Ich finde es schwierig, diese Frage unabhängig vom System und vom angestrebten Spiel für mich zu beantworten.
Wenn ich auf Drama im Sinne von tiefgreifenden inneren Charakterkonflikten und Tragödien aus bin - was ein Spielziel ist, mit dem ich mich durchaus anfreunden kann - ist Powergaming als Charakterbau für "lösungsorientiertes Puzzlespiel" oder Wettbewerbsspiel nicht nur vollkommen überflüssig, sondern sogar hinderlich. In innere Konflikte geraten Charaktere schließlich unter anderem dann, wenn sie mit einem Problem konfrontiert werden, das sie nicht optimal zu ihrer Zufriedenheit lösen können, sondern bei dem sie sich zwischen Skylla und Charybdis entscheiden müssen. Spiele, die primär darauf abzielen, gemeinsam eine schöne Geschichte am Spieltisch zu erzählen, würde ich bei dieser Frage ähnlich behandeln. Für schöne Geschichten ist nicht der optimierte Charakter, sondern der spezialisierte Charakter (mit Schwächen) ein gutes Mittel zum Zweck.
Wenn ich dagegen primär wettbewerbs- oder lösungsorientiert spiele/leite, dann ist natürlich Optimierung ein sinnvolles Konzept. Ehrlich gesagt macht solches Spiel gerade dann Spaß, wenn man optimiert, da der Erfolg der Charaktere ja nicht garantiert ist. Die Frage ist schließlich bei dieser Art von Spiel, ob die Spieler mit ihren Charakteren es schaffen, gegen das Abenteuer (und manchmal den SL) auf faire und regelkonforme Art zu "gewinnen".
Wenn ich allerdings selbst leite, in geringerem Maße auch wenn ich spiele, habe ich jedoch dann ein Problem mit Optimierung, wenn das Spiel ein hohes Maß an System Mastery verlangt, um für clever gebaute Gruppen angemessene Motivationen und Herausforderungen bereit zu stellen. Außerdem stören mich dann Systeme, deren Klassen- oder Optionsauswahl derart unausgeglichen ist, dass am Spieltisch die Spieler mit der ausgeprägten System Mastery komplett das Spiel dominieren.
Bei Wettkampf-, Puzzle- und Lösungsspielen kommt es folglich stark aufs System an. Einige Spiele funktionieren z.B. nur sehr schlecht, wenn die Gruppe nicht optimiert. D&D4-Kämpfe mit schludrig gebauten SCs ziehen sich in die Länge, sind langweilig und deprimierend. Andere Systeme sind so kompliziert und/oder komplex und umfangreich, dass Optimieren so spaßig ist wie Nachhilfeunterricht. Pathfinder beispielsweise.