In meiner Stammgruppe findet man auch vieles von dem, was hier bereits wiedergegeben wurde. Dabei lassen sich bei jedem Spiel relativ feste Rollenmuster festhalten; zum einen, was eine Präferenz an Klassen und Völkern angeht, zum anderen, was gewisse Charakterzüge im Allgemeinen angeht. Häufig sind diese Charakterzüge in der Person sicherlich vergraben, tritt aber nur beim Rollenspiel in der Stärke in den Vordergrund.
Unsere Stammgruppe besteht aus fünf Spieler, und wenn ich sie ziemlich kurz charakterisieren sollte, würde ich das wie folgt versuchen (sie werden mir in Teilen sicher widersprechen und die Kürze wird einige Sachen und Nuancen aussparen):Spieler 1: Alle Charaktere müssen irgendwie mit den Schatten verbunden sein, einen hohen Heimlichkeitswert haben und zwielichtig sein. Am häufigsten sind sie Schurken oder im Idealfall Assassinen; das Thema der Loyalität und Dienstbarkeit spielt eine hohe Rolle; dabei ist der Spieler gerne Befehlsempfänger. Die Charaktere handeln häufig moralisch fragwürdig und neigen dazu, ein Stück weit die Fassung zu verlieren und zu übertreiben, wenn sie jemanden in der Hand haben, der sich nicht wehren kann. Sagen wir, ingame hätte er durchaus Spaß daran, Ramsey Snow/Bolton zu sein. Die meisten Mitspieler und Spielleiter halten das jedoch in sehr eng gesteckten Grenzen. Hat eine Schwäche für alle Völker, in denen das Wort Schatten oder Dunkel drin vorkommt, auf den Realms kommen also nur Drow oder Halbdrow in Frage usw.
In modernen Settings geht das dann nahtlos in den Scharfschützen über (sodass auch noch bogenschießende Waldläufer zugelassen sind). Will auch ewig der Informationsmeister und Intrigenmeister der Gruppe sein, aber dies gelingt ihm seltener. Verrennt sich gerne in kleinen Details und verliert gerne die Übersicht.
Spieler 2: Der Glamour-Fighter-Spieler. Alle Charaktere sollten im Idealfall kämpfen können, und wenn es geht mit Schwertern, doch viel wichtiger als ihr Angriffsattribut und der kämpferische Aspekt, ist dass der Charismaaspekt sehr hoch ist. Dennoch hat der Spieler dabei keine Allüren, sowas wie ein dauernder Leader der Gruppe zu sein. Aber es soll schon etwas mit Schirm, Charme und Zweihänder sein. Hat zudem eine Schwäche für romantische Charaktere und Szenen, und kann sich auch mit Glitzervampiren (wenn er sie spielt und nicht der Pattinson-Guy) anfreunden. Mag es am liebsten, sich hinter dem Leader zu verstecken, aber immer wieder dann scharfe Spitzen gegen Gegner und Leader zu bringen. Neigt im Kampf zu relativ einfachen, möglichst verheerenden Angriffen. Gefühlt 98% der Charaktere sind Menschen, der Rest verteilt sich auf Gnome und Halblinge. In modernen Settings sind die Charaktere ähnlich, lehnen sich aber häufig an den russischen Kulturkreis an. Hat in den letzten Jahren zunehmend ein Interesse an Paladinen und Charakteren, die Schutzfunktionen innehaben, entwickelt.
Spieler 3: Der barbarische Anwalt. Wie kommt das zusammen? Der Spieler hat eine absolute Vorliebe für conan-esque Charaktere, möglichst breitschultrig, wütend, mit relativ kurzer Zündschnur; und das ist völlig unabhängig vom Volk oder auch von der Klasse. Wenn er irgendwas spielt, was nicht Barbar im Namen hat, bringt er ein wenig den Barbaren in den Charakter. Die Charaktere sind körperlich immer ausreichend stark und sehen dementsprechend aus, selbst Feen sind drei Meter breit und tragen eine Axt. Gleichzeitig senkt er aber ungern die Intelligenz zu niedrig, und irgendwie ist an diesem Mann ein Anwalt oder Richter verloren gegangen, denn er wechselt das barbarische, völlig wilde und zerstörerische Vorgehen regelmäßig mit den Winkelzügen eines Advokaten ab und das macht meist für ziemlich spannende Charaktere. Ist im Spiel im Regelfall der Leader, weil er als Spieler und Mensch eine gewisse (bis unheimlich starke) Ausstrahlung hat, ist zudem auch der eigentliche Intrigenmeister der Runde. Denkt immer in großen Bahnen und ist nicht für politisches Kleinklein zu haben, strebt immer nach Macht und politischen Großambitionen. Ist manchmal leicht zu erzürnen in Szenen durch seine Mitspieler.
