Moin!
Ich hab das Thema von Planeten mit gebundener Rotation (der Planet dreht sich genauso schnell um sich selbst wie um die Sonne, daher wird eine Seite immer beleuchtet und die andere Seite niemals, es gibt also keine Tageszeiten auf der Oberfläche) neulich schon mal auf meinem Blog
vorgestellt. Ein spielbares Fantasy Setting auf einem solchen Planeten stelle ich mir ziemlich spaßig vor, weil es viele absonderliche Bedingungen gibt mit denen man arbeiten kann. Die wissenschaftliche Quellenlage ist erstaunlich reichhaltig aber auch ohne allgemein akzeptierten Konsens, weshalb offizielle Fakten nur Denkanstöße sein können - oder sollten. Einige Links finden sich in meinem verlinkten Beitrag, aber Google spuckt noch viel mehr zu "tidally locked planet" aus.
Für dieses Beispiel gehen wir einfach mal von einem Planeten mit erdähnlicher Größe, Masse und Zusammensetzung aus, der sich in der Goldilocks Zone befindet (optimale Entfernung zur Sonne). Die Tagseite ist größtenteils Wüste mit viel vulkanischer Aktivität, die Nachtseite ist eine eisige Gletscherzone, was für teils extreme Stürme sorgt. Bekanntes und fantasy-taugliches Leben gedeiht fast nur in der Twilight Zone zwischen den beiden Planetenseiten - diese Zone ist dank der wärmeverbreitenden Stürme aber nicht so schmal wie man vielleicht anfangs denkt und streckt sich jeweils ein Stück in die Tag- und Nachtseite hinein. Des weiteren gehen wir hier mal von einem Standard Fantasy Setting aus. Das gibt es zwar so nicht, aber damit meine ich es ist weder "gritty" Low Magic noch "Dragonlance" High Fantasy sondern irgendwo dazwischen. Anleihen und Abzweigungen in Richtung Steampunk, Weird Fantasy, und andere Genres sind natürlich lustig und gerne gesehen.
Was mich interessieren würde sind eure Ideen und Vorstellungen, wenn ihr sie teilen mögt. Ein paar konkrete Fragen als Anfang:
Welche Anpassungen der Tier- und Pflanzenwelt könnte es an die Lichtbedingungen geben?Für große Teile der bewohnbaren Zone herrscht ein ewiger Nachmittag/früher Abend, der wenn überhaupt nur durch Wetter unterbrochen wird.
Was für bekannte Völker/Rassen könntet ihr euch als Protagonisten in solch einer Welt vorstellen?Mit einer ewig dunklen und einer ewig hellen Seite könnte man natürlich nicht nur Wüsten/Eis-Kreaturen verbauen, sondern auch Unterweltsbewohner an die Oberfläche holen.
Was für kulturelle/religiöse Eigenarten könnte es im Vergleich zu "normalen Welten" geben?Dualismus als tief zugrundeliegendes Motiv bietet sich z.B. an. Das genaue Ausrichten auf die Sonne, bzw. das Zentrum der Nachtseite für alltägliche Handlungen, Rituale (Bestattungen) etc. sind denkbar. Je nachdem wie weit man Kultur fasst, kommt auch Städtebau in Frage der versucht das Maximum an Lichtausbeute zu gewährleisten.
Gäbe es Abenteuer, die nur in einer solchen Welt funktionieren - oder aber überhaupt nicht?Abenteuer mit sehr langen Seereisen oder Wildnismärschen fallen z.B. im Grunde aus, weil man sich a) immer orientieren kann und b) wenn überhaupt nur in Längsrichtung der Twighlight Zone genug Spielraum für sehr lange Wegstrecken hat, in Querrichtung erreicht man recht "schnell" eine der beiden Grenzen.
Was fällt euch dazu ein? Oder zu anderen, hier nicht bedachten Aspekten und Themen?
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EDIT 11.09.14: Auflistung von einigen Ideen aus dem Thread (danke an alle Beteiligten!):
Welt- Was wenn die Rotationsbewegungen nicht ganz exakt übereinstimmen? Jedes Jahr würden ein paar cm des bewohnbaren Rings im Eis verschwinden und dafür ein paar cm neu aus dem gleißenden Licht auftauchen (auf der gegenüberliegenden Kugelseite genau umgekehrt). Das führt erstens zu unterschiedlichen Zonen: auf einer Hälfte des Rings bringt das Licht und nimmt die Dunkelheit, auf der anderen Hälfte ist es genau umgekehrt. Die beiden Pole sind herausragende Stellen, weil sie als einziges stabil im Zwielicht bleiben. Zweitens bedeutet es dass es sowohl im Dunkeln wie auch im Licht alte verlassene Siedlungen gibt - und dass die Überbleibsel längst vergangener Hochkulturen am Rande des bewohnbaren Bereichs auftauchen und darauf warten von Abenteurern erforscht zu werden.
