Dies sind die Aufzeichnungen von Lorath "Ochsenpeitscher" aus dem achtzehnten Jahr seines Dienstes für Oghma, den Herrn allen Wissens.
Kapitel 2:
Nachdem wir den stinkenden Goblinhöhlen entstiegen waren, zog es mich mächtig zurück in eine zivilisiertere Umgebung. Allerdings sollten wir nicht in Phandalin ankommen, ohne zuvor eine gehörige Überraschung zu erleben. Denn aus einem der Fässer aus dem Besitz der Löwenschild-Handelsgesellschaft, die wir in den Höhlen gefunden hatten, entstieg unversehens ein dunkel gekleideter Halbling, der sich uns als
Garreth vorstellte. Er erzählte, dass er vor einigen Tagen im Begriff gewesen sei, etwas aus jenem Fasse zu stehlen, als die Goblins angegriffen hätten, und er sei so unvermittelt in eine prekäre Lage geraten, aus der wir ihn nun befreit hätten.
Trotz seiner diebischen Natur und obwohl er nicht den Mut aufgebracht hatte, uns im Kampf gegen die Goblins beizustehen, entschlossen wir uns, ihn nach Phandalin zurück zu geleiten und ihn auch dort unter unseren Schutz zu stellen, da er wohl befürchtete, von einer örtlichen Gaunerbande bedroht zu werden, die als "
Rotbrenner" bekannt waren und unter der Führung eines Mannes, der "
Glasstab" genannt wurde, die Minenarbeiter Phandalins regelrecht terrorisierten. Garreth bedankte sich dafür mit der Einladung, dass wir sicherlich im Heuschober auf dem Bauernhof seiner lieben Tante übernachten könnten, wenn wir das Geld für ein Tavernenzimmer sparen wollten.
Garreth erzählte uns weiter, dass der Bürgermeister Phandalins,
Harbin Weber, ein älterer, sehr wohlgenährter Mann, durch die Gunst der Rotbrenner zu seinem Amt gekommen sei und nicht die Absicht habe, etwas gegen die Schutzgelderpressungen zu unternehmen, unter denen die Einwohner Phandalins zu leiden hatten. Er erzählte weiter von
Halia Thornton, einer geschäftstüchtigen Frau, die eine Handelsbörse in Phandalin unterhielt und sich offenbar mächtig über die Belästigungen durch die Rotbrenner ärgerte.
Unter unseren angeregten Gesprächen - und im sanften Rhythmus der wechselseitigen Schnachgeräusche von Sildar und Amber - verflogen die Stunden unserer Reise regelrecht, und gegen Abend kamen wir bei einsetzendem Regen in Phandalin an, das durch seine vielen leerstehenden und verfallenen Häuser einen so heruntergekommenen wie altehrwürdigen Eindruck auf mich machte. Dennoch waren viele Menschen unterwegs, das Städchen schien trotz des ersten Anscheins recht belebt zu sein.
Da wir uns von Norden her über den Triboar-Pfad genähert hatten, kamen wir direkt bei
Barthens Handelsposten an, wo wir unsere Ware entluden, während Sildar und Amber unverzüglich das
Stonehill Inn aufsuchten. Der gute Barthen war offenkundig sehr bestürzt über die Entführung seines guten Freundes Grundran, und nachdem er jedem von uns (selbst Garreth) unsere
10 Goldmünzen ausbezahlt hatte, versprach er, uns mit Proviant für die Suche nach Gundran versorgen zu wollen. Er verwies uns darüber hinaus an
Darren Edermath, einen alten Abenteurer, der uns vielleicht weiterhelfen könne.
Zudem erzählte er uns, dass
Tharden und
Nundro Rockseeker, die Brüder Gundrans, vor 10 Tagen aufgebrochen seien, um die Gegend zu erkunden. Er erwartete sie in den nächsten Tagen zurück, da ihr Proviant wohl für diese Zeit ausgelegt war.
