Und genau hier verrennst du dich in einer Definition des Wortes "Kontrollverlust".
Moment mal! Du hattest behauptet, diesen Kontrollverlust gäbe es auch im RL.
Welche Definition von "Kontrollverlust" meinst du denn, von dem du behauptest, dass er auch in der Realität auftritt?
Sorry, alles was du geschrieben hattest, gilt nur für das RPG. Wie ist also dein Satz
"Es gibt diese Kontrollverluste auch im RL." zu verstehen?
Ansonsten ging es um den Unterschied zwischen den von dir oben angesprochenen Sachen und den Kontrollverlusten bei herkömmlichen RPGs.
Benenne es von mir aus so: Die Kontrollverluste, die in herkömmlichen RPGs auftauchen, sind allesamt
reale Kontrollverluste, die so auch in der Realität auftauchen können.
Die "Kontrollverluste", die hier teilweise gefordert werden, sind jedoch bloß metaphorische "Kontrollverluste".
Und nur, weil man reale Kontrollverluste gutheißt und für die Immersion förderlich findet, heißt das noch lange nicht, dass metaphorische Kontrollverluste ebenfalls hilfreich für die Immersion sind.
Die Spieler behaupten, dass reiße sie aus der Immersion. Stimmt nicht, denn sie sind nicht immersiv im Charakter, sondern steuern ihn von außen. Ihr SC ist eben nicht so klug/aufmerksam/gebildet wie sie selbst und würde den Worten der "pösen NSCs" verfallen. Sie denken sich nicht immersiv in den SC hinein, sondern stellen sich selbst in der Situation vor.
Ähm nein. Immersiv bedeutet ja gerade, dass es keinen Unterschied zwischen SC und Spieler gibt.
Das erkennt man auch sehr gut daran, dass gerade immersive Spieler häufig "ich" sagen und dabei in Wirklichkeit "mein SC" meinen. Sie sagen dann so etwas wie
"Weißt du noch, wie ich letztens die Schiffswand hinaufgeklettert bin?" und meinen in Wirklichkeit
"Weißt du noch, wie mein SC letztens die Schiffswand hinaufgeklettert ist?"Die Immersion beruht ja gerade darauf, dass man sich zum Zeitpunkt der Immersion nicht den Unterschied zwischen Spieler und SC bewusst ist. Es ist beides "ich". Der Spieler wird mit "ich" angesprochen und der SC wird ebenfalls mit "ich" angesprochen. Aus dem Satz "Der Spieler steuert den SC." wird bei jemanden in Immersion: "Ich steuere mich." Denn die Trennung zwischen Spieler und SC wird aufgehoben.
Das liegt wahrscheinlich in der Natur der Sache, dass wir uns körperliche Unterschiede ohne Probleme verinnerlichen können und so spielen, als ob wir ungeschickter/schwächlicher/fragiler wären, als wir es in RL sind, während wir uns zwar dümmer stellen können, aber Schwierigkeiten damit haben, die tatsächliche Tragweite dieses Unterschiedes auch auszuspielen.
Nein, beides behindert die Immersion. Wenn du schonmal Pen&Paper und LARP ausprobiert hast, dann stellst du fest, dass LARP wesentlich immersiver ist, weil dort wirklich ALLE Sinne angesprochen werden. Dort kann wirklich ein 100% abtauchen in die Immersion stattfinden. (Was gerade bei fragilen Persönlichkeiten auch zu gefährlichen Situationen führen kann.)
Das heißt, die Nutzung des eigenen Körpers hilft genau so wie die Nutzung des eigenen Intellekt. Der große Nachteil von Pen&Paper gegenüber LARP ist halt, dass man nicht wirklich vollkommen körperlich abtauchen kann.
Aber nur, weil man keine 100% Immersion beim Pen&Paper schafft, heißt das doch noch lange nicht, dass man nicht versuchen kann, möglichst immersiv zu sein.
Es bedeutet eben, die Kontrolle über die Handlungen des SC aufzugeben und tatsächlich so zu agieren, wie es der SC in dieser Situation tun würde. Eben nicht wie ein Puppenspieler, der an den Fäden zieht und die absolute Kontrolle hat, sondern aus dem Inneren des SC heraus Dinge zuzulassen, von denen wir Spieler eindeutig wissen, dass sie sich negativ auf den SC auswirken werden. DAS wäre immersiv. Alles andere ist nur Avatarsteuerung.
Wie gesagt, SC und Spieler sind in einer Immersion eins. Es gibt im Zustand der Immersion keinen Unterschied zwischen Spieler und SC.
Dass du jetzt für eine Unterscheidung von SC und Spieler plädierst, bedeutet, dass du irgendein Ziel verfolgst, dass nichts mit Immersion zu tun hat. Immersion bedeutet, den Unterschied zwischen SC und Spieler zu negieren, ihn aufzulösen. Es bedeutet nicht, diesen künstlich aufrecht zu erhalten.
Echt? Also ich hatte in meinem Leben so zwei oder drei Momente, wo ich retrospektiv sagen muss "Was zur Hölle habe ich da getan? Ich wusste doch X und Y, wieso hab ich dann doch Z gemacht? Nur weil Person B ein paar salbungsvolle Worte an mich gerichtet hat? Ich Blödmann!!! "
Ja, du hast das
retrospektiv getan.
Und wenn du das im RPG auch retrospektiv tust, ist das ja vollkommen in Ordnung. Aber du hast das nie währenddessen getan. Du hattest nicht die Kontrolle verloren. Du hast bloß nachträglich festgestellt, dass du eine Dummheit getan hast.
Zwischen "Ich werde zu etwas gezwungen, was ich nicht will." und "Ich stelle nachträglich fest, dass ich es besser nicht getan hätte." liegen Welten. Das sind zwei vollkommen unterschiedliche Sachen, die nichts miteinander zu tun haben.