Natürlich muss man bei einer Umsetzung auch immer was ändern.
Das Problem ist halt die Frage was man so ändern müsste. Um mal ein Beispiel zu nennen: Die 4E hat sehr viele Aktionen die außerhalb des eigenen Turns geschehen, als Reaktion auf andere Aktionen der Mitspieler oder Gegner. Das kann dann (um ein Beispiel zu nennen) so aussehen:
SL: Ok, der Ork greift den Waldläufer an.
Krieger: Moment mal, als der näher kommt schlag mit meinem Hammer zu und...tja was mach ich denn, versuch ich seinen Angriff zu behindern? Oder lieber feste drauf? Mhh, nein ich behindere lieber den Angriff.
SL: Na gut, aber der Ork trifft trotzdem...
Barde: Warte mal, den Angriff Unterbrech ich, ich schieß dem Ork einen Pfeil in den Arm und der Waldläufer darf eine @Will machen
Waldi: Mhh, lieber 2x zuhauen oder doch nur einmal und dafür mich in Sicherheit bringen?
Sowas ist schwer in ein Computer RPG unterzubringen, zumindest in Echtzeit und mit Entscheidungsfreiheit für die Aktionen. Der Grundgedanke dahinter zielt ja auch auf den Spieltisch, an dem die Spieler auch außerhalb ihrer Runden mit dabei sein sollen, nicht einfach nur warten und sich (im negativem Fall) langweilen. Das Spielgeschehen soll sich halt weniger abgehackt anfühlen, stärker so als ob der Charakter jederzeit reagieren könnte. Und damit auch Aufmerksamkeit fördern.
Eine Computerspielumsetzung würde dies wohl eher wie 3.5 regeln, einfach mit relativ statischen Gelegenheitsattacken und weniger Zusammenspiel.
Aber das ist noch das kleinere Problem. Was macht man mit improvisierten Aktionen? Mit Ritualen oder Skillchallenges? Short Rests? Heilschübe?
In Computerspielen macht eine Unterscheidung in kurze und lange Rasten selten Sinn (weil es am Ende doch nur ein Klick ist), und die erweiterte Zauberzeit vieler Rituale läuft dort ebenfalls ins leere, einfach weil keiner mal so lange warten will. Und es schwierig ist Computerspielstories, die ja naturgemäß gescriptet sind zeitkritisch umzusetzen. (Einfach weil man dann sehr viele verschiedene Ereignisse scripten muss). Am Spieltisch ist das eine tolle Sache...für CRPGS läuft es aber ins leere. Da kann die 4E noch so sehr am 15 Minuten Tag arbeiten und zeitkritische Aufgaben fördern...es ist das falsche Medium.
Und das gilt ja auch für viele andere Dinge. Nimm mal die Monstererschaffung. Die 4E will hier eine Vielfalt erreichen, zeigen: Ein Ork ist nicht immer einfach nur ein Ork, die Gegner haben unterschiedliche Fähigkeiten und Aktionen. Wenn ich das am Spieltisch beschreibe ist es cool, dass Grünauge der Ork etwas ganz anderes macht als Hakennase der Ork, anders kämpft und darüber Charakter bekommt. Aber stell dir das mal in einem Computerspiel ala Baldurs Gate vor, bei dem mir das Spiel am Ende erzählt wie viele tausend Gegner ich eigentlich umgenietet habe. Insbesondere dann wenn das System einem dann sagt: Tja, jede dieser Powers kann ganz anders aussehen und funktionieren...Der Nutzen steht dort in keinem Verhältnis zum Aufwand, das würde keiner machen.
Oder nimm die Skillchallenges. Es ist eine super Sache, dass der Krieger nicht nur doof daneben steht wenn es darum geht den Fürsten zu überreden. Aber für ein Computerrollenspiel bedeutet dies: Es gibt in solchen Situationen viel mehr Handlungsoptionen, die teilweise aufeinander aufbauen und unterschiedliche Effekte haben. Die man auch erstmal alle implementieren muss. Oder sie halt einfach weglassen. Aber dann lässt man eben einen sehr wichtigen Teil weg.
