Hallo zusammen,
um ein gewaltfreieres Rollenspiel zu bekommen müsste man einen Regelsatz für die Alternativen haben der genau so verlässlich wäre wie die Kampfregeln bei den meisten Systemen sind.
Denn im Gegensatz zur Anwendung eines Skills hat auch der Spielleiter bei einem klassischen Kampfsystem feste Vorgaben. Zudem, wie schon angesprochen, gibt es feste Möglichkeiten die man dann auch verlässlich nutzen kann. Schon bei den meistens ja auch recht streng geregelten Themen wie Magie oder Hacking kann der Spielleiter diese mit antimagischen Feldern oder Gegnern die eben keine Cyberware oder kein Hacking nutzen aus dem Spiel nehmen. Die Anwendung von Gewalt kann ich erschweren aber als Spielleiter nur mit sehr radikalen Methoden ausschalten.
Ich würde mal sagen: Die Gründe, warum Kampf in den meisten Rollenspielen so stark verregelt ist, sind zweierlei. Zum einen hat es, wie ich schon gesagt habe, mit der Historie des Rollenspiels zu tun. Das Ur-D&D war nicht viel mehr als eine Erweiterung des
skirmish wargame (d. h., Wargame, in dem man einzelne Kämpfer spielt) Chainmail. Der zweite - und wichtigere - Grund ist, dass es im Kampf um
Leben und Tod der Charaktere geht, da will man feste, verlässliche Regeln haben, damit ein Fairplay überhaupt möglich ist. Das geht nicht "Pi mal Daumen", weil das leicht als Willkür ausgelegt werden könnte. Die meisten anderen Situationen lassen sich anhand von Vergleichsbeispielen aus der Erfahrungswelt (z. B. "Wie schnell kann man auf einer Leiter steigen?") mit dem gesunden Menschenverstand regeln (Prinzip
Reality Check). Deshalb sind dann auch Dinge wie Magie, Psi-Kräfte, Cyberware und dergleichen gesondert verregelt, weil hier der Reality Check nicht greift, sondern mehr oder weniger willkürliche Setzungen von seiten der Spielwelt bestehen.
In der Konsequenz würde ich mal sagen, dass nicht kampforientiertes Rollenspiel mehr
Kreativität und Rückgriffe auf den gesunden Menschenverstand verlangt, und zwar sowohl von seiten des Spielleiters als auch der Spieler.
Hinzu kommt das ausgeschaltete und geflohene Gegner bei einem taktischen Spielleiter schon Mal eine ernsthafte Bedrohung werden können. Beim nächsten Mal ist der Oberbösewicht besser vorbereitet oder der entkommene Kobold hat eben die Goblins gewarnt, die das an die Orks weitergegeben haben, die wiederum die Oger über das Essen informiert haben, die dann die Trolle über den Spaß informiert haben, deren Verhalten viel den Dunkelelfen auf, die den bösen Obermagier informierten, der seinen Herrn einen roten Drachen informierte der dann wiederum seine dunklen und tentakligen Götter informierte. Da ist es doch ganz logisch das sie alle im 3 Raum des Megadungeons auf die Gruppe 1. Stufe warten.
Das stimmt auch wiederum. Zweifellos ist nicht jedes Setting für gewaltarmes Rollenspiel geeignet. Am besten eignen sich
zivilisierte Settings, wo es eine öffentliche Ordnungsmacht gibt, die wenigstens einigermaßen für Gerechtigkeit sorgt, so dass man die Bösewichte gefangennehmen und den "zuständigen Behörden" übergeben kann, statt sie abzumurksen. Oder zumindest die Behörden auf ein Problem aufmerksam machen, indem man ihnen Beweise präsentiert. Wenn man die Gegner ungeschoren laufen lässt, schafft man sich das nächste Problem, das sehe ich ein.
Mir hat das bei Frostzone schon Mal Sorgen bereitet. Meine Hackerin hatte die Cyberware eines Gangers soweit unter Kontrolle das er sie eigentlich nicht mehr treffen konnte und war selbst schlecht genug in ihren Kampfwerten um kaum Schaden machen zu können. Ich habe ihn laufen lassen hatte aber die Sorge das diese Entscheidung wie ein Bumerang zurück kommen würde.
Zudem führt ein alternatives Vorgehen auch einen erhöhten Aufwand beim Entwurf von Abenteuern.Pläne braucht man auch für eine Lösung mit Gewalt. Aber für einen ordentlichen Plan bräuchte man auch das genaue Vorgehen der Wache, also etwa Wege der Wachen, was die Wache im einzelnen prüft und wie sie auf einen Verdacht reagiert.Man bräuchte Angaben zu den Sicherheitssystemen aller Türen und Fenster und auch sichere Wege oder eine Möglichkeit sie auszuschalten für eventuelle Bewegungsmelder oder Sicherheitskameras.
Man würde eventuell auch mehr ausgearbeitete NPCs benötigen um eine soziale Lösung zu ermöglichen. Es reichen eben nicht mehr die Kampfwerte sondern man müsste Anhaltspunkte dafür haben womit man die Personen beeinflussen könnte und ob man eventuell an ihre Überzeugungen appellieren könnte.
Wenn ich daran denke das auf den Plänen für das kommerziellen Shadowrun Abenteuer, das wir zuletzt gespielt haben, noch nicht Mal Angaben zu den, durchaus wichtigen, Aufzügen, zu entnehmen waren sehe ich da ein Problem.
Zweifellos muss man ein gewaltfrei und kreativ zu lösendes Abenteuer besser vorbereiten als einen Hack-&-Slay-Dungeon, und viele Abenteuer lassen sich nicht oder nur schwer entsprechend umschreiben. Wenn die SCs ein Sicherheitssystem auf raffinierte Weise austricksen sollen, dann muss dieses System auch detailliert ausgearbeitet sein, das ist klar. Das ist nicht nötig, wenn sie ganz einfach das ganze Gebäude mit einer Lkw-Ladung TNT in die Luft jagen
Auch für die NSCs braucht man mehr als nur Kampfwerte, da braucht man richtig ausgearbeitete Charaktere. Das sehe ich ein, dass der Aufwand größer ist, das meine ich ja unter anderem mit "Kreativität seitens des SLs". Aber lohnt denn dieser Aufwand nicht, wenn man dafür mit einem Spiel belohnt wird, in dem sich mehr ereignet als Würfel- und Abstreichorgien? Natürlich ist das alles "Perlen vor die Säue", wenn die Spieler nur metzeln wollen. Es müssen eben die Spieler
bereit sein, sich auf kreatives, gewaltarmes Rollenspiel einzulassen.