Autor Thema: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?  (Gelesen 35561 mal)

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Offline Bad Horse

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #50 am: 13.06.2015 | 20:59 »
@zant: Mit "Tabletop" meine ich das, was in Deutschland halt lange so genannt wurde (Warhammer, Warhammer 40K, Confrontation, diese ganzen Miniaturenspiele). Rollenspiel ist das Rollenspiel am Tisch. Dein Vorposter hat mich richtig verstanden.

@b_u_g: Mag sein, dass es ganz verschiedene Spielvarianten gibt, die man am Tisch spielt. Die interessieren mich leider alle nicht sehr, deswegen hab ich sie in einen Topf geworfen. Deiner Aufdröselung würde ich aber soweit zustimmen.
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
The best lack all conviction, while the worst are full of passionate intensity.

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Offline Chruschtschow

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #51 am: 13.06.2015 | 21:27 »
Das alles miteinander in einen Topf zu werfen und als monolithischen Gegenpol zum "Improvisationstheater" darzustellen greift in meinen Augen einfach zu kurz.

Genau. Und nebenher ist Improtheater auch gar nicht der Gegenpol zum Spiel mit Regeln, weil es eben selbst auch Regeln braucht. Da muss ja auch klar werden wie wo was möglich ist, sonst zerläuft das auch nur zu einem bizarren Brei. Also gibt es Regeln. Das hat auch gar nicht viel mit Spiel zu tun, wie ich vermute, dass Bad Horse das meint (Regelspiel nach Oerter und Montada?). "Vater, Mutter, Kind" ist ein Rollenspiel und es hat Regeln. Schaut euch mal Kinder beim Rollenspiel an, wenn die die Regeln brechen: "Nein, ich will jetzt die Mutter sein!" Bäääm! Rolle verlassen! Katastrophe! Kurz drauf setzt es was mit der Kaffeekanne. ;)
« Letzte Änderung: 13.06.2015 | 21:30 von Chruschtschow »
Tolles Setting, würde ich aber mit Fate spielen. Und jeder Thread ist ein potentieller Fate-Thread. :d

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Offline Nørdmännchen

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #52 am: 13.06.2015 | 21:34 »
Och menno, eigentlich fand ich das Thema gar nicht sooo spannend...  ;D

Das Problem ist allerdings, dass man sich auf Spielmechanismen (GAME) einlassen muss, damit sie Erzählen begünstigen. Und das ist ein Bruch mit der Tradition, die beide Mechanismen gegenüber stellt.

Das stimmt wohl - die Tradition die Du beschreibst ist kaum zu verleugnen. Allerdings nehme ich persönlich sie immer als die Artikulation eines Dualismus wahr, der sich dann mit den Realitäten am Spieltisch kaum deckt. Wie einige Vorschreiber schon betonen, greift diese binäre Betrachtung mMn zu kurz. Aber da sind wir sehr im Bereich persönlicher Erfahrungen (und evtl. Erbsenzählerei meinerseits ;) ).

Und natürlich funktioniert das, denn sowenig die ersten Rollenspiele reine Brettspiele waren, selbst wenn sie aus dem Wargames-Lager kamen, so wenig sind Erzählspiele reines Geschichtenerzählen, so sehr sie den GAME-Bereich auch kleinreden wollen.
Eben das!
Meine These ist dabei, das das Medium Rollenspiel derzeit aus seiner ersten/zweiten, eher experimentellen Gestaltungsphase austritt. Die unterschiedlichsten Spielerlebnisse, die schon im ersten D&D potentiell angelegt (wenn auch nicht intendiert) waren, werden nun vergegenwärtigt. In der Folge beginnen sie die unterschiedlichen Spiele in der Entwicklung zielgerichtet zu beeinflussen.
Will sagen: auch in alten Rollenspielen gibt es erzählerisch funktionale Mechaniken, speziell im Bereich der Reincorporation (blödes Denglisch), der Spannung und fiktionaler Entwicklungsbögen - nur standen diese eben "im Schatten" der KoSim-Mechanismen. Daher möchte ich eher an ein gezieltes Fokussieren und Erweitern von Mechanismen glauben, die dem jeweiligen Design-Ziel dienen. Sie waren in gewissem Sinne schon immer "unter einem Hut"; nur waren da eben auch noch ganz andere Dinge.
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Offline Sonja

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #53 am: 13.06.2015 | 23:48 »
Es gibt ja nicht nur schwarz-weiß "reines regelfreies Erzählspiel" und "verregelter Simulationismus/Brettspiel", sondern gerade der Mittelweg trifft oft den sweet spot. Was zählt ist eben oft das Spielgefühl, das das Gesamtsystem (nicht nur der Kernmechanismus!) erzeugt. System matters!