Auch hier: Das was das System besonders macht, was es von anderen D&Ds abhebt lässt sich schwierig umsetzen, verliert am PC seine Wirkung. Einfach weil es sehr stark (was ja etwas gutes ist) auf das Spiel am klassischem Tisch ausgelegt ist, die Designer versuchten die dortigen Probleme anzugehen.
Für Spieler ist es toll wenn die Attacke des Schurken anders ist als die des Paladins. Gibt den beiden Flair. Aber wenn man dies aus Programmierersicht (bin ja dummerweise einer) betrachtet hat die 3.5 viel mehr aufeinander aufbauende Dinge. Eine hierarchischere Struktur. 4E Powers haben ein formalisiertes Design. Doch ob ich nun einen oder zwei oder drei oder gar keinen Angriffswurf mach steht am Ende in der Power. Ob und wie viel Schaden ich mach, welche Effekte passieren genauso, ja sogar welche anderen Dinge meine Power modifizieren können. Sämtliche Infos stehen in einem einzelnem, in sich abgeschlossenem Modul, das keine Aussage trifft ob die nächste Power anders funktioniert und beliebige Regeln einbringen kann.
Ich hab mal einen getroffen der wollte das alles in eine Funktion packen mit anfangs "ein paar Variablen" - was dann nach den ersten Beispielen "viele variablen" und später mal ganz aufgegeben wurde.
Für Programmierer ist es halt einfacher wenn der Waldläufer mit seinem Bogen nach den gleichen Regeln schießt wie der Schurke. Nur am Spieltisch ist das anders, da macht es mehr Sinn wenn die Aktionen der beiden ihren Charakteren Profil geben, und das Rollenspiel nicht aufhört wenn die Initiative gewürfelt wird.
Aber auch hier: Computerrollenspiele sind ja frei. Man hätte diese Dinge und viele andere glatt streichen können, eher so wie "früher" umsetzen können. Das Problem ist weniger, dass dies nicht ginge als das dann wenig übrig bleibt was wirklich 4E spezifisch ist. Bei dem man sagen könnte: Ok, hier unterscheidet sich unser 4E Computerspiel von einem 3.5 Computerspiel.
Und da kann man dann auch den Bogen zur 5E schlagen, wenn auch in geringerem Maße. Viele der Designwünsche, z.B. die SL Entscheidungsfreiheit / Regelfreiheit oder auch die Wegnahme taktischer Positionierung machen für CRPGs nicht wirklich Sinn und würden dort gestrichen. Auch hier wäre die Frage wie sich das System denn für solche Spiele einbringt, sie weiterbringt und die guten Änderungen in das Spiel transportiert.
Und am Ende ist dann halt die Erkenntniss: Wenn das Spiel sich am Ende eh wie NWN spielen wird kann man auch gleich das bewährte Regelwerk nutzen und einfach davon die aktuellste Version. Pathfinder RPG halt. Spart Zeit und Aufwand, das Ergebniss ist das gleiche und beliebt ist das ganze ja auch gerade.
Ich hätte auf jeden Fall auch gerne ein Computerspiel mit der 4E als Basis gehabt. (Vorzugsweise natürlich eines mit einer tollen Story.)
Geht mir natürlich ähnlich, gerade wenn dann doch einer es schaffen würde die Besonderheiten des Systems in ein Spiel zu übertragen. Denn das was es am Spieltisch positives bewirkt wäre ja dann auch dort zu spüren. Würde - gut gemacht - auch da für Spaß sorgen. Meine Aussage bezieht sich halt eher auf den Aufwand so etwas gut zu machen. Und war auch mehr als Erklärung gedacht warum das kaum jemand gewagt hat, obwohl es zuvor durchaus eine Menge erfolgreiche D&D Spiele gab.