Autor Thema: [Recherche: Medizin] Was passiert, wenn das Großhirn verrückt spielt?  (Gelesen 1206 mal)

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Offline Grey

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Medizinische Frage für mein SF-Setting:

Angenommen, wir haben eine Gesellschaft, in der die Menschen über Hirnimplantate permanent vernetzt sind. Sie bilden auf diese Weise ein geistiges Kollektiv. "Eigene" Gedanken gibt es nicht mehr, im Grunde entspringt jeder Gedankengang einer Vielzahl von Hirnen und wird von diesen verarbeitet.

Was würde in diesem Fall passieren, wenn eine einzelne Person aus dieser Gesellschaft vom Kollektiv abgeschnitten würde?

Ich dachte schon an "epileptischer Anfall", aber dafür müßte laut Onkel Brockhaus auch der Hirnstamm mit einbezogen sein, und die Vernetzung betrifft (da auf Kommunikation bezogen) nur das Großhirn.

Besonders bevorzugt: Fachkundige Antworten von Neurologen.

... und los! :)
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Offline Grimtooth's Little Sister

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Für nen Anfall bei einer Absonderung bräuchtest du wohl physischen Kontakt. Borgifizierung alleine sollte da nicht ausreichen.
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Offline Dr.Boomslang

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Die Frage lässt sich glaube ich nicht wirklich wissenschaftlich beantworten, weil natürlich nicht ganz klar ist was ein "geistiges Kollektiv" bedeutet und wie Hirne darauf reagieren würden. Ich würde sagen du kannst eigentlich relativ frei nach Dramaturgie entscheiden.
Gerade der Vorgang der Trennung vom Kollektiv selbst kann ja zusätzlich noch mit beliebigen Belastungen verbunden sein, darüber hinaus dass das einzelne Hirn eventuell unabhängig erst mal gar nicht funktionsfähig ist wie bei einem Schlaganfall. Epilepsie und Migräne können durchaus auch irgendwie extern ausgelöst werden. Schlaganfall ist vielleicht generell ein gutes Vorbild, weil da was analoges passiert. Einzelne Hirnregionen werden unterversorgt und funktionieren nicht mehr richtig, es gehen also Teile des Netzwerks verloren, was zu kompletten Bewusstseinstörungen führen kann.
Ich würde davon ausgehen dass derjenige extrem vieles neu lernen müsste, eventuell wie ein Baby, und gleichzeitig dürfte das sehr unangenehm zumindest aber nervend sein, vielleicht so wie bei Entzugserscheinungen oder bei Phantomschmerz. Was ähnliches kennt man ja schon von Handys bzw. Internet, die man wohl am ehesten mit "geistigem Kollektiv" vergleichen kann.

AcevanAcer

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Je nach ausprägung gehe ich von Sprachverlust, Orientierungsverlust, Wesensveränderungen, Gedächnislücken bis hin zur Katatonie aus.

Online Galatea

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Ganz allgemein: Traumatisierung.
Das ist wie wenn man einen Menschen aus einer engen Gemeinschaft herausreißt und ihn auf eine einsame Insel wirft. Manche werden daran zugrunde gehen, andere überleben irgendwie. Einen spontanen heftigen körperlichen Anfall schließe ich jetzt eher aus, eher führt das zu einen emotionalen Zusammenbruch, schließlich nimmt man dem Menschen ja jetzt nichts das zwingend physisch überlebenswichtig für ihn ist.
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Offline Grey

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Zwingend überlebensnotwendig nicht; es laufen aber plötzlich jede Menge Synapsen "ins Leere".

Ungefähr so stelle ich mir den Effekt vor: Solange der Einzelne in das Kollektiv eingebettet ist, arbeitet ein Großteil seiner Hirnfunktionen daran, Informationen ins Netzwerk einzuspeisen bzw. daraus abzurufen. Bewußte Gedankengänge ohne Netzwerkanbindung sind dem Einzelnen nicht möglich. Wir haben es hier nicht nur mit Menschen zu tun, die "dauernd mit dem Kopf im Internet hängen", aber allein noch funktionsfähig wären; es geht eine Stufe darüber hinaus. Die Aufmerksamkeitsspanne des Einzelnen liegt unter einer Sekunde.

AcevanAcers Anregungen wie Sprachverlust und Orientierungsverlust gehen da durchaus schon in eine Richtung, die mir plausibel erscheint; im vorliegenden Fall nur temporär, so daß nach Wiedereinbindung ins Kollektiv alles wieder normal funktionieren würde.

Interessant finde ich nach wie vor die Frage, was das Großhirn genau anstellt, wenn ein Großteil seiner Synapsen "ins Leere feuert"; ungefähr so, als ob es Informationen ans Sprachzentrum weiterleitet, und da ist gar kein Sprachzentrum.
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Offline Dr.Boomslang

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Interessant finde ich nach wie vor die Frage, was das Großhirn genau anstellt, wenn ein Großteil seiner Synapsen "ins Leere feuert"; ungefähr so, als ob es Informationen ans Sprachzentrum weiterleitet, und da ist gar kein Sprachzentrum.
So funktioniert das Gehirn nicht. Es gibt z.B. bis heute kein eindeutig identifiziertes "Sprachzentrum". Spezialisierungen von Gehirnregionen ergeben sich durch ihre Lage und Verknüpfung, die muss aber nicht mit bestimmten Aufgaben korellieren.
Computer und Netzwerke sind eine ganz gute Analogie. Wenn du z.B. auf deinem Computer ein Video angucken willst, dann hängt die Performance und Qualität nicht nur von den Videoprozessen auf deinem Computer ab, sondern auch enorm davon wo es herkommt, ob z.B. von deiner Festplatte oder aus dem Internet.

