Das ... hat sehr viel damit zu tun wie wir das Setting als solches sehen.
Mein Stichwort...!
Vorab: Mir ist klar, dass das SR Setting unterschiedlich interpretiert werden kann!
Ich schreibe hier aus meiner Perspektive und die Erfahrung, wie andere das Setting oft sehen.
Aus dem Unterschied wird ersichtlich, wo dann auch die Einstellungen differieren.
Für mich ist SR die Dystopie,
dass die sich erste und dritte Welt in der gleichen Region wiederfinden,
dass sich Lebensräume mit Frieden, Wohlstand und Reichtum und Lebensräume mit nahezu Kriegszuständen, bitterer Armut direkt nebeneinander liegen,
dass der Staat unfähig ist, bzw. keine Anstalten macht, für einen Ausgleich (Wohlstand, Befriedung) zu sorgen
und dass die Konzerne bemüht sind, ihre Wohlstandsenklaven zu schützen, aber nicht engagiert sind, die Armut in den Ghettos abzubauen.
Aus dieser Situation entsteht für Bewohner ausserhalb der Wohlstandsenklave eine Lebenssituation, in der wir nicht die Maßstäbe und Lebenseinstellungen der heutigen westlichen Welt (Frieden und Wohlstand) als gültig annehmen können.
Der entscheidende Unterschied zu unserer sehr bequemen Welt ist in der Gewaltbereitschaft und im Lebenserhaltungstrieb wahrzunehmen.
"Wie viel Gewalt bin ich bereit einzusetzen, um meine Ziele zu verfolgen?"
und
"Wie viel Risiko bin ich bereit, einzugehen?" bzw. "Wie viel Schmerz, Verletzung, Beeinträchtigung bin ich bereit einzugehen?"
Die meisten SR Spieler nehmen den Unterschied in der Gewaltbereitschaft durchaus wahr.
Den Unterschied im Selbsterhaltungstrieb wird aber selten berücksichtigt.
Um es kurz zu Formulieren:
In einer Welt, in der bittere Armut herrscht, in der man kaum etwas zu verlieren hat und sich die Zukunft auch ohne jegliche Perspektive darstellt, ist ein Menschleben sehr wenig wert - auch das eigene.
Denn man hat nichts zu verlieren, ausser einen weiteren Tag in bitterer Armut ohne Perspektive.
Daher verändert sich die Bereitschaft, Gewalt einzusetzen und es verändert sich auch die Perspektive auf das eigene Ableben.
Shadowrunner sind (für mich) NICHT GSG9 Spezialisten, die aus einer Wohlstandgesellschaft Sondereinsätze unternehmen und zum Abendessen wieder bei ihrer Familie sind, um gemeinschaftlich die Tagesschau und den Wetterbericht im TV anzusehen und Samstags zum Aldi einkaufen gehen. Sie sind Underdogs in einer Welt, die von Armut und Perspektivlosigkeit geprägt ist.
Und dieser Unterschied macht extrem viel aus. Er prägt eine völlig unterschiedliche Lebenseinstellung und Kultur. Deswegen kann man schlecht hingehen und aus unserem Wohlstandswertesystem extrapolieren.
Dazu muss man die Lebenseinstellungen und Wertesysteme in den heutigen Krisengebieten annehmen.
Ich vermute, dass wir das aus unserer Bier und Bretzel Gesellschaft das gar nicht vollständig können.
Letztendlich liegt meiner Meinung nach daber da die Ursache aus dem gewaltigen Unterschied, dass manche Shadowrun spielen, als wären sie das SWAT Team des Antiterrorkommandos und die anderen die Ghetto-Underdogs spielen, die nichts zu verlieren haben. Und aus diesem Unterschied resultiert dann auch die gewaltige Lücke in Meinungen über Gewalteinsatz und Werte (wie das eigene Leben).
Ich finde, dieser gravierende Unterschied in den Lebenseinstellungen wird heutzutage viel zu oft ignoriert, vor allem in der Bewertung von Verhalten in den Krisengebieten der Welt, aber eben auch wenn man irgendwo plausibel Rollenspiel in dystopischen Welten machen möchte.