Ich finde das Thema eigentlich zu interessant um es auf Gewalt vs. Keine Gewalt zu reduzieren.
Das Thema ist doch "Tod und Vernichtung". Es geht also doch eigentlich um mehr.
In Fiktion (auch Rollenspiel) kann Gewalt doch genau auf 4 Arten vorkommen:
1.) Bagatellisierte Gewalt (Ducktales, Narnia-Filme - es findet unrealistischerweise keine Gewalt statt oder Gewaltfolgen werden ausgeblendet)
2.) Kampf als bestandene Herausforderung (Gegner werden stilisiert als Monster, Kampf wird auf taktisches Spiel reduziert, Gewaltfolgen werden nicht thematisiert)
3.) Realistische Gewalt (Gewalt und Gewaltfolgen werden realitätsnah thematisiert und nicht ausschließlich positiv belegt, Gewalt als Hauptthema)
4.) Vermeidung von Gewalt (Hier werden alternativen wie Stealth, Verhandlung usw. bewusst angeboten, dennoch ist Gewalt möglich)
Soweit ich den OP verstanden habe kritisiert er Kampf als Herausforderung (2), wo Gegner Vernichtet und XP kassiert werden, und möchte dies durch Bagatellisierte Gewalt (1) bzw. unrealistisch vermeidene Gewalt ersetzen. Mal ganz davon abgesehen, dass die Reduzierung von Gegner auf Monster bzw. minderwertige Wesen schon immer was rassistisches hatte und ein überbleibsel aus der Kolonialisierung ist bzw. aus dem Wild West Genre, denke ich dass Kampf als Herausforderung dennoch nicht aus dem RPG wegzudenken ist.
Was allerdings wichtig ist, ist das man sich der Künstlichkeit der Gewalt bewusst wird. Denn weder Chip und Chap noch D&D-mäßige Gewalt sind realistisch. Und wenn man sich einmal überlegt dass der weg in die Wildnis in der man gegen die Monster kämpft, reale Vorbilder hat (z. B. der Völkermord an den Indianern), dann ist das ganze schon ein wenig seltsam, dass man es als Unterhaltungsspiel nutzt. Andererseits übt Taktik und Strategie, Waffentechnik usw. immer schon eine Grundfaszination aus. Man sollte sich allerdings im klaren darüber sein, dass Monster bashen kein Konzept ist, dass man auf die Realität übertragen kann. Krieg ist in jedem Fall mist und birgt Leid. Egal wer gewinnt.
Ich habe mich in letzter Zeit immer dafür eingesetzt, dass es im Rollenspiel mehr realistisch thematiserte Gewalt gibt und damit verbunden Vermeidung von Gewalt. Ich finde es immer noch erbärmlich, dass es kaum Rollenspiele gibt die Stealth, Verhandlungen, Bauen/Konstruieren, Recherchieren und Analysieren einen gleichwertigen Platz im Regelwerk einräumen. Selbst Systeme, die von der Corestory überhaupt keinen Kampffokus haben, besitzen ein ausgewisenes detailliertes Kampfsystem und vernachlässigen die wichtigen Subsysteme. Ich denke, dass Spielkonzepte wie bei Deus Ex, wo es viele alternative Wege gibt, auch im P&P RPG einzug erhalten sollten.
Natürlich spielen viele Runden bereits so, wie ich es gerade fordere: Einfache Gegner werden verschont oder gefangen genommen, alternative Wege genommen und geschlichen, verhandelt oder Dinge werden geschaffen und nicht zerstört. Die Spielsysteme spiegeln das aber nicht wieder bzw. verhindern es sogar explizit. Ein System mit LE oder HP suggeriert quasi immer Kampfende durch Tod/Vernichtung der Gegner. Flucht der Gegner oder Aufgabe ist nicht Systembestandteil obwohl alles andere oft unrealisitsch ist. Strafverfolgung findet oft nicht statt und selbst die Spieler lassen ihre SCs lieber in den Tod rennen als aufzugeben oder zu fliehen, weil die Systeme es zum Teil garnicht vorsehen. Kampfziele ist hier ein wichtiges Stichwort. Warum kämpft man eigentlich: Um eine Person zu schützen, einen Ort zu erreichen, eine Position zu verteidigen usw. aber eigentlich nie weil alle anderen Tod sein müssen. Warum wird es dann trotzdem in der Regel so gespielt?