Der Sinn dieses Threads ist es eigentlich auf Grinders Anfrage nach mehr konkreten Beispielen und Details aus einem anderem
Thread einzugehen - weil mir aber gar nicht so einfach fällt mir klarzumachen was er gern genau hätte habe ich stattdessen das ganze eher als eine kleine 4E Spielelementeserie aufgezogen in der ich versuchen mag einige der Dinge die mir als Spielleiter in der 4E gefallen vorzustellen, und ein paar Beispiele zu nennen wie man diese anwenden kann. Den Anfang machen improvisierte Aktionen und die Say Yes Philosophie:
Bevor ich aber zu den Beispielen komme, anbei erst einmal ein paar allgemeine Dinge zu improvisierten Aktionen. Die 4e kennt drei verschiedene Arten von improvisierten Aktionen. Zunächst einmal die ominöse Seite 42 aus dem Spielleiterhandbuch, dann die Anpassungen für Magie aus dem Arcane Power und zum Schluß die improvisierten Skillaktionen aus dem Rules Compendium. Die erste dürfte die bekannteste sein, aber ich versuche einfach mal für alle drei Beispiele anzubringen und erkläre dann anschließend wie man derlei Dinge als Spielleiter nutzen kann.
Alle hängen aber an einem sehr zentralem Prinzip der 4E: Sag ja.
Dabei geht es um einen Spielleitertipp, welcher die Rolle des Spielleiters weniger als Gegner der Spieler darstellt, sondern eher als denjenigen der ihnen dabei hilft ihre Ideen in das Abenteuer einzubauen. Wie vieles von dem hier genannten stellt es auch keine echte Neuigkeit dar - höchstens die Hartnäckigkeit mit der auf dem Prinzip herumgeritten wird ist dies. ;-)
Aber das ganze hat seine Vorgänger in der "rule of cool" und vergleichbaren Spielleitertipps, einzig mit dem Unterschied das sich der Fokus von "coole Aktionen" auf "improvisierte Aktionen" generell verschoben hat.
Zur Vorbereitung improvisierter AktionenTatsächlich ist es aber oft gar nicht so einfach ja zu sagen. Oft ist es so, dass die Vorbereitung des Spielleiters nicht alle Ideen der Spieler abdecken kann - und auch eine improvisierte Aktion hat ja nicht den Zweck eine Herausforderung zu trivialisieren, und soll doch gleichzeitig effektiv sein. Je sicherer der Spielleiter ob des Balancings seiner Begegnung ist, umso eher wird er daher Platz für improvisierte Aktionen lassen. Dies ist in der Vorbereitung ein wichtiger Punkt, der häufigste Grund aus dem ein Spielleiter auf eine Idee der Spieler abweisend reagiert ist Unsicherheit ob ihrer Auswirkungen. Die 4E macht es einem hier relativ leicht, da die Spieler hier (auch mit improvisierten Aktionen) zusammenarbeiten müssen, gleichzeitig aber die Spielercharaktere auch in ihren regulären Aktionen eine große Streubreite haben. Als Spielleiter macht es wenig Unterschied ob Max der Kämpfer nun eine Finte anhand der Umgebung improvisiert, oder doch diese macht weil er eine passende Kraft hat.
Oder anders gesagt: Eine große Vielzahl vordefinierter (Beispiel-) Aktionen hilft auch dabei passende Regelungen für improvisierte Aktionen zu finden. Es hilft also sich mit dem vertraut zu machen was die Spielercharaktere ganz allgemein können um Sicherheit zu finden wenn sie etwas anderes tun wollen.
Ein weiterer wesentlicher Punkt in der Vorbereitung ist das Thema der Beschreibung. Improvisierte Aktionen benötigen die Beschreibung der Umgebung. Natürlich muss nicht jede solche Aktion sich auf die Umgebung des Spielercharakters beziehen, aber es ist der einfachste Weg. Ketten in der Ecke des Kerkers, der Keilerkopf an der Wand des Bücherzimmers vom Oberbösewicht oder aber brennbarer Alkohol in der Tavernenschlägerei: improvisierte Aktionen profitieren davon wenn es möglichst viele Ansatzpunkte gibt auf denen sie aufbauen können.
