnlich sind: Dem Wunsch nach dem Gefühl einer möglichst "realen" Welt.
In der Praxis sind aber gerade diese Systeme für die Sandbox ungeeignet, da Improvisation extrem aufwändig wird (Was vermutlich auch der Grund ist, warum die meisten DSA-Kampagnen eher geradlinig sind, obwohl die Welt für Sandboxing ideal wäre).
Leichtgewichtige Systeme erlauben dem SL hier deutlich schneller auf die (für ihn) ungeplanten Aktionen der Spieler einzugehen.
Diese sind aber meist wiederum abstrakt und damit für die "Welt-Spieler" nicht optimal, hier beißt sich die Katze also in den Schwanz. Mit einem komplexen Regelsystem eine gut improvisierte Sandbox vom Spielleiter zu fordern ist meiner Meinung nach unverschämt.
Was mich dahingehend mal interessieren würde wäre eine Statistik Sandbox-Befürworter vs. Gegner mit der zusätzlichen Information "Bin Spieler bzw. SL" und "Meist Verwendetes Regelsystem".
3)
Die häufige Kritik "Das Abenteuer ist zu wenig Sandbox" ist, wenn man es genau überlegt, Blödsinn. Bei einer wirklichen Sandbox kann ich eben meist gar nicht auf vorgefertigte Abenteuer zurückgreifen. Material für eine Sandbox kann eigentlich nur in Form von Hintergrundinformationen und Aufhängern kommen.
Man sollte also vielleicht anfangen, Abenteuerbände (Pfade etc...) gar nicht mehr vom Blickpunkt der ultimativen Spielerfreiheit zu betrachten, sondern als eben für die Gruppe der Story-Spieler gemacht sehen. Natürlich könnte man dann spezielle Bände für Sandboxer machen, aber das wären dann eben eher Hintergrundbände und sollten auch so vermarktet werden. Ich denke, das könnte etwas Dampf aus dem Konflikt nehmen.
Und noch ein Brocken in den Raum (evtl. schreib ich später noch was dazu):
Sandbox basierend auf einer dichtbeschriebenen Welt (z.B. in Aventurien denkbar) vs. Sandbox die aus den Charakteren und Aktionen der Spieler entsteht (Dungeonworld)