Spieler 4: Der Herr-der-Ringe-Spieler. Letztendlich ist Tolkien sein Ideal und letztendlich ist jeder Charakter irgendwie an eine Figur aus Mittelerde angelegt, und so stellt er sich auch sein Spiel vor. Wenn er Spielleiter ist, sammeln die Spieler ein Artefakt, da nur mit diesem Artefakt dem Bösen beizukommen ist. Als Spieler sucht er vor allem Artefakte, um dem Bösen beizukommen, und erwartet auch, dass dies in der Runde vorkommt. Hat eine Schwäche für ehrwürdige Charaktere und gibt sich gerne als Freigeist und unabhängiger Berater. Sieht sich gerne als Leader (ist im realen Leben auch Offizier), ist meist jedoch nur zweiter Mann hinter dem Barbarenanwalt, und wird dann wieder freigeistig. Hat ein sehr festes Bild von Schwarz/Weiß in Fantasysettings und tut sich manchmal schwer mit den Graustufen. Spielt am liebsten Kleriker oder klerikerähnliche Typen, Zauberwirker im Allgemeinen, und ist eigentlich der Informationsmeister der Runde. Kann aber auch Brawler spielen, wenn er möchte und mengt immer mal wieder solche Charaktere dazwischen. Setzt den humoristischen Aspekt sehr hoch an im Spiel und bereichert die Runde damit. Am besten ist, wenn seine Spieler heilen; die Mitspieler und die Welt.
Spieler 5: Ich selbst habe ebenfalls eine Schwäche für kampfbasierte Charaktere, die jedoch unterschiedliche Rollen spielen können bis auf den reinen Haudrauf, denn den mag ich nicht. Meist spiele ich defensiv ausgerichtete Krieger (oder gar Tanks), die viele taktische Manöver und dergleichen (Trip, Disarm und was man nicht alles macht) einsetzen und mit einem überdurchschnittlichen Intellekt ausgestattet sind. Der eigentliche Archetyp meiner Person ist jedoch die Grummeligkeit oder gar Grimmigkeit am Spieltisch. Während ich eigentlich ein optimistischer, einigermaßen freundlicher und zurückhaltender Zeitgenosse bin, schaltet auch bei mir am Rollenspiel etwas um. Ich bin grundsätzlich in grimmiger (aber nicht unfreundlicher) Grundstimmung am Spieltisch und kann letztendlich keinen überzeugend, helllaunigen Charakter spielen, weshalb ich eine Schwäche für verhärmte und abgewrackte Charaktere entwickelt habe. Alles völlig gleich, ob ich einen Magier, einen Ingenieur, einen Raumschiffpiloten oder sonstwas spiele, sie sind meist grimmig und verhärmt. Meine Charaktere sind im Gegensatz zu mir extrem zielgerichtet in ihrem Vorgehen, hin und wieder versuche ich mich auch als Leader, kann selbst natürlich nicht einschätzen, wie erfolgreich ich darin bin. Zuletzt sind alle meine Charaktere Philosophen. Zwar sehr unterschiedlich, aber irgendwann sind sie dann doch immer Philosophen und Sinnieren über das Wesen der Welt und ihrer Umwelt.
Grundsätzlich schließe ich mich der Erkenntnis an, dass das Gros an Rollenspielcharakteren irgendwo zwischen Wunschvorstellung (durchaus auch negativer Art) und eigenen Persönlichkeitsmacken und -Eigenschaften angesiedelt ist. Die eigene Persönlichkeit stellt einen nicht zu lösenden Anker dar, weil wer kann sich etwas vorstellen, was er zur Gänze nicht ist? Da keine Extremposition erreicht werden kann, liegt einigen Spielern das Wandern zwischen diesen Punkten (Wunschvorstellung//Ego) wahrscheinlich einfach nur besser als anderen, die irgendwann (mal früher, mal später) glauben oder wissen, ihren Standpunkt zwischen diesen beiden unerreichbaren Extremen gefunden zu haben und nur noch in gewissen Abständen um diesen Punkt herumwandern, was ich für durchaus legitim halte.
Das alles ist ganz sicher unberührt von der eigentlichen Fähigkeit, diese Rolle wirklich darstellen zu können. Das steht auf einem anderen Blatt.
Ich kann also auch bestätigen, dass viele Spieler sich auf gewisse Charaktere, Charakterzüge, Völker, Klassen oder Nippes einschießen und es gerne bei und um sich herum führen. Wenn es für alle verträglich und nicht stark spielstörend ist, ist das sicher auch erträglich und der Rest meist verhandelbar.