Etwas schade finde ich ja die fehlende Verknüpfung zwischen den einzelnen Hintergründen - warum wird denn kein ständiger mashup mit Magiern, Vampiren und Werwölfen, die sich gegenseitig mächtig auf die Rübe geben zelebriert? Oder will das Spiel eher eine ganz andere Spielerfahrung vermitteln, etwa mächtiges "Monster" in einer Welt voller zerbrechlicher Menschen? Kann man mit den Systemen auch mal einfach ein bisschen NPCs und andere Monster aufmischen, gibt es da vielleicht sogar einen spannenden "Gegnerkatalog", oder ist das eher nicht vorgesehen?
In der oWoD waren die verschiedenen Monsterrassen ja tatsächlich als verschiedene Spiele angelegt, die zwar in derselben Welt spielten und dieselben Regelmechanismen verwendeten, aber ansonsten als Standalones konzipiert waren.
Jede Art von Monster hatte einen eigenen Hintergrund, eine eigene Kultur, eigene Probleme, Konflikte, Weltsichten, Fraktionen, Gegner, und Themen, die das Spiel extrem beherrschten. Außerdem waren sich verschiedene Monsterrassen üblicherweise untereinander nicht grün, weswegen man sich idealerweise aus dem Weg ging.
Als Beispiel: Bei den oWoD-Werwölfen dreht sich viel um eine Geisterwelt, die ein spirituelles Abbild der Realität ist. Diese ist beherrscht von den drei Kräften Schöpfung, Ordnung und Zerstörung. Durch Umweltverschmutzung und Technologisierung (es sind die frühen 90erjahre) sind die drei Kräfte aus dem Gleichgewicht geraten, die Ordnung läuft amok und die Zerstörung nimmt mehr als ihr zusteht und wird an vielen Stellen zur Korruption, die ganze Welt steuert in absehbarer Zeit auf DIE Apokalypse zu.
Die Werwölfe hatten eigentlich den Job, das Gleichgewicht zu erhalten und haben es verbockt. Jetzt versuchen sie verzweifelt, Dinge wie giftige Abwässer und das Ersetzen von Grünflächen durch Parkplätze in der Realität zu verhindern (weil das in der örtlichen Geisterwelt das Gleichgewicht weiter stört) und gleichzeitig in der Geisterwelt (die sie körperlich betreten können) Geister der Ordnung und Korruption kleinzuhalten, die spirituell die Menschen in der Umgebung beeinflussen.
Das Ganze wird dadurch erschwert, dass Agenten der Gegenseite hart am Voranschreiten der Apokalypse arbeiten (und gerade gewinnen), dadurch dass zig verschiedene verbohrte Fraktionen von Werwölfen andere Ansichten darüber haben, wie man die Welt am besten rettet und wem diese Ehre überhaupt zustehen sollte, dadurch, dass Menschen und andere Fraktionen es nicht lustig finden, wenn Umweltterroristen das neue Einkaufszentrum abfackeln und dadurch, dass Werwölfe am allerbesten durchdrehen und Dinge zerlegen können, wenn viel effektiver wäre, die Menschheit irgendwie zum Umdenken zu bekommmen.
Vampire sind abhängig von Blut und unsterblich. Wegen ersterem müssen sie regelmäßigen Zugang zu menschlichen Opfern haben, weswegen sie dazu neigen, sich in Städten einzunisten (weil es da viele Menschen gibt) und sich dort eine Position zu suchen, in der sie leicht und zuverlässig an Opfer kommen können. Weil es zuviele Vampire gibt, sind diese Territorien aber immer von Konkurrenz bedroht. Letzteres führt dazu, dass man als junger Vampir der kleinste Fisch in einem Teich voller Monster ist, die den ganzen Mist schon seit Jahrhunderten oder Jahrtausenden machen und über abartige Kräfte verfügen, die nichtmal im Regelwerk stehen. Und weil man die Unsterblichkeit nicht aufgeben will, meidet man direkte Kämpfe und versucht, seine Konkurrenten durch Intrigen, Manipulation, Einfluss, Erpressung und ähnliches auszuschalten oder, besser noch, zu benutzen.
