Krasses Beispiel: Als ich ein (einziges!) Mal D&D gespielt habe, hat sich der SL vorher mit mir hingesetzt und meinen Char bis Stufe 20 durchgeplant (...) Argumentation des SL: "Wenn du das jetzt nicht richtig planst, dann kannst du gewisse Dinge nachher ja gar nicht mehr erreichen..."
Das ist einfach nicht meins...
Da bin ich froh, dass meine Spielleiterin damals nur Tipps zur Charaktererstellung an sich gegeben hat (allerdings war da auch schon klar, dass wir hier nur eher einen Oneshot als Einführung in D&D / Rollenspiele spielen werden.)
Zum Thema:
Ich bevorzuge es generell, ein Klassensystem zu haben.
Ich habe es auch mit Klassenlosen Systemen versucht (z.B. Elyrion, Nornis, World of Darkness / Vampire the Requiem, Malmsturm)
Dort fiel es mir allerdings immer schwer meinen Charakter kurz und prägnant zu beschreiben (Beispiel Elyrion: "Mein Charakter ist in der Schattenmagie bewandert, Heimlichkeit und der Einsatz von Klingenwaffen sind seine Stärken, in diesen und jenen Gebieten verfügt er über viel Wissen...")
Dies soll allerdings nicht bedeuten, dass ich im Gegenzug ein Freund von sehr rigiden Klassensystemen bin. Pathfinder ist hier mein Paradebeispiel.
Möchte ich in diesem System z.B. einen Charakter darstellen, der sich an der Priesterin Melisandre aus Game of Thrones orientiert, kommt folgendes dabei heraus:
Grundklasse: Klerikerin
Bei diesem Charakterkonzept kann ich jedoch gut auf schwere Rüstungen verzichten. Auch Schilde sind mir hier nicht wichtig, deshalb hietet sich der Archetyp der Evangelistin an. Dadurch erhalte ich weitere Zauber und Fertigkeiten, um andere zu beeinflussen.
Ein Problem sind jedoch die bei Pathfinder / DnD allgemein bei vielen Klassen eine geringe Zahl an Fertigkeitspunkten. Diese reichen (oft) kaum aus um alle gewünschten Kernkompetenzen abzudecken (beispielsweise fehlen meiner Evangelistin auf der ersten Stufe immer noch Wissen [Religion], Heilkunde oder Motiv erkennen)
Dies ist ein Punkt, warum mir auch zu enge Charakterkonzepte nicht zusagen (bei Pathfinder darauf bezogen, dass einige Klassen nur sehr wenige Fertigkeiten erlernen können und dadurch sogar viele "erwünschte" Kompetenzen auf der Strecke bleiben.)
Systeme, die gleichzeitig eine bestimmte Klasse vorgeben, aber auch viel Spielraum bei der Ausgestaltung des SC geben, sind in meinen Augen zur Zeit "Rolemaster" (deutsche Version vom 13Mann Verlag) und "Splittermond" (Uhrwerk-Verlag)
Bei Rolemaster sagen die Charakterklassen (Dort "Berufe") lediglich aus, wie teuer es ist, eine Fertigkeit zu erlernen / zu verbessern.
Während ein Krieger beispielweise gerade mal 2 Punkte bezahlen muss, um seine Waffenfertigkeit um einen Rang zu steigern, muss er hingegen 6 Punkte für einen Rang in der Fertigkeit wie "Untotenkunde" oder 25 Punkte für einen Rang in einer Spruchliste wie z.B. "Abwehr von Angriffen" im Magiebereich des Mentalismus bezahlen.
Ein Mentalist (Reiner Zauberkundiger des oben erwähnten Magiebereichs ) muss für solch eine Liste hingegen nur 4 (in höheren Stufen vielleicht 6) Punkte zahlen. Ein einzelner Rang in "Untotenkunde" kostet ihn gerade mal 2 Punkte.
