Nun packt mich das Gefühl, dass dieses formale "Kampfsystem" nur noch ein Relikt ist, das wir aus purer Unmündigkeit noch nicht hinter uns gelassen haben (im Falle unserer Spielgruppe, NICHT allgemeingültig, ich will niemanden, der Spaß am Spiel im Spiel hat als Unmündig bezeichnen).
Denn nach den Spielrunden gibt es meist das Feedback, dass das kooperative Free-Forming und die vielfältigen Optionen im Kampf sehr viel Spaß gemacht haben, während gleichzeitig Eigenheiten des Regelsystems bemängelt werden, die dem im Wege stehen.
Das Feedback wundert mich nicht.
Wenn ich das richtig verstehe, nutzt ihr kleine Teile eines relativ komplexen, ineinander verzahnten Kampfsystems.
Dann tauchen eben auch die genannten Eigenheiten auf, die Artefakt einer gar nicht mehr bestehenden Vernetzung oder Ergebnis einer für euch nicht mehr relevanten autorenseitigen Überlegung sind.
Aber wenn das Feedback hier eindeutig ist, spricht doch nichts dagegen, auch diese noch verwendeten Teile auf eure Bedürfnisse hin anzupassen.
Man könnte hier aber auch einfach ein generisches Konfliktsystem anbieten, dass Regeln für alle Situationen vom Schleichen über das Reden bis eben zum Kampf usw. anbietet und je nach aktuellem Bedarf eben die Konflikte ultrafein (jede einzelne Aktion wird simuliert) oder mit einem/keinem Wurf eher erzählerisch löst.
Das bieten im Prinzip schon viele Systeme, die nicht mit großen Mengen klassischer Hitpoints arbeiten.
Aber je feiner man etwas auflöst, um so eher hat man recht umfangreiche Sammlungen von Modifikatoren durch Umstände/Situation, Ausrüstung etc. pp., die ab einem gewissen Punkt schon allein ein "Subsystem" darstellen.
Zunächst wäre die Gefahr, dass das System nicht funktioniert. Denn es ist zwar schwer ein neues Rollenspiel zu entwerfen, aber viel schwieriger ist es ein ganz neues Subsystem zu bauen, dass es vorher noch nicht gab und das auch die Spieler noch gar nicht kennen bzw sich noch nicht vorstellen können.
Warum ist es schwerer, ein komplett neues Subsystem zu bauen?
Das wird als echtes Subysystem/Minispiel doch nur angeflanscht, man kann es bei Bedarf ignorieren und ist dann genau so weit wie vor der Implementierung.
Selbst wenn man das Geld hätte, z.B. ein Schleich-System effektiv zu testen und die Fehler auszumärzen, wäre immer noch die Frage ob die traditionsbewusste Spielerschaft es überhaupt annehmen würde. Denn mit so einer Änderung ändern sich klassische Denkmuster. Selbst Klassiker wie der typische Endkampf müssen komplett hinterfragt werden oder alternativen angeboten werden. Über diese Alternativen hat aber bisher noch keiner groß nachgedacht.
A) Warum Geld?
Da geht es doch eher um das berühmte "Händchen" für Regelentwürfe.
Klar, Regeltesten bedeutet Zeit und Aufwand, aber trotzdem ist das nicht primär eine Geldfrage.
Mag nur meine Wahrnehmung sein, aber das klingt ein bisschen so, als hätten nur die großen Verlage die Möglichkeit, ein Regeltestlabor aufzuziehen und hier mit vielfältigen Instrumenten ordentlich wissenschaftlich zu arbeiten
Ein cleverer Regelmechanismus ist für mich aber ein Paradebeispiel für etwas, was ein kluger Kopf im Alleingang bzw. mit ein wenig Peer-Feedback ziemlich sicher besser hinbekommt als eine große Gruppe, Geld hin oder her.
B) Ich habe jetzt nicht im Kopf, wie das auf Verlags- bzw. Autorenebene angegangen wird, was offizielle Abenteuer angeht.
Aber mein altes DSA-Umfeld spielt seit DSA2 so.
Also mit ergebnisoffenem Abenteuerverlauf und ohne "idealen" Lösungsweg.
Da wird ein Endkampf schon mal clever umgangen oder ausgehebelt.
Oder man entscheidet sich im Vorfeld - gerade zu DSA3-Zeiten, wo Gruppenressourcen wie LE, ASP/KP usw. sehr präsent und wichtig waren -, einen Endkampf aufgrund der schlechten Ausgangslage gar nicht erst anzutreten und sich mit irgendwelchen Minimallösungen (Sabotage, Meldung an die Autoritäten etc. pp.) zufrieden zu geben.
