Reign of the Accursed scheint mir übrigens ein gutes Beispiel dafür zu sein, dass Rollenspiele mit Vampiren (in zentralen Rollen) unterschiedliche Genres bedienen können (und sollen/müssen).
Aus dem Teaser würde ich folgern, dass bei dem Spiel im Mittelpunkt steht:
- Action/Kämpfe
- Maskerade/Verbergen
- Vampirintrigen/Vampirpolitik
Das scheinen mir die Konflikte zu sein, die das Spiel thematisieren will.
- Action/Kämpfe:
Es gibt jede Menge Bilder mit Vampiren, die durch die Luft hüpfen und mit Schwertern oder Klauen und Zähnen aufeinander einschlagen. Von der Hintergrundstory geht es um einen blutigen Krieg der Vampire untereinander und gegen irgendwelche anderen Horrorkreaturen, wahrscheinlich inspiriert von Lovecraft & Co. Das bedeutet, dass die hauptsächlichen Konflikte physischer Art zu sein scheinen.
Also erwarte ich von so einem Spiel, dass es Kämpfe zwischen Übernatürlichen unterhaltsam spielbar macht. Gute Umsetzung wären einigermaßen für den Kampf ausbalancierte Vampirtypen (Klassen) mit vampirtypischen kewl powerz, ein flottes Kampfsystem mit cinematischem Einschlag und Regeln für entweder taktische oder erzählerische Kampfoptionen. Wahrscheinlich wären auch Mook-Regeln angebracht. Es muss Spaß machen und zeitlich möglich sein, zwei oder drei Kämpfe in einer Session auszuspielen.
Völlig falsch wäre dagegen ein Ansatz, in dem die Kämpfe so langweilig sind, dass man sie am Liebsten vermeidet, oder so tödlich für die SCs sind, dass man ihnen nach Möglichkeit aus dem Weg geht. Ebenfalls völlig unangebracht wären Charakterklassen, die nicht sinnvoll an Kämpfen teilnehmen können.
- Maskerade/Verbergen
Persönlich finde ich es schade, dass das Spiel wieder auf diesem Topos der Urban Fantasy aufbaut, weil er die im Genre liegende Tendenz zum Größenwahn extrem fördert. Aber mit den richtigen Regeln könnte man daraus trotzdem noch etwas machen. Dabei denke ich daran, dass es regeltechnisch eine starke Motivation geben muss, sich in die Belange der Sterblichen einzumischen. Die Vampirernährung muss z.B. darüber hinausgehen, einfach nur irgendwelches Blut zu trinken. Vielleicht ist nur das Blut von Leuten nahrhaft, zu denen man eine persönliche Beziehung aufgebaut hat (die auch ausbeuterisch sein kann, wir reden ja von Raubtieren), vielleicht braucht man soziale Interaktion mit Menschen, um Gummipunkte zu bekommen usw. Jedenfalls muss regelgestützt ein Anlass dazu da sein, die Maskerade seines Charakters zu riskieren. Das würde auch die Entwicklung dahin etwas bremsen, dass in den Abenteuern nur noch Vampire und Übernatürliche auftauchen.
Der zweite Punkt wäre eine Art von Maskerade-Stress oder Aufmerksamkeits-Punkten (nach dem Vorbild von Heat aus Nights Black Agents). Jedesmal wenn die Vampire ihre Kräfte einsetzen, oder bestimmte Würfelergebnisse fallen, insbesondere in sozialen Situationen mit Menschen, generiert der SC Aufmerksamkeit oder Maskerade-Stress. Für die Aufmerksamkeitspunkte kann sich der SL Komplikationen kaufen, z.B. Auftauchen von Vampirjägern (vgl. Heat aus NBA). Wenn der Vorrat des SC an Maskerade-Stress erschöpft ist, ist der Vampir enttarnt und wurde von Vampirjägern endgültig zur Strecke gebracht (z.B. während er schlief). Natürlich muss es dazu im Spiel auch Mechanismen geben, um Maskerade-Stress wieder abzubauen, so wie es bei Schadenspunkten Heilungsmöglichkeiten gibt.
Falsch wäre es mMn, auf Regelungen der Maskerade zu verzichten und es nach Gutdünken dem Spielleiter zu überlassen, wann und wo der Vampir die Aufmerksamkeit der sterblichen Welt geweckt hat und welche Konsequenzen das für ihn hat. Ebenso falsch wäre es, diese Konsequenzen einfach so mit ein paar kewl powerz überspielbar zu machen - das nähme den ganzen Konflikt aus dem Spiel.