- Es könnte auch auf der Sonnen seite extreme Dschungel geben, welche durch die dauerhafte Aufheizung der sonnenseitigen Meere noch feuchter als unsere wären und eventuell eher auf Hochplateaus anzutreffen als in niederen Lagen wie bei uns. Es kommt imho also auch sehr stark auf deine Topologie an ob auf der Sonnenseite etwas lebt. Irgendwas wird dort sicherlich leben. Insektoide Humanoide könnte ich mir z.B. sehr gut vorstellen, gewisse echsenarten usw.
- Ein interessantes Phänomen kann auch durch Monde entstehen. Im Schatten einer Mondfinsternis lässt sich vielleicht die helle Seite bereisen. Umgekehrt spendet der Vollmond genug Licht um die dunkle Seite zu bereisen. So lassen sich bestimmte Orte nur in sehr begrenzten Zeiträumen bereisen und die Reise selbst findet unter der Bedingung statt dass Hindernisse schnell beseitigt werden müssen.
- Wind kann man sehr stark als definierendes Element verwenden, da dessen Windrichtung und Stärke auch bei gebundener Rotation ja Schwankungen haben kann. Diese Schwankungen sind sehr wahrscheinlich langwieriger und könnten die Rolle von Jahreszeiten übernehmen. (Sprich - am Rand der Nachtseite bringt der Wind eine Weile lang genug Wärme mit - doch periodisch wird dies weniger oder mehr)
- Oasen in den Extremzonen auf der Tagseite (Schattenseite von Gebirgen, wo die tödlichste Strahlung abgeschirmt wird, Höhlensysteme mit Durchbrüchen an die Oberfläche, wo eine Mischökologie gedeiht (Pilzwälder meets Palmen), Sand der in der Hitze zu Glas verschmolzen ist wird zu einem natürlichen Gewächshausdach für darunterliegende Höhlen (künstlich oder natürlich) und Nachtseite (heiße Quellen/aktive Vulkane, die bizarres Leben im direkten Umfeld erlauben, ein ewiger Wirbelsturm, der durch warme Winde der Sonnenseite gespeist wird, als anormales Wetterphänomen. Stürmt und regnet dauernd, aber es ist warm genug)
Bewohner/Lebewesen- Generell würde ich auch über die Bewohner deiner Welt nachdenken. Der Lebensraum ist mit gebundener Rotation so speziell, dass Humanoide eigentlich unwahrscheinlich sind. Aber weil man diese ja immer gern mag konntest du sie als spätere Kolonisten dieser Welt darstellen. Vielleicht waren sie sogar einst nur Schiffbrüchige hier. Auch hier entstehen wieder zwei potentielle Fraktionen. Die fantastischen und exotischen Urbewohner dieser Welt, Tiere und Pflanzen bei denen vielleicht nicht einmal klar ist wie intelligent sie sind.
- Möglichkeit dass Planet eigentlich mal eine Gefängniskolonie war (bisschen wie Crematoria in Riddick), die irgendwann einfach aufgegeben wurde (warum auch immer). Daher sind alle humanoiden Völker die Nachfahren der einstigen Sträflinge.
- Unteriridisch hausen die Zwerge. Diese haben einen weiten unterirdischen Dungeon gebaut, um auch weit in die Tages- und Nachtseite des Planeten vordringen zu können und dort begehrte Mineralien abzubauen.
- Auf der Nachtseite leben die Nachtelfen/Dunkelelfen. Ihre Augen haben sich an die Dunkelheit angepasst, wodurch sie keine Farben, aber dafür Infrarotlicht wahrnehmen können. Außerdem sind sie unempfindlich gegen Kälte.
- Auf der Tagseite leben die Lichtelfen. Diese sind immun gegen die Hitze, erleiden durch Kälte aber sehr leicht Schaden.
- Dann gibt es noch den Phoenix. Dieser lebt normalerweise im Twilight. Nach der Paarung hat er allerdings den unaufhaltsamen Drang, in die Tageszone zu fliegen. Dort verbrennt er aufgrund der hohen Hitze. Nur seine Eier sind feuerresistent. Das heißt, der Phoenix verbrennt und nur seine Eier bleiben übrig, aus denen nach einigen Jahren ein neuer Phoenix schlüpft. Phoenix-Eier sind extrem robust, benötigen aber große Mengen an Hitze, um ausgebrütet zu werden. Wenn man irgendwie an Phoenix-Eier gelangt, bevor sie ausgebrütet werden und diese ins Twilight schafft, dann werden sie dort quasi konserviert.