Da kann ich mich nicht anschließen. Brettspiel ist Brettspiel, und das ist auch gut so. Aber was soll das ausgerechnet beim Rollenspiel? Drolliger historischer Ballast, weiter nichts.

Das ist genau so, als ob man beim Fußballspielen als Subsystem igrendwelche Würfelregeln für Zweikämpfe hätte, wo dann alles anhält, Minimum 25 Seiten Regeltext. 

Online 1of3

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #54 am: 13.06.2015 | 23:52 »
Was das soll? Narrative Constraints.

Offline Edvard Elch

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #55 am: 14.06.2015 | 00:01 »
Da kann ich mich nicht anschließen. Brettspiel ist Brettspiel, und das ist auch gut so. Aber was soll das ausgerechnet beim Rollenspiel? Drolliger historischer Ballast, weiter nichts.

Wenn wir jetzt aus Rollenspielen alle brettspieligen Elemente rausnehmen, was bleibt dann?
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Offline Lysander

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #56 am: 14.06.2015 | 00:06 »
Natuerlich sind zusaetzliche Fertigkeiten ueber zb Talente Modifizierungen der Grundwerte ( Klugheit, Staerke usw ). Bei DSA gibts die Talentprobe je nach Talent aus drei passenden Grundwerten und dazu eine Erleichterung eben durch den Talentwert ( = das Koennen dazu ). Das ist logisch, einfach und sinnvoll. DSA4 finde ich aber auch etwas umstaendlich (auch beschrieben ), ich spiel auch mehr 3
« Letzte Änderung: 14.06.2015 | 00:25 von Lysander »

Offline Chiarina

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #57 am: 14.06.2015 | 00:15 »
Zum Thema "drolliger, historischer Ballast": Das ist doch ein bisschen Einstellungssache!

Ich finde mehr oder weniger freies Erzählspiel aktuell gerade auch sehr spannend und in gewisser Weise kann ich es Sonja nachfühlen, wenn sie behauptet, das sei der eigentliche Kern des Rollenspiels. Trotzdem ist es doch viel zu engstirnig zu behaupten, das sei die einzig mögliche Sichtweise. Es gibt ´ne Menge Leute, für die ist Rollenspiel genau die Mischung aus Erzählung und Battlemap, die Systeme wie D&D oder wasauchimmer eben verkörpern. Die empfinden das Würfeln auch nicht als historischen Ballast, sondern als Bereicherung.

Du kannst den andern nur verstehen, wenn du probehalber seine Perspektive einnimmst!
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Offline Lysander

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #58 am: 14.06.2015 | 00:23 »
Talentproben sind Altag, dessen Simulation und somit die Darstellung auch der Entwicklung der Spielfigur. Das moechte ich schon darstellen.

Eulenspiegel

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #59 am: 14.06.2015 | 00:30 »
@ Sonja
Ich würde Rollenspiel eher mit Ballspiel vergleichen.

Fußball ist dann ein spezielles Ballspiel mit bestimmten Regeln. Genau so wie DSA dann ein spezielles Rollenspiel mit bestimmten Regeln ist.

DSA 1 enttsprticht dann dem Fußballspielen auf dem Bolzplatz: Wenig Regeln, sehr viel Freeform.
DSA 4 entspricht dann dem Fußball in der WM: Alles mögliche ist verregelt.

Shadowrun wäre dann zum Beispiel Rugby.

Und "The Pool" würde dann Billard entsprechen, wo sich die Leute darüber streiten, ob das überhaupt noch Ballsport ist oder nicht.

Offline Chiarina

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #60 am: 14.06.2015 | 00:41 »
Zitat von: Lysander
Talentproben sind Altag, dessen Simulation und somit die Darstellung auch der Entwicklung der Spielfigur. Das moechte ich schon darstellen.

Dann mach das, aber probiere freies Erzählspiel mal aus. Das wäre so in etwa meine Position.

Ich war früher auch von durchdachten, komplexen Systemen geflasht... von Midgard mit seinen Kontrollbereichen, von Hârnmaster mit seinem intelligenten Würfelsystem, bei dem die Wahrscheinlichkeit für kritische Ergebnisse parallel zu den gesteigerten Skills mitwächst, usw. Irgendwann fand ich das aber immer weniger spannend und sah mich nach etwas Neuem um.