Unsere nächste Station war die Löwenschild-Handelsgesellschaft, wo uns eine nette Dame names
Linen Grauwind so überrascht wie erfreut die vermisste Ware abnahm und uns mit
50 Goldmünzen für unsere Mühen entschädigte. Da auch ihr Unternehmen unter den Rotbrennern zu leiden hatte, prüfte Garreth, ob die Handelsgesellschaft bereit wäre, für die Beseitigung der Rotbrenner etwas zu bezahlen, worauf Linen jedoch nicht einging. Allerdings bot sie uns an, uns Rüstungen zu verkaufen, und
Halwns Blick fiel sofort auf einen prächtigen Brustpanzer, den er sich jedoch noch nicht leisten konnte. Also machten wir uns auf in die Taverne, während Halwn darüber grübelte, wie er am schnellsten an 400 Goldmünzen käme.
Das
Stonhill Inn machte einen guten Eindruck und schien von braven Leuten geführt zu werden:
Toblen Steinhügel, ein Mensch um die 40, bewirtete an diesem Abend ein volles Haus, unterstützt von seiner Frau
Trilenna, die laut Garreth eine gute Küche führte. Ihr Sohn
Pip saß schnitzend am Feuer, während eine junge Frau namens
Elsa schwungvoll die Gäste bediente.
Wir setzten uns zu Sildar und Amber, die uns bereits erwarteten, und bestellten Wein, Bier und Gulasch.
Es tat gut, nach dem Regen und den Strapazen der Reise die Wärme des Kaminfeuers zu spüren und dem Lachen und Tratschen einfacher Menschen zu lauschen. Auch
Sildar bekam nach seinen Entbehrungen langsam wieder etwas Farbe im Gesicht. Dankbar versprach er uns für seine Rettung
50 Goldmünzen, bat uns jedoch, ihm ein paar Tage Zeit dafür zu lassen.
Wir verbrachten einen anregenden Abend und schnappten noch einiges auf, was in Phandalin zu dieser Zeit vorging:
- Einige Minenarbeiter unterhielten sich darüber, dass der Bürgermeister Leute suche, um das "Wyverntor" von Orks zu befreien. Die Belohnung schien weitaus lohnender als ihr normaler Verdienst zu sein, dennoch konnte ich mir nicht vorstellen, dass diese Minenarbeiter eine Waffe nehmen und gegen Orks kämpfen würden.
- Andere tuschelten darüber, dass Telendra, ein Holzschnitzer, in seinem Laden von Rotbrennern umgebracht worden sei. Seine Frau, sein Sohn und seine Tochter seien seither verschwunden.
- Schließlich erzählte uns der kleine Pip, dass Karp, der Vetter von Garreth, vor kurzem einen geheimen Gang ins Trensdar Manor gefunden habe, ein verfallenes Anwesen auf einem Hügel östlich der Stadt, das Gerüchten zufolge den Rotbrennern als Hauptquartier diene.
Wir verließen spät am Abend gemeinsam die Taverne und die anderen machten sich auf zur
Alderleaf Farm, um Garreths Tante um das versprochene Nachtlager zu bitten. Ich dagegen blieb noch etwas am
Tymora-Schrein, um nach den Ereignissen der letzten Tage mein Abendgebet an Oghma zu verrichten, nicht ohne meinen tiefen Dank auszudrücken für eine überstandene Reise und die Erkenntnis neuer Mysterien, die sie mit sich gebracht hatte. So ermöglichten mir einige Schwefelablagerungen, auf die ich in den finsteren Goblinhöhlen gestoßen war, endlich einen Durchbruch im Verständnis gewisser Feuerzauber, und die Art und Weise, wie der Anführer der Goblins einige gutturale Laute in seinen Dialekt verwoben hatte, halfen mir bei der endgültigen Fassung eines Zaubers, mit dem ich hoffe, das Gewebe der Sprache selbst entwirren zu können.
Ich bin gespannt, welche neuen und faszinierenden Einblicke mir dieser Zauber in Zukunft gewähren wird.