- Die weißen Wanderer aus Game of Thrones würden auch sehr gut in diese Welt passen.
- Pflanzen tragen vielleicht ganzjährig Früchte. Oder wenn sie nicht ganzjährig Früchte tragen, dann ist es von Art zu Art extrem individuell: Manche Bäume tragen all 2 Jahre Früchte. Andere Bäume alle 7 Monate, wieder andere Bäume nur alle 10,3 Jahre etc.
- Die Sonnenseite ist natürlich bewohnt, aber unterirdisch. Sandwürmer z.B. und wenn man schon einen halben Planeten mit Wüste hat, dann hat das entweder potential für riesige Lebewesen oder sehr kleine und dafür umso gefährlicher. Also entweder groß genug und mit entsprechend Werkzeug ausgestattet um sich durch den Sand/ das Erdreich zu grabe, oder klein genug um durch vorhandene Spalten/Risse zu krabbeln.
Kultur/Mythologie- Eis und Dunkelheit wären in dieser Welt Synonyme - noch stärker als sie es in einer "normalen" Welt schon sind. Gleißendes Sonnenlicht wäre genauso negativ besetzt wie Dunkelheit. Das positiv belegte Gegenstück wäre Zwielicht.
- Die dunkle Seite könnte nun Niflheim darstellt, das von Eisriesen beherrscht wird (mit einem Zugang zur Unterwelt Hel) und die helle Seite Muspellsheim, das von Feuerriesen beherrscht wird. Die Götter Agards haben nur mehr wenig Macht und ihr Einfuss reicht nur in die Dämmerungszone. Nur hier können Menschen überleben. Elfen und Zwerge kommen als Schwarz- bzw. Lichtalben vor, die eher der jeweiligen Seite zugewandt wohnen. Die Midgardschlange schnürt ihren Ring immer enger um die Dämmerungszone, über die in unregelmäßigen Abständen der Fenriswolf wütet und große Flächen verwüstet ...
- Es gibt nicht unbedingt eine Zeitmessung in Tage/Jahre, da es auf dem Planeten weder Tage noch Jahre gibt. Vielleicht misst man in "Karawanen". Eine Karawane braucht eine bestimmte Zeit, um vom Heimatdorf ins Nachbardorf zu reisen und wieder zurück. Diese Zeit ist dann "1 Karawane".
- Spannend wäre es außerdem die so verbreitete, platonische Einteilung der Elemente aufzubrechen. Wenn jeglicher Regen aus der Weltenhälfte kommt die permanent dunkel und zu großen Teilen schweinekalt und eisbedeckt ist, und alle warmen Winde aus der Sonnenhälfte kommen, kann ich mir gut vorstellen dass die Leute in dieser Welt da irgendwelche Verbindungen zwischen den Elementen ziehen, bzw. sowas wie "Tag" und "Nacht" (oder passende Äquivalente) in einer Systematik berücksichtigen.
- [sich verschiebende Grenzen zur grünen Zone] könnte Leute und Kreaturen ermöglichen die sozusagen "vorlaufen". Die versuchen Orte zu finden welche in 1-2 Jahren vielleicht genau in der günstigen Klimazone liegen und diese für sich in Anspruch nehmen.
- [bezogen auf wandernde grüne Zone] Ideal würde ich sagen, dass eine Stadt etwa 100-300 Jahre innerhalb dieser verweilen können sollte. Gehen wir mal davon aus die Zone entspricht etwa einem zehntel des Planetenradius, so wäre man bei diesem Tempo nach ein paar tausend Jahren wieder am Beginn angekommen. Während dieser 100 - 300 Jahre würde sich das Antlitz der Stadt natürlich ändern, da sie langsam immer weiter in die Sonnenzone rückt. Das fände ich cool, weil dann die Typen die weiter vorn nach neuem Lebensraum suchen (Quasi die Wildwestfrontier welche die Drecksarbeit für die weiter im innerem lebenden zivilisierten Städter macht) tatsächlich die Chance haben Ruinen alter Städte vom letztem Umlauf zu finden. An diesem Rand leben dann halt die rauen Typen die auch schonmal tagelang in die eiskalte Nacht hinaussegeln um einen leuchtenden Berggipfel am Horizont zu finden.