Zum einen gibt es das Charakterspiel, in der sich der Spieler häufig über die Motive etc. seines Charakters Gedanken gemacht und sie dann gemäß des Spieles umsetzt. Zum anderen gibt es dann einen zweiten Charakter, der sich während dieser Mechaniken zeigt und dann eben sehr häufig auch mit dem Erzählcharakter bricht, um mechanischen Verpflichtungen und einer optimalen Spielgestaltung (in Hinblick auf Taktik, Strategie, Erfolg und System) nachzukommen.
+
Beim Rollenspiel dagegen will ich meinen Charakter spielen, mich in ihn hineinversetzen; ich will emotional berührt werden, ich will Entscheidungen treffen können, die etwas über meinen Charakter aussagen, Entscheidungen, die ihn charakterisieren. Auch und gerade im Kampf. Aber dazu sind viele "klassischen" Kampfsysteme gänzlich ungeeignet und bieten nur aufgeblähten Ballast.
Ich sage das ja öfter:
Charakterspiel im Kampf findet in der Regel durch die Beantwortung der Frage statt, an welcher Stelle der Charakter warum taktisch suboptimal handelt. Oder mit welcher Zielsetzung er überhaupt in den Kampf geht.
Andersrum kann man diesen Konflikt zwischen Persönlichkeit und taktischer Gebotenheit sehr gut thematisieren - wenn man das will.
In klassischen Systemen interessiert das ja erst mal keine Sau, aber da ist der Kampf auch oft eher abstrakt und das Problem stellt sich nicht in sehr krasser Form.
Sich Taktiken auszudenken und die Handlungen des Charakters zu beschreiben sind beides so verschiedene Dinge dass diese beiden dann in Konflikt treten. Das eine basiert sehr auf Logik und das andere sehr auf Gefühl.
Das ist dann kein Problem, wenn a) entweder die Regelmechanik und die zugehörige Beschreibung sehr dicht beeinander liegen bzw. fast deckungsgleich sind (siehe das, was Xemides beschreibt), oder b) das System so abstrakt ist, dass man taktische Entscheidungen aus der Sicht des Charakters treffen und diese dann regelmechanisch sinnvoll umsetzen kann.
Man hat das Phänomen also hauptsächlich bei den Systemen im Crunch- bzw. Abstraktions-Mittelfeld. An den beiden äußeren Rändern verschwindet es fast komplett.
Es muss nur klar sein, wie man von zwischen den Modi hin und her schaltet. Die meisten Rollenspiele haben z.B. funktionable Methoden, um ihr Kampfsystem aufzurufen, aber nur schwache ausgeprägte Methoden, um es wieder abzuschalten.
Oft genug ist man beim Verlassen des Kampfsystems allerdings auch mit zwei Fragen durch:
- Will mindestens eine der beteiligten Parteien weiterkämpfen?
- Kann sie das in relevanter Weise?
Leider ist es bei Manchen Regelsystemen dann auch so, das es eine "beste" Option gibt, und diese wird Mechanisch dann ausgewählt, weil der Spieler schon gerne viele Würfel wirft. (Thorwaller mit 2Hand Waffe, Berserker in DnD.) Das war in DnD 4e so ziemlich ausgemerzt gewesen, so das man hier auch Rollen für den Miniaturen part definiert hatte, so das jeder auf dem Schlachtfeld auch eine Aufgabe hatte, die nicht durch den anderen Abgedeckt gewesen ist.
Die MMO-mäßige Rollenzuteilung ist für mich die Notlösung der Situation, dass sich keine gleichwertigen Optionen organisch aus Kampfsystem und Ausrüstungsliste ergeben.
Macht ja aber nichts, solang es funktioniert
Andererseits erinnere ich mich bei dem Thema an zahllose Diskussionen in unseren SR-Runden.
Da kam z.B. oft die Beschwerde, dass fast jeder Sturmgewehrschütze mit einem Ares Alpha rumrennt - für mich war das immer offensichtlich, dass natürlich jeder auch ingame auf Effektivität setzt und das (in früheren Editionen) nachweislich beste Sturmgewehr nutzt.
Es sei denn, er hat dafür persönliche Gründe, womit wir wieder bei charakterbedingt suboptimalem Handeln wären.
War natürlich trotzdem Resultat nicht ideal konzipierter Waffenlisten