Nachdem ich mein Gebet beendet hatte, begrüßte mich
Schwester Garaele, die, wie ich bereits vermutet hatte, ebenfalls zur späten Abendstunde den Schrein aufzusuchen pflegte. Ich freute mich, in ihr eine -wenn auch sehr junge- Verwandte nicht nur im Volk, sondern auch im Geiste zu finden, denn auf ihre Unterstützung hatte man mich in Neverwinter verwiesen. Ich erzählte ihr von dem entweihten Schrein Oghmas auf Cragmaw Castle und sie schien mir in dieser Angelegenheit gewogen zu sein, war aber selbst von einer Aufgabe belastet, die ihr durch ihren Orden auferlegt worden war:
- In der alten, verfallenen Siedlung Conyberry hatte sich eine alte Banshee niedergelassen. Ihr sollte Schwester Garaele eine einzige Frage stellen, und zwar die Frage nach dem Verbleib des Zauberbuches des Magiers "Bowgentle".
Schwester Garaele war mit dieser Aufgabe offenbar überfordert, da sie, alleine und auf sich gestellt, auf ihrer Reise nach Conyberry von Goblins überfallen worden war und nur mit Tymoras glückhafter Hand entkommen und verletzt nach Phandalin hatte zurückkehren können. Ich sagte ihr daraufhin zu, dass wir ihr vielleicht helfen könnten, allerdings betonte ich die Dringlichkeit der Rettung Gundrans. Es war mir allerdings schwergefallen, mir nicht anmerken zu lassen, wie ungeheuer mich die Vorstellung packte, das Zauberbuch eines Magiers wie Bowgentle in die Finger zu bekommen. Welch gewaltigen Geheimnisse mochten dort verborgen sein!
Nachdem ich mich von Schwester Garaele verabschiedet hatte, machte ich mich auf den Weg zur Alderleaf Farm. Doch mein Plan, mich endlich zur Ruhe zu legen, sollte noch lange nicht aufgehen.
Am Haus des Bürgermeisters fiel mir ein Anschlag auf, der tatsächlich auf eine Belohnung für die Beseitigung der Orks am Wyvernwor hinwies. Als ich gerade in finsterster Nacht den Zettel überflog, vernahm ich Stimmen in einer kleinen Seitengasse etwas weiter die Straße entlang. Offenbar wurde ein Minenarbeiter von drei Rotbrennern belästigt und verprügelt, weil er sein Schutzgeld nicht zahlen konnte.
Was in diesem Augenblicke über mich kam, vermag ich nicht zu erklären. Vielleicht waren es die vielen Entbehrungen und Todesgefahren der letzten Tage, vielleicht ferne Erinnerungen an die Eldedar-Schule, die damals, noch bevor ich meine Graduierung erreicht hatte, geschlossen werden musste, weil sich der Magister Prior öffentlich gegen eine skrupellose Verbrechergilde ausgesprochen und man ihn kurz darauf ermordet aufgefunden hatte.
Was auch immer die Gründe gewesen sein mögen, ich schritt jedenfalls zornentbrannt in die Gasse und drohte den Banditen mit donnernder Stimme, ich würde die
Macht der Ochsen auf sie loslassen, wenn sich nicht auf der Stelle fliehen würden. Denn tief berührt hatte mich drei Tage zuvor die unbändige Gewalt dieser sonst so friedfertigen Kreaturen, mit welcher jene Goblins zermalmt, zertrampelt, und über die Hörner der Ochsen gen Himmel geworfen wurden, eine Gewalt, die sich tief in meinen Geist eingedrückt hatte, als auf jenem Ochsenkarren für einen kurzen Moment das Leben aus mir gewichen war.