Vampire sind ständig damit beschäftigt, ihre Stellung zu sichern und auszubauen und wann immer möglich, anderen Vampiren eins reinzuwürgen.
Vampire werden durch ihre bloße Existenz als untote Parasiten von Werwölfen als Agenten der Zerstörung wahrgenommen, nicht nur weltanschaulich, sondern ganz objektiv, indem die entsprechenden "detect evil"-Kräfte anspringen. Vampire sind paranoid und wissen, dass Werwölfe jederzeit durchdrehen können und sich dann in eine muskelstrotzende Killermaschine verwandeln, die besonderen Schaden gegen Vampire macht, auch hier ganz objektiv von den Regeln/Gegebenheiten her.
Auch wenn beide es schaffen, sich irgendwie so zu arrangieren, dass sie vernünftig miteinander reden können, ist das noch weit davon entfernt, dass sie sich vertrauen oder gar anfreunden. Und dann kommen sie immer noch aus völlig verschiedenen Welten und müssten ihre Ziele und Motive irgendwie zusammenlegen. Selbst in dem Fall gibt es Hindernisse wie z.B. dass der Werwolf die halbe Zeit in einer Geisterwelt verbringt, von der der Vampir nichts weiß, die er nicht allein betreten kann und in der er relativ hilflos ist und außerdem böse Schwingungen aussendet.
Die ganzen Hintergründe hatten solche Konflikte, z.B. ist das Blut so ziemlich aller übernatürlicher Wesen attraktiv für Vampire und oft wirken die übernatürlichen Eigenschaften des einen Monsters auf die anderen irgendwie radioaktiv. Crossover waren daher von anfang an ein großes Bäh-Bäh in der WoD und in der oWoD waren die Regeln verschiedener Viecher auch nicht so 100% kompatibel oder gebalanced.
Natürlich war dieser Zustand sowohl für die ganzen Powergamer und die ganzen Teenie-Rebellen in der Spielerschaft ein Riesenanreiz, eben doch zu crossovern. Auch verschiedene Autoren haben sich immer wieder in verschiedenen Büchern NSCs ausgedacht, die die Beschränkungen überschritten haben. Schließlich gab es irgendwann Regeln, um Monstertemplates zu Vampirwölfen etc. zu mischen (an dieser Stelle bitte "Samuel Haight" googeln).
Crossover waren nach meinem Gefühl damals so etwas wie der Drizzt der WoD: Diese coole Ausnahme von den Vorgaben des Settings, die jeder Dödel ganz toll fand (wie spielen Vampire, aber ICH spiele einen Werwolf, hö hö), bis das bloße Thema so ein zuverlässiger Dödel-Indikator war, dass zumindest (aber womöglich nicht nur) ich bis heute bei dem Thema einen ganz irrationalen Scham- und Beißreflex habe.
Bei der nWoD waren dann die Regeln kompatibel, die Hintergründe freier und flexibler und Mischmonsterrassen nicht mehr möglich. Damit ist Crossovern problemlos möglich. Allerdings gibt man damit meiner Meinung nach immer noch die starken Grundthemen und Hintergründe der einzelnen Spiele auf.
Ein wenig so, als würde man die Hauptcharaktere einer Krimiserie, einer Arztserie und einem Familiendrama zusammenbringen wollen. Wahrscheinlich gäben die Charaktere einen ziemlich interessanten Mix ab, aber das, was an den ursprünglichen Serien gereizt hat, müsste man zurückschrauben, weil die unzufriedene Teenager-Tochter nicht in der Notaufnahme operieren könnte, die Unfallchirurgin im Verhörraum nichts reißt und der Detektiv die Beziehung zu der drogensüchtigen Mutter nicht kitten kann.