Bei deinem Kollektiv müsstest du dir überlegen wozu die Verbindung wirklich verwendet wird. Es wäre z.B. in den meisten Fällen recht großer Unsinn Bewegungen des Körpers ins "Netzwerk" auszulagern, ungefähr so als ob du deine Eingaben am Computer erst zu einem Server schickst der dir dann eine Grafik anzeigt die sich nur auf deinem Monitor verändert.
Kommunikation und Wahrnehmung sind hingegen ganz gute Kandidaten.

Wenn die implantierten Leute in dem Kollektiv aufgewachsen sind wie Borg z.B. stelle ich mir eine Trennung extrem traumatisch vor, so etwa als würde man Leuten Körperteile amputieren. Andernfalls wäre es interessant zu überlegen welche Funktionen des Gehirns von dem Implantat quasi okkupiert werden, also z.B. sowas wie Sprache, Töne, Visuelles. Es kann z.B. eben gut sein dass es eine Art von Phantom-Wahrnehmung gibt, und natürlich kann sich Motivation und Charakter völlig verändern, je nachdem welche Funktionen das Kollektiv hatte.

Ich glaube das Ganze auf irgendwelche Hirnfunktionen zu reduzieren bringt wenig, weil wir einerseits zu wenig über die Realität (des Gehirns) als auch zu wenig über die Funktionsweise eines möglichen Kollektivs wissen.

Pyromancer

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In Vernor Vinges "A Fire upon the Deep" kommen an zentraler Stelle Aliens vor, die in gehirnvernetzten Kleinkollektiven von 6(?) Einzelkörpern operieren. Dort wird zwar IIRC nur der umgekehrte Fall beschrieben, das Kollektive "Teile" verlieren, als Inspirationsquelle taugt es aber sicher - und ist auch sonst ein schönes Buch.

Offline Slayn

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Nur um da nochmals sicher zu gehen: Du meinst keinen selektiven Datenaustausch oder Pseudo-Telepathie sondern die Verschmelzung aller Menschen zu einem wirklich festen Kollektiv inkl. der Auflösung jedweder Persönlichkeit?

Dann wäre ein Mensch, der aus diesem Kollektiv fliegt nur noch ein Stück Fleisch mit einem Geist auf dem Niveau eines frisch geborenen Babies.
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Online Galatea

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So funktioniert das Gehirn nicht. Es gibt z.B. bis heute kein eindeutig identifiziertes "Sprachzentrum". Spezialisierungen von Gehirnregionen ergeben sich durch ihre Lage und Verknüpfung, die muss aber nicht mit bestimmten Aufgaben korellieren.
Es sind durchaus Areale bekannt, die eine Menge mit Sprache zu tun haben. Menschen mit Läsionen im Broca-Areal haben ein sehr ernstes Problem mit der Produktion von grammatikalisch sinnvollen Sätzen. Das bedeutet nicht, dass sich die Sprachverarbeitung auf diese Areale beschränkt, dennoch bedeutet ein Ausfall dieser Areale im Normalfall den Verlust der Sprachfähigkeit.
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Offline Dr.Boomslang

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Ich weiß. Aber wenn man jemandem die Zunge abschneidet hemmt das auch die Sprachfähigkeit. Sprache ist eine komplexe Fähigkeit, die höchstwahrscheinlich nicht aus irgend einer Black-Box kommt die man vom Rest trennen kann. Es zeigt sich bei Hirnfunktionen immer wieder dass hier Konnektivität bedeutender ist als einzelne Regionen. Natürlich gibt es spezialisierte Regionen im Gehirn, nur wissen wir in den wenigsten Fällen auf was genau die Region wirklich spezialisiert ist.

Konnektivität ist nicht wirklich einfach zu studieren. Man stelle sich vor man solle die Funktion einer Straße am Verkehrsaufkommen bewerten. Beobachtet man den Verkehr auf einer Straße in ein Industriegebiet mit Stahlfirmen, dann dürfte es gut funktionieren, einen Zusammenhang zwischen dem Verkehr und der Verfügbarkeit von Stahl herzustellen. Aber was wenn die Straße zu einem Hafen führt, bei dem sich die gelieferten Güter stark unterscheiden?

Offline Grimtooth's Little Sister

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Wie ein neugeborenes Baby wohl nicht - die Infos, die auf diesem Gehirn vom Netzwerk abgelegt worden sind, sind dann ja immer noch da.

nur kann die abgetrennte Untereinheit dann damit vermutlich wenig anfange.

Ich stelle mir grad vor, da hat dann jemand die gesammelten Werke Goethes abgespeichert, und kann das aber weder interpretieren, noch vortragen.  ;D
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Offline Gorai

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Moin,

da Menschen nicht nur wie Computer funktionieren, sondern auch emotional reagieren, ist eine Trennung aus einer solchen Verbindung nicht nur physisch, sondern auch psychisch zu betrachten.

Je größer das Gesamtsystem arbeitet, desto kleiner ist der Schaden für die Gruppe.  Dem neuen "freien, heraus gerissenen" Individuum  fehlt dennoch einen wichtigen Anhaltspunkt seiner Existenz. Der Mensch reagiert je nach Größe der ursprünglichen Gruppe (Je kleiner, desto schwerwiegender) und je schwächer der Charakter sehr ausgeprägt und das Gehirn, Cortex je nach Art, Struktur sowie aktuellen Gesundheitszustand dementsprechend z.B. mit Verwirrung, temporären Ausfällen, Schock, gegebenenfalls Schlaganfällen, Aneuryrismen (Blutungen innerhalb des Nervengewebes), Ticks,  evtl. verbunden auch mit Epilesie. 
Mediocritas in omni re optima

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NEIN!
Aber...
weil...