Die Rotbrenner dagegen blieben wenig beeindruckt von dem Geschrei eines dürren Bücherwurms, aber ich wollte sie schon lehren, was es heißt, sich "Rotbrenner" zu nennen. Als die drei auf mich losgingen, entfuhr meinen ausgestreckten Fingern ein wahrer Feuersturm, dessen verzehrende Hitze selbst mich für einen kurzen Moment überraschte. Nicht nur schien der Zauber durch den feuchten Schwefelgeruch, den ich inzwischen verinnerlicht hatte, intensiver zu wirken, ich konnte sogar den Feuerfächer um den armen, zusammengekaurten Minenarbeiter herum lodern lassen, ohne dass dieser irgendeinen Schaden davontrug, während die Rotbrenner vor Schmerz aufheulten.
Dennoch hatte ich zähe Burschen vor mir, die sicher nicht nur einmal in ihrem Leben Blut vergossen hatten. Einer der Kerle floh zwar in seiner Angst, doch die anderen beiden wollten es unbedingt wissen und starben in ihrem wütenden Ansturm durch die zweite Welle meiner gnadenlosen Flammen.
In der darauffolgenden Stille war mir zunächst nicht ganz bewusst, was geschehen war, doch rauschte mir regelrecht das Blut in den Ohren. Erst die sich ständig wiederholenden Dankesworte des Minenarbeiters und die Rufe Halwns, der den Feuerschein wahrgenommen hatte und vom nahen Bauernhof herbeigeeilt war, brachten mich wieder zu vollem Bewusstsein. Was getan war, war getan. Zwei Banditen hatten sich allen Warnungen widersetzt und waren in Notwehr getötet worden, so wie es sein sollte. Nun sollte die Bevölkerung dieses angstdurchsetzten Fleckens endlich aufwachen und erkennen, wie sie mit derlei Gesindel umzugehen hatte. Also schleppten Halwn und ich die Leichen der beiden Banditen auf den Marktplatz, um ein deutliches Zeichen zu setzen, für die Rotbrenner, aber auch für die ehrlichen Bürger Phandalins. Gegen eine solche Tyrannei, wie sie die Rotbrenner ausübten, sollte sich jeder freie Mensch zu allen Zeiten und mit allen Kräften wehren.
Leider sah das der gerettete Minenarbeiter nicht so, der sich auch nicht von der Sinnlosigkeit seiner Buddelei abbringen lassen wollte, aber er versprach, sich bei mir für seine Rettung mit einem Festmahl bedanken zu wollen, wenn sein Claim ihm dereinst den erhofften Reichtum bescheren sollte.
Und offenbar war er mit seiner Feigheit nicht alleine, denn als wir uns am nächsten Tag zu Halia aufmachten (die Nacht hatten wir ruhig im Heuschober des Hofes verbracht), stießen wir auf dem Marktplatz auf eine aufgeregte und ängstliche Menschenmenge rund um den Bürgermeister und vor allem auf die vier Leichen von einigen Bauern und Arbeitern, während von den Leichen der Rotbrenner jede Spur fehlte. Doch nicht einmal diese Gräueltat reichte aus, um die Bevölkerung zum Handeln zu bringen, obwohl Halwn und ich versuchten, diesen Menschen die Unvernunft ihrer Feigheit mit klaren Worten zu verdeutlichen. Die Rotbrenner, deren Späher an diesem Morgen den Platz heimlich im Blick behielten, hatten diese feige Schafsherde offenbar fest im Griff.
Schnell waren dagegen Halwn, ich, Garreth und Amber uns einig, dass wir unverzüglich versuchen sollten, diesem Wahnsinn ein Ende zu bereiten, indem wir den geheimen Gang nutzten, um uns in das Hauptquartier der Rotbrenner zu schleichen und dort einmal ordentlich aufzuräumen.
Dass uns
Darran Edermath erzählte, die Rotbrenner würden einen Goblinsklaven in ihrem Hauptquartier gefangen halten, kam uns dabei ebenso gelegen wie die
100 Goldmünzen, die uns Halia Thornton bot für den Kopf des Rotbrenner-Anführers "
Glasstab".
[gelöscht durch Administrator]