Alledings betonte ich, dass komplexe Settings entsprechend umfangreichere Regeln erfordern können.
Tatsächlich ist die Hintergrundwelt kein guter Determinator für das verwendete Regelwerk. Treffender ist noch die Core Story, also der prototypische Handlungsablauf einer Spielsitzung. Wenn es darum geht, Politik im galaktischen Senat zu machen, braucht es womöglich keine Regeln für Raumkämpfe, auch wenn die in der Welt durchaus vorkommen können. Die Hintergrundwelt kann insofern nur als Anstrich für die Regeln dienen. Für eine Cyberpunk-Welt heißt das Attribut vielleicht "Cool" statt "Seele", auch wenn es technisch das gleiche tut.
Am wichtigsten allerdings sind die gewünschten Interaktionsmuster unter den Leuten am Tisch. Regeln sind eben keine Mittel zur Simulation der Spielwelt. Sie können das tun, aber ist ungefähr so zentral, dass ein Auto ein eingebautes Radio hat. Für einige Leute total wichtig, aber das macht es nicht zu einem Auto.
Regeln regeln das Spiel, d.h. die Handlungen der Spielenden. Die zentrale Regel bei den meisten Spielen ist: "Es gibt eine SL, alle anderen kreieren und spielen einen SC." Die nächste Regel ist: "Die SCs lösen im Team Abenteuer, die von der SL vorgestellt werden." Die dritte Regel ist: "Die SL spielt alle Charaktere außer die SCs." Die vierte Regel: "Die SL bestimmt, wer und was in einer Szene ist." Die fünfte Regel: "Die SL setzt mehr oder weniger frei Hand die Schwierigkeit für Proben fest und wann diese vorkommen." Die sechste Regel: "Die SL verteilt Erfahrungspunkte, durch welche die SCs besser werden." Usw.
Die in diesem Thema betrachteten Mechanismen sind relativ schwache Beiträge zum letzendlichen Spiel. Jene grundlegenden Regeln, die sich unmittelbar auf die Hanldungen der Spielenden beziehen, sind deutlich wichtiger.
Tatsächlich kann man Spielerhandlungen regeln, indem man Mechanismen aufsetzt. Das zentrale Element an einer Würfelprobe ist nicht, wie man würfelt, sondern wer sagen darf, dass gewürfelt werden soll.
Wenn du weiter sagst, dass "intensives Hineinversetzen in die Rolle eines Chars" mit weniger intensivem Regelwerk besser gelänge, dann hast du den Zusammenhang schon richtig erkannt. Die Mechanismen haben also nur ganz wenig mit der Spielwelt, aber ganz viel mit den Spielenden zu tun. Es gibt also Mechanismen, die dem Hineinversetzen in Charaktere helfen können, und solche, die das nicht tun.
Du drückst dich unglücklich aus, wenn du sagst, dass komplexe Mechanismen nicht zu besserem Rollenspiel führten. Sie führen vielleicht nicht zu dem, was du für gutes Rollenspiel hälst, wenn das denn eben das Hineinversetzen in Charaktere ist.