Beispiele für Möglichkeit A, die Seite 42:Seite 42 ist die bekannteste Variante von improvisierten Aktionen, in erster Linie ist sie gedacht für alles was die klassischen Hollywoodszenen abdeckt, in denen der Held vom Geländer springt, sich über den Kronleuchter schwingt um den Schurken ins Kaminfeuer zu schubsen. Hierbei wird in Aktionen unterschieden, welche man theoretisch immer wieder machen könnte und solchen welche nur einmalig möglich sind, sowie der Schwierigkeitsgrad der Aktion berücksichtigt. Die dazugehörige Tabelle gibt Schwierigkeitsgrade und Schadenswerte an.
In einer meiner Gruppen kam dies zum Beispiel beim Verfolgen eines Flüchtigen zum Einsatz, der mit ihm zwischen die Füße geworfenem Stuhl gestoppt und zu Fall gebracht wurde. Es handelte sich um einen Attentäter der aus einer Taverne flüchten wollte und zu diesem Zweck eine Ablenkung gestartet hatte (welche die Spieler aber durchschauten).
Regeltechnisch handelte es sich hierbei um eine wiederholbare Aktion (wenn der Typ wieder aufsteht, könnte man ja problemlos noch etwas hinterherwerfen), welche in diesem Fall auch nicht besonders schwer war und welche daher auch nicht viel Schaden machte. Um den ging es dort aber ja gar nicht, sondern um das niederwerfen an sich.
Ein weiteres Beispiel welches wir mal hatten war auf einer Flucht durch den Wald Zweige und biegsame Äste zu benutzen um Verfolger aufzuhalten die ihnen entgegenschlagen sollten, sowie der Sprung von einem fahrendem Wagen auf einen Gegner. Vielleicht fallen ja noch anderen Beispiele ein die sie mal in ihren Runden hatten.
Aber das generelle Prinzip ist denke ich auch so klar. Für Spielleiter stellt Seite 42 dabei in erster Linie eine Hilfestellung dar, damit man bei solchen Aktionen nicht dasteht und lange überlegen muss welche Auswirkungen sie haben könnten, und welcher Schaden zum Beispiel angemessen wäre. Für Spieler bedeutet dies noch etwas viel wichtigeres: "Die Aktionen welche ich habe sind nicht das einzige was ich tun kann" trifft dies vielleicht am ehesten. Die 4E ist hier durchaus gefährdet, es gibt da ja genug Leute welche gerade diese Vorstellung dem Powersystem anlasteten. Für den Spielleiter gibt es aber noch einen anderen Vorteil: Die Beschreibungen der Räumlichkeiten erhalten Relevanz. Je (mir fällt grad kein besseres Wort ein) interaktiver eine Räumlichkeit ist, umso aufmerksamer werden die Spieler auch überlegen "was könnte ich damit anstellen?". Was ein gutes Mittel ist um Orte interessanter zu machen. Beschreibungen ohne Relevanz fliegen oft einfach nur durch die Spielerköpfe hindurch, und erst wenn man dafür sorgt, dass die Spieler etwas damit machen können werden manche Spieler neugieriger.
Möglichkeit B, Anpassung von bestehenden Kräften:Hierzu gibt es ebenfalls mehrere Teilwege. Der erste sind Feats, Gegenstände oder Zauberzutaten welche eine bestimmte Gruppe von Kräften modifizieren. Das kann die Gladiatorenschule sein, welche dem Krieger beigebracht hat wie seine Schildattacke verändert werden könnte, der Stab der den Feuerstrahl explodieren lässt nachdem er sein Ziel traf oder aber die Pflanze die als Zauberzutat dem Zauber neue Eigenschaften hinzufügt. Bis hierhin ist man eigentlich noch gar nicht so recht beim Improvisieren angelangt - auch wenn es einige Kombinationsmöglichkeiten gibt. Doch für das Verändern von Kräften gibt es z.B. im Arcane Power noch einen kleinen Abschnitt, in dem darauf eingegangen wird wie man Zauber an das eigene Flair anpassen kann. So können beim magischem Geschoss statt Kugeln auch Totenschädel fliegen, aber es ist z.B. auch möglich Schlüsselwörter auszutauschen, und z.B. die Schadensart eines Zaubers zu ändern wenn dieser besser zum neuem Flair passt.
