Ich hab bisher leider auch nur 5 oderr 6 Abende damit gespielt, meinen Geschmack trifft das System aber bisher genau.
Zum Setting:
Die Atmosphäre ist (bislang) eher an den Hobbit angelehnt, mit einigen historischen Anleihen. Als Setting wird für den Anfang Wilderland (also Düsterwald und Umgebung) vorgegeben, auf Englisch sollen aber noch dieses Jahr Erweiterungen zu Eriador und Rohan erscheinen. Die Abenteuersammlung "Geschichten aus Wilderland" bietet eine gute Mischung aus Exploration, eher märchenhaften Geschichten und (zum Ende hin) epischen (und zum Teil auch tragischen) Kämpfen gegen die Finsternis. Die neue Kampagne "Darkening of Mirkwood" habe ich noch nicht gelesen, sie erstreckt sich aber über 30 Jahre und soll wohl einen historischen Rahmen für eine Regionalkampagne bieten, in der die Spieler grundlegend Anteil am Wandel Wilderlands haben werden.
Zu den Regeln:
"Der Eine Ring" ist in meinen Augen eine gute Mischung aus eher klassischen Attribut+Fertigkeit-Systemen und Indie-Elementen. Wichtige
Elemente der Regeln:
Hoffnungspunkte: Ein sehr schöner, an Charakterentwicklung geknüpfter Gummipunkte-Mechanismus. Jeder Charakter hat einen Hoffnungswert; man kann einen Hoffnungspunkt ausgeben, um NACH einer Probe seinen Attributsbonus zu dem Fertigkeitswurf zu addieren (d.h. man gibt diese Punkte nie umsonst aus, sondern nur dann, wenn man weiß, dass man die Probe dadurch besteht). Gleichzeitig sammelt man Schattenpunkte für an den seelischen Kräften zehrende Erfahrungen (bspw. Reisen durch verfluchte Gebiete) und für Missetaten an. Wenn der Hoffnungswert unter den Schattenwert sinkt, läuft man bei jeder Probe Gefahr, durch ein bestimmtes negatives Würfelergebnis den Mut zu verlieren und dadurch in blinde Wut zu verfallen, zu fliehen oder sich in einer Ecke zu verkriechen. Tatsächlich ist es in meinen Runden noch nie so weit gekommen, aber das System an sich scheint sehr gut zu funktionieren und bildet auch ganz gut Sachen ab, die man mit dem Hobbit/Herr der Ringe assoziiert (Boromirs Gier nach dem Ring, Sam, der die Hoffnung verliert, als er denkt, dass Frodo tot sei, Bilbo, der unter den Nebelbergen verzweifelt, Thorin, der von seiner Eitelkeit geblendet ist).
Reisen: Sind ein sehr wichtiges Element in dem Spiel, für das es, ähnlich wie für Kampf, ein eigenes Subsystem gibt. Das funktioniert in meinen Augen sehr gut und reizt an, allgemeine Beschreibungen in groben Zügen mit einzelnen Gefahrenepisoden zu verbinden. Eine Reise spielt sich damit sehr schnell und wird trotzdem greifbar.
Soziale Proben: Für's Soziale gibt es ebenfalls ein kleines Subsystem mit vielen Fertigkeiten - Song, Riddle, Awe sind alles Namen von Fertigkeiten, die man anwenden kann, um im Umgang mit NSC einen guten Eindruck zu machen. In der Erstauflage ist das System noch etwas Holzschnittartig, in der Revised wurde es wohl weiter ausgearbeitet.
Kampf: Das Kampfsystem ist in meinen Augen eines der besten überhaupt, man muss aber mit einem eher hohen Abstraktionsgrad klarkommen. Im Prinzip wählen die Spieler jede Runde, ob sie offensiv, normal oder defensiv kämpfen und bestimmen dadurch sowohl, wie schwer es für sie ist, den Gegner zu treffen, als auch, wie schwer es für die Gegner ist, sie zu treffen. Schaden wird nicht gewürfelt, sondern ist ein fester Wert, der von Ausdauerpunkten abgezogen wird (bei besonders guten Erfolgen kommt dann noch ein attributsabhängiger Schadensbonus hinzu). Ernste Verletzungen sind sogenannte Wunden, die nur bei bestimmten Würfelergebnissen auftauchen und durch einen erfolgreichen Wurf auf die Rüstung abgewendet werden können - Rüstung schützt nicht vor Ausdauerverlust (erhöht sogar die Erschöpfungsschwelle), aber sie verhindert ggf., dass man wirklich schlimm getroffen wird. Wunden geben keine Abzüge auf die Werte; sie verschlechtern aber die Regeneration. Außerdem läuft man erst dann Gefahr, im Kampf zu sterben, wenn man verwundet worden ist. Das ist in meinen Augen eines der besten Rollenspielsysteme überhaupt, um schlimme Verletzungen auch als Storyelemente spielbar zu machen - wenn man verwundet wird, ist das ernst, aber man muss sich deshalb trotzdem nicht mit der nervigen Verrechnung von Abzügen herumschlagen und ist als SC noch genauso leistungsfähig; nur wird alles riskanter.
Würfelsystem:
Ist erst etwas sperrig (man würfelt für Proben einen Spezial-W12 mit den Zahlen von 1-10 sowie einen Crit- und einem Patzer-Symbol, die Spezialauswirkungen haben, sowie mehreren W6 für den Fertigkeiteswert), erlaubt es aber, aus einem Wurf extrem viel herauszuholen. Abhängig davon, ob der W12 eines der beiden Sondersymbole zeigt und wie viele 6er man insgesamt auf seinen Fertigkeitswürfeln erzielt, wird der Erfolgsgrad bestimmt. Dadurch kann man Beispielsweise im Kampf entweder extra Ausdauerschaden machen oder eine Wunde anrichten oder auch beides auf einmal. Patzer im eigentlichen Sinne sind übrigens trotz des Patzersymbols sehr selten; Im Kampf sind sie überhaupt nur dann möglich, wenn man bei einem gewagten Spezialmanöver, einem sogenannten "Called Shot", scheitert. Anfänger-SC fühlen sich durchaus kompetent an, sind aber keine Überhelden. Insgesamt ist das System auf ein Kampagnenspiel mit eher langsamem Aufstieg ausgelegt.