Dafür muss er hingegen für seine Waffenfertigkeit (abhängig von der von ihm gesetzten Priorität) 6, 8, 15 oder sogar 20 Punkte bezahlen, um einen einzelnen Rang in dieser Fertigkeit zu erhalten.
Dennoch empfinde ich dieses System als durchaus freier, da man mit jeder neuen Stufe einen spürbaren Zuwachs an Fertigkeiten erhält.
Denn während meine Pathfinder-Klerikerin/Evangelistin nur 3 Fertigkeiten hat, Hat meine Rolemaster-klerikerin bereits fast 25 Fertigkeiten, obwohl sie beide auf der ersten Stufe stehen und noch keine weiteren Steigerungen erhalten haben.
In Splittermond werden zu Beginn Fertigkeiten durch die Auswahl von Paketen oder wahlweise freier Charaktergenerierung erworben.
Auch in Splittermond wird es "Klassen" (dort Ausbildungen genannt) geben, allerdings besteht durch die Freie Generierung auch die möglichkeit Klassenlos zu spielen.
Aber warum sehne ich mich auf der einen Seite nach einer festen Klasse, wenn ich doch auf der anderen Seite den Wunsch habe, meine Fertigkeiten selbst [und das möglichst "breitgefächert"] verteilen zu können?
Für mich bietet ein Klassensystem einfach einen wunderbaren Haltepunkt, der meine Fantasie anregt.
Häufig, wenn ich mir einen neuen Charakter generiere, denke ich mir Dinge wie: "Ich möchte einen Gladiator spielen", "Ich möchte eine Heilerin", "Dieses mal bastele ich mir einen Schläger... oder einen Assassinen".
Bei Klassensystemen kann ich dann einfach schauen, ob es Klassen gibt, die dieser Rolle ungefähr gerecht werden.
Möchte ich z.B. einen Gladiator erstellen, müsste ich mir zunächst die Frage stellen: "Welche der Klassen können gut kämpfen?"
In Splittermond kämen u.a. der Waffenmeister, der Glaubenskrieger, der Arkane Krieger oder der Wildnisläufer.
In Rolemaster gibt es z.B. den Krieger, den Barbaren, Teilmagiekundige wie den Waldläufer, den Paladin und den Kampfmagier [letztgenannter erscheint irgendwann in der Erweiterung Essenz].
Jede dieser Klassen bringt verschiedene Boni auf Fertigkeiten mit (In Rolemaster sind die Fertigkeiten wie oben erwähnt unterschiedlich teuer zu erlernen/ zu verbessern) so wird klar gezeigt: Hier sind deine Stärken, hier deine Schwächen.
Mit diesen Charakterklassen habe ich, wie oben erwähnt, ein klares Bild vor Augen, bei dem es mir leichter fällt, Verbindungen zu knüpfen (z.B. "Ich spiele eine Hexenmeisterin, die sich im Alltagsleben als Händlerin durchschlägt")
Zudem fällt es mir auch ein bisschen leichter, eventuelle Werdegänge zu beschreiben ("zuerst war ich ein gewöhnlicher Dieb, bis mich ein Assassinenorden aufnahm. Vom Dieb wurde ich zum Assassinen und erhielt zum Schluss sogar die Weihe als Priester unserer Gottheit.")
Auch in Sachen Kommunikation mit anderen Mitspielern fällt es mir leichter mich eher auf "konkrete" Klassen als auf "Vage Beschreibungen" zu beziehen.
"Deine Paladina hat den Kartographen echt in Kreuzverhör genommen" klingt besser als Dinge wie "Dein sehr Charismatischer Mensch mit den 2 Dolchen wird von einer der Hofdamen angesprochen"
Auch als Spielleiter sind mir Sätze wie "Die Gelehrtenpriesterin Vangaras blickt konzentriert in die Flammen" lieber.
Insgesamt ist somit zu sagen:
Klassensysteme sind meine bevorzugte Wahl, unter der Voraussetzung, dass sie mir dennoch die Möglichkeit lassen, bei Bedarf den zu Beginn eingeschlagenen Pfad in gewissen Maßen zu verlassen.