Und dann hatte ich so eine Art Initialerlebnis in Sachen freiem Erzählspiel, wo einfach fast alles geklappt hat - ohne jeglichen Würfelwurf. Es war spannend, es war intensiv und es hat nichts gefehlt. Ich hatte so etwas noch nie erlebt und es war sicherlich mein bestes Rollenspielerlebnis seit vielleicht 10 Jahren... und es war scheißegal, ob ein Charakter "Prima Plätzchen backen" gelernt hatte oder nicht. Wenn der Spieler der Meinung war, die Dinger sind lecker, dann sind sie eben lecker. Ich war noch nie so nah dran am Geschehen wie in dieser Runde... und dafür musste ich erst 47 werden! Jetzt will ich mehr davon! Und die Vorbereitungen laufen. Vielleicht werde ich demnächst mal berichten.

Es ist sicherlich so, dass das nicht für jeden etwas ist. Ich rate aber allen Rollenspielern, es mal auszuprobieren.
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Offline Chruschtschow

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #61 am: 14.06.2015 | 01:24 »
Aber was soll das ausgerechnet beim Rollenspiel? Drolliger historischer Ballast, weiter nichts.

Rollenspiel braucht Regeln. Immer. Jedes Rollenspiel. Wenn Kinder "Räuber und Gendarm" gewinnen, dann gibt es auch Regeln zur Konfliktresolution. Anna brüllt: "Peng, du bist tot." Thomas ist dann auch tot, weil ihm andernfalls die einen halben Kopf größere Anna auf andere Weise den Konflikt beilegt. Oder vielleicht verwendet sie auch nur Regel 0, die auch wir Rollenspieler kennen: "Spiele nicht mit Idioten."

Jetzt möchten wir natürlich am Spieltisch nicht nur simple Doch-Nein-Doch-Nein-Doch-Nein-Duelle erleben, so unterhaltsam sie beim ersten Anschauen sein mögen, wenn sich zwei Personen gesetzteren Alters (als Enddreißiger habe ich solche inklusive meiner eigenen Person in den Spielrunden) so etwas geben. Aber auf Dauer ist der Schritt von der impliziten zur expliziten Regel zur Konfliktresolution dann doch mal sinnvoll. Und sei es so eine einfache Regel wie in Fiasco mit Establish oder Resolve. Das ist nicht für jeden was, manche mögen auch ein Zufallselement. Da kann man eine Münze werfen, aber wenn jemand mit einem Raketenwerfer zum Boxkampf kommt, verstehe ich, dass er sich bessere Chancen als 50% ausgerechnet hat. Auch da verstehe ich, dass hier einer etwas feineren Einstufung Rechnung getragen werden kann. Und schon merken die Leute, dass sie Spaß dran haben und du hast Attacks of Opportunity und allseits beliebte Regeln für einen Grapple.

Darum machen Regeln also nicht nur als historisches Anhängsel Sinn. Sie sind grundlegender Baustein für funktionierendes Rollenspiel. Andernfalls gewinnt Anna, die auch weiterhin immer einen Kopf größer war als alle anderen und später mal im Mittelgewichtsboxen reichlich Preise einheimste, jeden Konflikt im Spiel... :d

Und zu Abatons These von der Probe:
Ja wie soll eine zufallsbasierte Entscheidung denn sonst aussehen? Ich nehme einen Zufallsgenerator (Probe 1. Teil). Ich passe die Ausgabewerte durch die Regeln an die Spielsituation an (Spielwert, Fertigkeit, die Unterscheidung macht bei konsequenter Dekonstruktion keinen Sinn und die Fertigkeiten sind Teilmenge der Spielwerte). Ich lasse mir ein Ergebnis geben (Probe 2. Teil). Fertig. Das ist keine Häresie, das ist trivial.

Und den besten Grund für gute Regeln hat 1of3 genannt:
Creative Constraints.
« Letzte Änderung: 14.06.2015 | 01:31 von Chruschtschow »
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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #62 am: 14.06.2015 | 01:31 »
Lieber Chrustschow, ich kann nicht erkennen, dass Sonja etwas über Regeln allgemein gesagt hat.

Zitat von: Sonja
Brettspiel ist Brettspiel, und das ist auch gut so. Aber was soll das ausgerechnet beim Rollenspiel?

