Fallstudie: der Weltraumlamborghini ("Ranger")
Wie schon mehrmals in diesem Thread gesagt: wenn man Raumschiffe hat, die mal eben so ohne Anstrengungen von erdartigen (und sogar noch schwereren) Planeten starten können, und das sogar wiederholt, warum macht man sich dann den Ärger mit dem Space Launch System, und noch viel wichtiger, was steht dann noch "Plan A" im Weg?
Ein denkbarer Grund wäre vielleicht: der Zauberantrieb ist enorm umweltschädlich, setzt vllt große Mengen Strahlung frei, würde die Umgebung verseuchen. Darum will man ihn in der Erdatmosphäre nicht benutzen; bei den Zielplaneten hingegen lässt man mal fünfe gerade sein. Denkbar wäre z.B. eine Open-Cycle Gas-Core NTR oder eine Nuclear Salt-Water Rocket (NSWR). Beide versprühen stark radioaktives Material in ihrem Abgasstrahl.
Auf einer
Infographik ist die Rede von "Chemical, Plasma" als Antrieb. Plasma würde sich immerhin mit Gas/Open NTR decken, nicht aber mit der NSWR.
Allein aufgrund seiner Form und Baugröße kann man erschließen, dass der Ranger nicht viel Treibstoff dabeihaben kann. Ich würde mal sagen, sehr großzügig geschätzt R=2, also 50% Treibstoffanteil (und auch das nur wenn ein dichter Treibstoff wie Kerosin verwendet würde; für Wasserstoff wäre viel viel weniger Platz).
Das bedeutet, um das zu leisten was im Film gezeigt wird, muss der Antrieb diese und jene Parameter (v.a. Leistung und Ausströmgeschwindigkeit) haben.
Außerdem: tanken die eigentlich zwischen den Planetenflügen nach? Wenn ja, aus welchen Reserven? Wenn nein, müssen die Triebwerke nochmal viel extremer sein, weil sie ja mit noch weniger anteiliger Stützmasse auskommen müssen. Ebenso, falls das Shuttle unter Antrieb landet statt Aerobraking zu nutzen.
Nehmen wir mal an, dem Shuttle steht für jeden Start 20% der Startmasse an Stützmasse zur Verfügung (R=1,25).
Um von einem Planeten mit 1,3 Erd-G und erdähnlicher Atmosphöre wieder in eine stabile Umlaufbahn zu kommen, braucht man gut und gerne 11km/s delta-V.
Aus R und delta-V ergibt sich automatisch die benötigte Ausströmgeschwindigkeit V_e: ca. 50.000m/s.
Zum Vergleich: die besten chemischen Raketen erzielen knapp 4500m/s, also nichtmal 1/10 davon.
Selbst für eine todeswolkenversprühende Gas/Open NTR wären ca 30.000m/s das Höchste der Gefühle (in der Praxis eher deutlich weniger).
[Randfrage: Beherrscht man in dem Setting vielleicht schon die D-3He-Fusion? Die könnte uns hier unter Umständen weiterhelfen.]
Dann müsste man als nächstes noch die benötigte Leistung der Triebwerke berechnen -- was in absoluten Zahlen schwierig ist, solange wir die Masse des Shuttles nicht kennen. Aber es dürfte _mindestens_ 0,5GW pro Tonne notwendig sein, um die genannten Flugleistungen zu erzielen.
Auch hier wieder: wenn der Antrieb strahlt, braucht die Crew Strahlenschutz. Der müsste wiederum ziemlich massiv sein - und da beisst sich die Katze in den Schwanz, denn wenn durch die Abschirmung die Masse des Shuttles steigt, steigt auch wieder die benötigte Leistung und damit die Strahlung... you get the idea. Mal ganz abgesehen von der allgemeinen Abwärme von so starken Triebwerken in einer so kleinen Hülle.
Zusammenfassung:
Dieses dämliche Shuttle allein steckt bis zum Anschlag voller Plot Devices und Applied Phlebotinum. Wie man es dreht und wendet, wird entweder die naturwissenschaftliche / technische Plausibilität oder der komplette Plot ad absurdum geführt.
Wenn das Shuttle kann, was es im Film zeigt, benötigt man weder die Riesenrakete am Anfang noch den magischen Zauberantrieb des verrückten Professors, um "Plan A" zu realisieren.
Das allein ist so zentral und so tiefgreifend, dass allein deshalb das Prädikat "Hard SF" _meilenweit_ verfehlt wird. Lange bevor wir überhaupt dieses obskure Schwarze Loch mit seinen Eigenschaften oder gar den noch obskureren "Tesserakt" (der keiner ist) oder zeitreisende Göttermenschen oder oder oder näher betrachten müssen.
Nach allem, was ich bisher so gelesen habe, ist der Härtegrad von Interstellar eher so auf Futurama-Niveau.
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Begriffe: vielleicht hilft dir ja auch die
Mohs Scale of SciFi Hardness auf der
Site That Must Not Be Named weiter?