Ich hab irgendwie den Eindruck, du willst hier den Standpunkt vertreten, dass der Film zwar wissenschaftlich ungenau und inkonsitent ist, aber ansonsten recht gut. Das finde ich nicht.
Nein, ich vertrete den Standpunkt, dass es keine Filme gibt, die realistisch sind. In diesem Fall fällt es euch deutlicher auf, weil ihr euch mit der Materie beschäftigt habt und der Film generell zum Denken anregt. Vielleicht hat auch die ungünstige Marketingaussage Gegenwind provoziert, aber der Film ist schlichtweg keine Physikdoku sondern ein Blockbuster. Man kann gerne die Diskussion anregen, wie viel Realismus denn modernes Kino bieten sollte. Dann muss man meiner Meinung nach aber zuerst an ganz andere Filme ran.
In dieser Hinsicht finde ich die künstliche Zweiteilung in Popkornkino und Anspruchsfilme viel zu künstlich. Bei Transformers, Battleship oder Star Trek (der neue Film) kommt auch kaum einer auf die Idee den Realismus anzuzweifeln. Warum also bei Interstellar?
Das Hauptargument dagegen war dann, dass Interstellar explizit damit wirbt, dass er sehr genau recherchiert ist. Erstens habe ich davon bisher nichts gesehen, außer das die deutsche Presse sich mit ein paar durchschnittlich recherschierten Artikeln darauf gestürzt haben, dass ein Physiker als Berater fungierte. Das ist soweit zwar löblich aber nichts besonderes. Fast jeder Film, der was auf sich hält informiert sich bei Fachkundigen oder beschäftigt explizit Consultants. Vielleicht wollte der Wissenschaftler auch gerne sein Begleitbuch verkaufen und es wurde deswegen betont.
Muss man deswegen höhere Ansprüche an den Film stellen? Vielleicht. Ich persönlich denke nicht. Muss man den Film deswegen so beschimpfen als wäre er schlechter als Twilight. Mit Sicherheit nicht. Das gibt letztendlich ein verzerrtes Bild ab.
Denn der Film hat tatsächlich einem Menge zu bieten. Zunächst mal enthält er eine Geschichte mit zahlreichen Nebenplots, die weder trivial ist noch einem klassischem Schema folgt. Die Charaktere durchlaufen allesamt interessante Entwicklungen bzw. werden genutzt um verschiedene Themen im Detail zu präsentieren. Dadurch liefert der Film sowohl wissenschaftlich als auch menschlich zahlreiche Denkanstöße. Darüberhinaus hat der Film ein wirklich gutes Production-value und sieht klasse aus ohne überfrachtet zu sein. Er hat eine gute Mischung aus langsamen gefühlvollen Szenen, Spannung und Action. Er ist also schlichtweg ein spitzen Blockbuster.
Ist er damit auch ein guter SciFi-Film? Das hängt sicherlich sehr stark von der Messlatte ab. Im Kontext aktueller SciFi-Titel (letzten 10-20 Jahre) schwimmt er sicherlich im oberen Bereich mit. Im Kontext aller jemals gedrehten SciFi-Filme findet man vielleicht einige Filme, die einem deutlich besser gefallen. Im Kontext von SciFi allgemein bzw. persönlichen durch Rollenspiel und Hobby geprägten Maßstäben wird der Film mit Sicherheit bei einigen von euch völlig durchfallen (deutlich an den Posts zu erkennen). Ich befürchte allerdings, dass es für diese Leute auch schwer ist überhaupt SciFi Kinofilme zu schauen
ohne den Kopf auszuschalten, denn nur sehr wenige Filme setzen Authentizität so hoch an wie ihr. Und wenn sie das tun, dann haben sie oft andere schwächen. Perfektion ist eben kaum zu erreichen.
Wer also lieber Transformers und Co schauen möchte, weil er dann weiß, dass ihn Unsinn erwartet und er so nicht enttäuscht werden kann, möge das tun. Ich bin jedenfalls froh, dass es sowas wie Interstellar gibt, der mir zumindest einen gewissen Mehrwert gibt. Ich hätte zwar auch lieber mehr Authetizität aber ich ziehe Interstellar trotzdem reinem Popkornkino ohne jeglichen Anspruch vor.
Denn was bleibt dem Film denn?
Ich denke der Film hat eine Menge zu bieten. Ich könnte hier einfach deine Liste nehmen und komplett umdrehen aber das macht schlicht keinen Sinn. Wir haben da offensichtlich subjektiv einen anderen Geschmack. Ich fand Handlung, Charaktere usw. überdurchschnittlich gut und kann deine Ausführungen nicht nachvollziehen. Als Fan von Mystery hatte ich mit dem Ende auch kein Problem auch wenn es ein bischen "Too Much" war. Ich denke da werden wir auf keinen gemeinsamen Nenner kommen. Ist gibt ja immerhin auch Leute die Star Wars oder Herr der Ringe nicht mögen. Die muss man auch bei ihrer Meinung belassen.
Weil sie am Anfang sagen: "Wir können so nicht ins Weltall fliegen!" Und dann fliegen sie halt trotzdem so.
Ja, die Kritik ist durchaus verstanden. Du hast damit auch recht. Ich finde allerdings nicht, dass es den restlichen Film derart entwertet, dass man ihn so sehr in den dreck treten muss, wie das manche hier tun. Man könnte sich auch Fragen, warum Luke denn in Star Wars IV durch einen Kanal fliegen muss, wenn das Loch offensichtlich 90 Grad nach unten zeigt oder warum man einen Krieg im Stil des ersten Weltkriegs führt wenn man Strahlenwaffen hat. Oder aber warum stattet man nicht die Druiden mit Projektilwaffen aus, wenn man weiß, dass Jedis Laser umlenken können usw. Man kann ganze Kino Legenden auf diese Weise ausradieren, wenn man das tatsächlich will. In fast jeder Szene befinden sich Logiklöcher. Da du absoluter SciFi Fan bist trifft dich dieses Loch bei Interstellar sicherlich härter. Dennoch ist der Film nicht absoluter Dreck. Ich kritisiere also nicht die Kritik an sich, sondern die Wortwahl mancher Poster. Ich fänd es viel interessanter darüber zu reden, wie Nolan es denn hätte besser machen können.