Es geht um eine bestimmte Art von Regeln: die brettspielartigen.
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Offline Chruschtschow

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #63 am: 14.06.2015 | 01:34 »
Du hast recht, ich hätte eher Huntress von der Seite davor zitieren sollen, der Sonja im Beitrag drauf zustimmt.
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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #64 am: 14.06.2015 | 01:38 »
Ah. Da hast du wieder Recht (und ich hatte es nicht mehr auf dem Schirm). Das ist schon etwas kurzsichtig.
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Offline Chiarina

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #65 am: 14.06.2015 | 03:46 »
Zitat von: Chruschtschow
Aber auf Dauer ist der Schritt von der impliziten zur expliziten Regel zur Konfliktresolution dann doch mal sinnvoll.

Ja, das kann schon sein. Aber muss das so sein? Kann es nicht vielleicht auch sein, dass man, wenn man genug gewürfelt hat, irgendwann die explizite Konflikresolution wieder minimieren möchte? Ich fühle mich manchmal so (aber nicht immer!). Und warum eigentlich ununterbrochen Konfliktresolution? Bei Fate wird vom Spielleiter verlangt, Fan seiner Spielercharaktere zu sein. Toll, aber brauche ich explizite Regeln zur Konfliktresolution wenn ich als Spielleiter Fan der Spielercharaktere bin? Wieso muss es zu nein-doch-nein-doch-nein-doch kommen, wenn der Spielleiter Fan der Spielercharaktere ist?

Ich muss an "Archipelago III" denken, ein norwegisches Erzählrollenspiel mit minimalen Regeln. Ich erzähle euch kurz, wie das aussieht: Es gibt keinen Spielleiter. Zu Beginn des Spiels wird ein Setting besprochen, in dem jeder Spieler ein Element zugeordnet bekommt, über das er im Spiel die Entscheidungshoheit bekommt (Magie, Geographie, Kultur, was auch immer). Die Charaktere werden frei herbeierzählt. Es gibt keine Spielwerte. Es wird empfohlen, dass der Charakter eine Beziehung zu einem anderen Charakter hat. Ob das aber der Charakter eines anderen Spielers ist, oder eine Nebenfigur bleibt offen. Zu Beginn jeder Spielrunde schreibt jeder Spieler für die Charaktere der anderen Spieler ein "Schicksal" auf. Das ist einfach ein Thema, von dem der Spieler es spannend finden würde, wenn sich der fremde Charakter in der aktuellen Spielrunde damit beschäftigen würde. Der Spieler des Charakters wählt dann hinterher aus der Reihe der Vorschläge das Schicksal aus, das er für seinen Charakter zur bevorstehenden Spielrunde am geeignetsten findet. Eine Spielrunde dauert im Idealfall solange, bis alle ihre aktuellen Schicksale zu einem befriedigenden Abschluss geführt haben. Wenn ein Spieler an der Reihe ist, beschreibt er schlicht und einfach, was seinem Charakter widerfährt. Einmal pro Spielsitzung kann der Spieler, wenn er will, eine Karte ziehen. Diese Karten entsprechen den Resolution Cards von Itras By und enthalten die inzwischen schon einigermaßen bekannten Begriffe "Yes, but...", "Yes, and...", "No, but...", "No, and..." und noch ein paar Variationen davon. Wohlgemerkt: Diese Karten werden nicht immer dann gezogen, wenn man mit einem Schwert einen Ork haut, sondern höchstens einmal pro Spielabend (und zwar wahrscheinlich dann, wenn es darum geht, auf welche Art sich das Schicksal des Charakter im Spiel auswirkt). Bis es soweit ist, erzählen die Spieler einfach nur die Geschichte ihres Charakters. Sollten sie mit ihrer Erzählung ins Stocken geraten gibt es einen zweiten Kartensatz mit sogenannten Schicksalskarten, die ein paar Ereignisse vorgeben. Da stehen dann Dinge wie: "Der Charakter macht sich einen Feind innerhalb des Settingelements über das du die Entscheidungshoheit hast"... und das war´s dann. Auch von diesen Karten sollte man höchstens eine pro Spielabend ziehen. Abgesehen davon gibt es für alle Spieler einfach ein paar Schlüsselsätze, die sie verwenden können, ob sie an der Reihe sind, oder nicht. Die meisten sind selbsterklärend. Hier sind sie: "Versuche das auf eine andere Weise", "Beschreibe das genauer", "Das ist vielleicht nicht ganz so einfach", "Ich hätte gern ein Zwischenspiel", "Härter!", "Hilfe erwünscht!". Wenn ein Spieler an der Reihe ist, können die anderen Spieler Nebenfiguren übernehmen... entweder, wenn es ein Spieler wünscht, oder wenn sie selbst Lust darauf haben. Wenn ein Settingelement ins Spiel kommt, über das ein Spieler die Entscheidungshoheit hat, kann er darüber entscheiden und eventuell auch Veto sagen. Die Regeln klären nicht, ob die Charaktere irgendwie eine gemeinsame Gruppe bilden oder mehrere Einzelgeschichten stattfinden.