Benutzt habe ich dies vor allem in meiner zweiten Kampagne bezüglich der Völkerwanderungszeit. Hierbei handelte es sich um ein pseudorealistisches Setting, welches sich an den Geschichten um Dietrich von Bern und Siegfried orientiert, aber auch an einigen historischen Ereignissen und mittelalterlichen Legenden. Ich mag das Setting sehr, auch wenn ich bei drei Versuchen darin eine Runde zu spielen nur einmal Glück hatte und wirklich weit kam. Magie im klassischem D&D Sinne gab es dabei nicht, bzw. war im schwinden begriffen, was einige Umgestaltung erforderte.
Mein Charakter (Magier) war dabei ein Scharlatan der auf der Bühne so tat als ob er Zaubern konnte, nach außen hin jedoch stets den Anschein eines Schaustellers wahrte dessen Tricks theoretisch auch ohne Magie erklärbar wären. So war sein magisches Geschoss abhängig von der Vorhandenheit eines Steins, der (scheinbar) geworfen wurde, und derlei Flairanpassungen gab es bei vielen Zaubern. Ganz generell bemühte ich mich meist die Magie möglichst improvisiert wirken zu lassen und brachte viele Änderungen ein, so dass auch gleiche Zauber selten gleich aussahen.
Die Grenze zwischen Flairanpassung, regelgerechter Änderung von Kräften und Schaffung ganz neuer Kräfte ist dabei sehr verwischt, aber auch hier gilt - solange man sich an bestehendem orientiert ist es sehr leicht Ideen umzusetzen.
Möglichkeit C, Skillimprovisation:Dies wurde mit den Essentialsbüchern hinzugefügt - es handelt sich dabei um Beispiele für Aktionen die auf Basis von Fertigkeiten wie z.B. Magiewissen oder Bluffen möglich sind. Das Rules Compendium hat dafür unter einigen Fertigkeiten kleine Abschnitte ala "improvising with arcana" in denen dann so etwas steht wie "Wasser zufrieren zu lassen um einen darin stehenden Gegner zu verlangsamen". Ich habe das ganze selbst bisher kaum verwendet, mag aber genau diese kleinen Tipps wie man die Fertigkeiten zur Improvisation einer Aktion nutzen kann, da sie aus meiner sicht sehr schön diesen "say yes" charakter der 4E treffen.
Was aber wohl ebenfalls schön in diese Kategorie fällt ist Skillimprovisation im Rahmen von Fertigkeitsherausforderungen. Dort ist es sogar explizit vorgesehen, auch Fertigkeiten außerhalb der eigentlichen Herausforderung zu nutzen, und kann Spielern außerhalb eines klassischen Gebiets (der in Gesellschaftsdingen ungelenke Krieger kann auf dem Ball bei der Diplomatie kaum helfen - aber deshalb muss er noch nicht nutzlos daneben sitzen) helfen sich einzubringen.
Wie ganz allgemein beim Thema Improvisation gilt aber auch hier: Es funktioniert umso besser je mehr man den Spielern aktiv diese Möglichkeiten aufzeigt, ganz offen sagt: Das was ihr hier standardmäßig tun könnt ist nur der Anfang.
So, langer Text - ich hoffe irgendwer ist durchgekommen oder hat zumindest bis zum Ende gescrollt.
Wie sind eure Erfahrungen mit improvisierten Aktionen? Wofür habt ihr sie bisher genutzt? Oder würdet ihr sie gern öfter nutzen habt aber bisher noch nicht so recht die Möglichkeit dazu gefunden? Ich würd mich freuen wenn das ganze zu mehr als nur einer überlangen Antwort auf "gib mal ein paar Beispiele, ey!" wird. ^^