Gerade der Einstieg in Wirtshaus zum Schwarzen Keiler wäre dann doch ein Beispiel für Railroading by Design. Zitat: "Wichtig ist nur, dass die Spieler sich nicht herausreden können und dem wahnsinnigen Greifax ausgeliefert sind." Während der Spiel-Konversation (um mir den Begriff mal zu leihen) wird eine bestimmte Szene erzwungen, deren Ausgang vorher feststeht und der Autor des Szenarios macht sich damit, ausgeführt durch den SL, zum alleinigen "Erzähler" einer Geschichte, die eigentlich zu spielen wäre. Wenn man die Spielersicht unbedingt einbeziehen möchte, kann man, wie du, davon sprechen, dass "diese Abenteuer gute Chancen [haben], als Gängelei empfunden zu werden." Dann wird RR durch das Szenariodesign zumindest nahegelegt bzw. sehr wahrscheinlich gemacht.
Alle drei von mir genannten Abenteuer haben gemeinsam, dass sie extrem unfrei (um mal dieses schöne Wort zu benutzen) anfangen. Aber alle drei sind auf der Makroebene ziemlich non-linear, sobald man den Anfang überwunden hat. Sie sind natürlich keine Sandboxen, und wer der Ansicht ist, dass nur Sandboxen oder Riesendungeons (=Gewölbemodell) die Kriterien für Non-Linearität erfüllen, der wird mit dieser These nicht zufrieden sein, aber mir reicht es erstmal aus, von unterschiedlichen Ausgängen und unterschiedlichen möglichen Wegen zu reden, um Non-Linearität festzuhalten. Das
Wirtshaus hat das. Das ist schon weit weg von einigen Storyabenteuern, wie ich sie aus den 90ern kenne.
Aber trotzdem sind die Abenteuer "railroadig". Vergleicht man das mit dem
Schiff der verlorenen Seelen, dann sieht man eine ähnliche Ausgangslage: Die Charaktere wurden shanghait und in den Marinedienst gepresst. Aber dies ist nicht Teil der Spiel-Konversation am Tisch, die Spieler kriegen lediglich dieses Ergebnis mitgeteilt, und danach können sie ohne Zwang agieren. Trotz der gleichen Basisstruktur ein viel unwahrscheinlicher Kandidat für das subjektive Merkmal von Railroading (Unzufriedenheit).
Was die Linearität betrifft: Vermischst du bei den DSA Beispielen nicht deine beiden Ebenen? Auf der Makroebene betrachtet ist bspw. der "Keiler" non-linear. Ein Blick auf die Karte. OK, einverstanden. Das bleibt doch aber auch so, wenn ich die Einstiegsszene nicht streiche. Irgendeine Szene muss ja vom SL/Autor als Szene Nr. 1 deklariert werden. Auf der Mikroebene dagegen betrachte ich einzelne Szenen, d.h. die Einstiegsszene ist da im Gegensatz zum Rest des Szenarios linear, ihr Ausgang vorgegeben. Schlechtes Design, das sich leicht beheben lässt, indem man sie streicht.
Mein Problem mit der Sache ist, dass Railroading häufig mit
linearer Makrostruktur des Abenteuers gleichgesetzt wird. Das ruft dann die RR-Verteidiger auf den Plan, die sagen: Aber wir mögen lineare Abenteuer, wir mögen tolle Geschichten, also ist Railroading doch gar nicht so schlimm oder sogar was Gutes. Dann dreht sich die Diskussion immer im Kreis darum, ob lineare Abenteuerstrukturen (auf Makroebene!) gut oder schlecht sind. Mir geht es aber darum, dass das Problem nicht, oder zumindest nicht allein, in der Linearität liegt. Deswegen habe ich in der Makrostruktur non-lineare Abenteuer als Beispiele angeführt, von denen ich ausgehe, dass der ein oder andere DSA-Uralt-Spieler sie kennt und als Railroading erlebt hat.
Im Übrigen halte ich es für irrelevant, ob man als Szenarioautor eine oder hundert RR Szenen in sein Abenteuer schreibt. Eine Szene reicht im Zweifelsfall ja aus, um die Stimmung am Tisch zu versauen.
Ja, absolut. Es braucht nur
eine Szene zu geben, in welcher der Meister Zwangsmaßnahmen einführt, selbst solche, die vorgeblich den Charakteren helfen (!), um die nötige Unzufriedenheit zu schaffen. Dabei ist es völlig egal, ob das Abenteuer ansonsten eine vorstrukturierte Roh-Story mit geplanten Encountern ist, oder eine freie Spielwiese mit Zufallstabellen. Selbst die Spieler, die auf dramaturgisch vorgeplante Stories schwören sind dann oft angepisst.