Ich lese diese Regeln nun zum vierten Mal und immer wieder habe ich das Bild dieser gechillten Typen in ihren Schaukelstühlen auf der Veranda vor ihrem Haus vor Augen. Die kennen sich schon seit Jahren, trinken einmal in der Woche dort zusammen ein Bier und spielen Archipelago III. Die Aufforderungs-Sätze fallen immer seltener. Man ist aufeinander eingespielt und weiß, was die anderen gutheißen. Auch die Schicksalskarten werden immer seltener gezogen. Inzwischen weiß man, wie man den anderen eine Geschichte erzählen kann und ist in der Erzählung drin... was soll man da Schicksals-Karten ziehen? Gegen Ende des Treffens, wenn es um die Erfüllung des Schicksal der Charaktere für die aktuelle Spielrunde geht, wird eben noch eine Entscheidungskarte gezogen und interpretiert. Vielleicht - wenn sie nicht passt - wird sie sogar ignoriert. So what? Die expliziten Regeln machen sich nach und nach selbst überflüssig. Danach trinkt man schweigend noch ein zweites Bier und verabschiedet sich. Das ist das Minimum an expliziter Konfikt-Resolution... und es hört sich für mich verdammt attraktiv an.
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Online 1of3

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #66 am: 14.06.2015 | 07:21 »
Das ist kein Spiel, das ich spielen wollen würde. Das hat ja ganz tolle Ansätze.

Schicksalskarten super.
Entscheidungskarten OK.
Schlüsselsätze OK.

Aber Regeln, die sich überflüssig machen, sind überflüssig. Regeln müssen dir mit ihrem fetten Arsch ins Gesicht springen. Mach zusätzlich Symbole auf einzelne Schicksalskarten. Die Schicksale werden nicht aufgelöst, bevor nicht eine gewisse Anzahl dieser Symbole liegt. Mach die Entscheidungskarten sensitiv für ausliegende Symbole. Das hier ist Archipelago, Meister. Da spielst du nicht, was du willst!

Offline Abaton23

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #67 am: 14.06.2015 | 08:12 »
Ich hab den Eingangstext mal etwas nacheditiert, weil es immer wieder zu Mißverständnissen kam, um was es mir geht. Auch verwenden verschiedene Systeme Begriffe in einem unterschiedlichen Kontext, was zur Verwirrung beigetragen hat, je nachdem, von welcher Warte aus sich ein Antwortender auf diese Begriffe bezogen hat. Man möge mir verzeihen, nicht alle Bezüge über sämtliche Systeme in die richtige verbale Form bekommen zu haben.

Die edits sind am Ende des Textes benannt.
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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #68 am: 14.06.2015 | 08:18 »
Nach dem Edit, habe ich diese Formel, glaube ich, verstanden. Ich lese das jetzt so:

"Wenn die Handlung eines Charakters in den Einflussbereich eines Spielwerts fällt, löst das eine Probe auf den Spielwert aus."

Ist das so richtig?

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #69 am: 14.06.2015 | 08:19 »
Vampire (einer Deiner Beispielsysteme) benutzt übrigens Attribute anders, als Du sie als Subsystem beschrieben hast. Die speziellen Handlungen sind komplett von den Attributen entkoppelt und werden dann je nach Aktion für die Probe heran gezogen. Die Attribute sind dann also weder über noch unter den speziellen Handlungen. Du kannst also besonders gut im Schleichen sein, ohne ein Geschicklichkeitsmonster zu sein.
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Offline Abaton23

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #70 am: 14.06.2015 | 08:21 »
Nach dem Edit, habe ich diese Formel, glaube ich, verstanden. Ich lese das jetzt so:

"Wenn die Handlung eines Charakters in den Einflussbereich eines Spielwerts fällt, löst das eine Probe auf den Spielwert aus."

Ist das so richtig?

Exakt das meinte ich. Deshalb war wohl die Editierung notwendig.