- Vampirintrigen/Vampirpolitik
In dem Bereich ist der Teaser nicht so genau, aber das Gerede von einem Kalten Krieg und die Tatsache, dass wohl alle SCs Vampire spielen können, lässt mich darauf schließen, dass Vampire sich nicht nur physisch bekämpfen, sondern auch Bündnisse gegen andere Vampire/Übernatürliche schließen oder kurzzeitig Zusammenarbeiten, um gemeinsame Ziele zu verfolgen. Kann sein, dass vom Setting sogar vorgesehen ist, dass Vampire als Drahtzieher hinter menschlichen Institutionen/Organisationen wirken und über sie ihre Machtkämpfe austragen, was noch einen Satz eigene Regeln erfordern würde.
Aber beschränkt auf die "vampirinterne" Politik würde ich vom Regelsystem erstmal erwarten, dass es den Spielern (inkl. SL) Möglichkeiten gibt, andere Vampire mental oder sozial zu beeinflussen und auf sie Druck auszuüben, um sie zu bestimmten Aktionen zu veranlassen. Dazu müssen die Regeln verschiedene Strategien der Einflussnahme (Einschüchtern, Verführen, Täuschen, Überzeugen usw.) mitsamt verbundener Erfolge und Risiken abbilden. In einer sozialen Interaktion muss für alle beteiligten Parteien die Möglichkeit bestehen, mit regeltechnischen Konsequenzen aufeinander einzuwirken.
Als falsch würde ich es ansehen, wenn dieser Aspekt ebenfalls vollkommen willkürlich dem Spielleiter überlassen bleibt, ob ein NSC-Vampir vom Spieler-Vampir beeinflusst wird, oder wenn es umgekehrt allein dem Spieler überlassen bleibt ein NSC-Vampir seinen Charakter manipulieren konnte.
Eine zweite Möglichkeit besteht darin, die Vampirintrigen nicht als soziale Konflikte zu verregeln, sondern als Problem der Informationsbeschaffung. Das würde von einem Spiel um aktive Vampirpolitik abweichen und eher zu einem Vampirkriminalabenteuer führen, wo es darum geht, herauszufinden, welcher NSC gerade gegen welchen anderen NSC (oder SC) intrigiert, was seine Pläne sind und wo deren Schwachstellen liegen (bzw. wo die Gelegenheit zum risikoarmen Kampf ist). Dann geht es weniger darum, NSC-Vampire zu manipulieren, sondern eher darum, ihnen geeignete Informationen über die laufende Intrige zu entlocken und daraus taktische Vorteile für die Kämpfe zu gewinnen. Die taktischen Vorteile müssten vom System in Würfelmodifikatoren abgebildet werden (FATE: Aspekte; Nights Black Agents: Tactical Fact Finding Bonus; Cortex+: Ressources, Assets). Das Risiko bestünde dann darin, entweder Aufmerksamkeit zu generieren (diesmal beim Gegner, nicht bei den Sterblichen) oder ungewollt dem Gegner taktisch relevante Infos zukommen zu lassen.
Die Fehlerquellen bei dieser Möglichkeit liegen darin, dass man keine Regeln findet, wie die Spieler an Informationen kommen, keine Regel findet, diese Informationen spieltechnisch würfelrelevant (für die zentralen Actionsequenzen) zu machen oder einfach vergisst, soziale Interaktionsszenen zur Informationsgewinnung risikoreich zu machen. Das endet schlimmstenfalls darin, dass die Spieler nur noch ihre NSC-Vampirinformaten abklappern, weil sie ja wissen, dass irgendwelche Infos für sie herausspringen.
Aus dem teaser folgt zumindest für mich, dass umgekehrt einige "vampirtypische" Sachen bei Reign of the Accursed keine bzw. kaum eine Rolle spielen werden. In dem Spiel spielt man keine Tochter im heiratsfähigem Alter, die sich zwischen der unsterblichen Liebe eines Vampirs oder eines Werwolfs entscheiden muss. Es geht auch nicht vordringlich darum, Sex mit einem Vampir/so vielen Übernatürlichen wie möglich zu haben (und daraus evtl. noch mehr übernatürliche Kräfte zu gewinnen). Man löst keine Fälle als Vampirpolizist und auch der Kampf gegen die innere Bestie ist wohl nicht das Hauptthema.