_________________________________________________ ______________________________________________

Vampire (einer Deiner Beispielsysteme) benutzt übrigens Attribute anders, als Du sie als Subsystem beschrieben hast. Die speziellen Handlungen sind komplett von den Attributen entkoppelt und werden dann je nach Aktion für die Probe heran gezogen. Die Attribute sind dann also weder über noch unter den speziellen Handlungen. Du kannst also besonders gut im Schleichen sein, ohne ein Geschicklichkeitsmonster zu sein.
Bei meiner Darstellung beziehe ich mich auf zahllose Systeme. Dass jedes System auch etwas "speziell" ist, liegt in der Natur der Sache. Allerdings entspricht auch Vampire der Urformel und nur in diesem Kontext habe ich es aufgeführt:

spez. Handlung + Spielwert => Probe

- spez. Handlung = Fähigkeit aus Liste
- Spielwert = Pool aus Attribut + Fähigkeit
- Probe = Würfelwurf nach Schwierigkeit
« Letzte Änderung: 14.06.2015 | 08:36 von Abaton23 »
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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #71 am: 14.06.2015 | 08:30 »
OK. Die mathematischen Zeichen sind da enorm verwirrend, weil nichts addiert wird.

Vampire (einer Deiner Beispielsysteme) benutzt übrigens Attribute anders, als Du sie als Subsystem beschrieben hast. Die speziellen Handlungen sind komplett von den Attributen entkoppelt und werden dann je nach Aktion für die Probe heran gezogen. Die Attribute sind dann also weder über noch unter den speziellen Handlungen. Du kannst also besonders gut im Schleichen sein, ohne ein Geschicklichkeitsmonster zu sein.

Die Attribute sind breiter als die Fähigkeiten. Abatons Beschreibung ist da schon zutreffend.

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #72 am: 14.06.2015 | 08:39 »
Okay. Das habe ich verstanden. Ich hatte irgendwie den Eindruck, dass Du eine feste Zuordnung einer Fertigkeit zu einem Attribut als Basis Deiner Argumentation genommen hast.
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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #73 am: 14.06.2015 | 09:19 »
Ich denke das ist keine Zweioteilung sondern eine Dreiteilung:

Klassische Rollenspiele
Erzählspiele (auch mit entsprechende Regeln, hier halt mehr auf der Metaebene)
"freies Erzählen"

und letzteres ist ist wohl weniger "der Standard" als in diversen Foren lediglich laut und penetrant gehypt.

In dem Sinne braucht man (unter anderem) so viele Regeln um deren Vertreter andere Runden nach Möglichkeit unschmackhaft zu machen und so von ihnen verschont zu werden!

Leute, denen alle Regeln zuviel sind, nehmen vor allem ihre Mitspieler nicht ernst, den jeder gleichberechtigten Kooperation liegen wieder Regeln zu Grunde und zwar sinnvollerweise vorher abgeklärte Regeln.

Regeln generell abzulehnen ist bestenfalls ein Zeichen überbordender Egozentrik und der Unfähigkeit sich vorzustellen, dass da auch Leute mit etwas anderen Vorstellunegn mit am Tisch sitzen könnten.
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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #74 am: 14.06.2015 | 12:03 »
Ja, das kann schon sein. Aber muss das so sein? Kann es nicht vielleicht auch sein, dass man, wenn man genug gewürfelt hat, irgendwann die explizite Konflikresolution wieder minimieren möchte? Ich fühle mich manchmal so (aber nicht immer!). Und warum eigentlich ununterbrochen Konfliktresolution? Bei Fate wird vom Spielleiter verlangt, Fan seiner Spielercharaktere zu sein. Toll, aber brauche ich explizite Regeln zur Konfliktresolution wenn ich als Spielleiter Fan der Spielercharaktere bin? Wieso muss es zu nein-doch-nein-doch-nein-doch kommen, wenn der Spielleiter Fan der Spielercharaktere ist?

Müssen tut es das nicht, aber: Viele Spieler haben eine Menge Spaß daran etwas zu "leisten", eine Herausforderung zu überwinden. Wenn jetzt der SL als "Fan" immer nur "ja, toll, schöne Beschreibung das klappt" sagt verlieren die einen Teil ihres Spaßes. Das soll nicht heißen, dass jeder (immer) so etwas bracht, aber es macht für viele halt Sinn einen entsprechenden Mechanismus zu haben. Gerade Fate halte ich übrigens für ein sehr schlechtes Beispiel, da dort ja auch propagiert wird, dass Scheitern zu tollen Geschichten führen kann.