Es geht mir hier nicht wirklich um die Wortwahl. Die "erziele eine bestimmte Zahl pro Würfel" Mechanik auf kleinen Pools ist etwas eigentlich sehr einfaches und elegantes...wenn man aber 3 Würfel braucht, die die richtige Zahl (oder darüber) anzeigen um erstmals einen richtigen "Erfolg" zu haben, ist das eher a) kontra-intuitiv und b) ziemlich hart.
Zwei Erfolge reichen eigentlich. Drei sind besser als erwartet, zumindest soll es das bedeuten.
Das zentrale Problem ist die totale Ziellosigkeit. Du fragst dich, ob das Regelwerk besonders "hart" sein soll. Kann ich dir nicht sagen. Kann dir wahrscheinlich auch Christian nicht sagen, der noch am ehesten den Gesamtüberlick hatte. Tobi kann dir das auf keinen Fall sagen. Der hat sich nach meiner Überarbeitung der Regeltexte sehr bedankt, dass er das Regelwerk nun auch verstanden habe.
Kurz: Die Autoren wussten nicht, was sie wollen und das Spiel weiß es auch nicht. Vernünftig getestet ist es ganz sicher auch nicht. Es geht aber eben schon damit los, dass das Spiel keine Core Story formuliert. Was spielt man da eigentlich? Ist ja schön, dass man weiß wie die Mode auf diesen oder jenen Inseln ist, aber das ist allerhöchstens ein Projekt in Weltenbau, kein Rollenspiel.
Zu jener Zeit war der Begriff "Spieldesign" in Rollenspieler-Kreisen noch nicht erfunden. Man wusste eben, wie Rollenspiele so sind. Die haben ein Regelwerk, das üblicher Weise so Attribute und Fähigkeiten hat und Kampfregeln und ein Magiesystem. Und man hat ne Spielwelt. Und deshalb hat das Regelwerk in AERA mit der Welt auch so gar nichts zu tun, außer dass es die Magieregeln gibt. Es war auch die Zeit, wo Regeln "nicht wichtig" waren. Die Hochphase der Storyteller. Mit der Einstellung kann man aber keine Regeln konzipieren, auch wenn man noch so sehr dran glaubt. Wenn du die Einleitung zum Thema "Regelwerk" anschaust, erkennst du da entsprechend auch nur heiße Luft.
Statt der Spielwelt ein willkürlich festgesetztes Würfelsystem
aufzuzwängen, wurden sämtliche Spielregeln aus der Welt
heraus erschaffen. Viele Elemente von Kosmologie und Religionen
Landorias finden dadurch ihr Abbild im Regelwerk – sei es
die Aufteilung des Charakters in Körper, Geist und Seele oder
der Codex, ein Regelbereich, der sich mit den Moralvorstellungen,
Trieben und den Leitgedanken des Charakters beschäftigt.
Nun, selbstverständlich ist das Regelwerk willkürlich. Das habt ihr hier schon mit der merkwürdigen Wahl der W12 erkannt. Und dass es drei Arten von Attributen gibt, die Körper, Geist und Seele heißen, bedeutet eben noch gar nichts. Hier zeigt sich sehr schön, inwiefern Regeln und Hintergrund überhaupt zusammenpassen können: Man kann diesen oder jenen Spielwert stilistisch passend benennen.
Woraus man Regeln entwickeln könnte, wäre eine prototypische Handlung. Die werdet ihr aber in dem ganzen Dokument nicht finden.
Die Regeln sind bewusst einfach und konsistent gehalten, damit
sie das Spiel nicht dominieren, sondern leicht zu erlernen und
anzuwenden sind. Somit bleibt mehr Zeit für das eigentliche
Rollenspiel. Dieses System hat das Ziel, subtil das Rollenspiel zu
unterstützen und über intuitive Handhabung zu ergänzen: Die
Story ist hier stets wichtiger als die Statistik. Niemand erinnert
sich lange an gewöhnliche Würfelergebnisse, aber die erlebten
Spielsequenzen bleiben häufig über einen sehr langen Zeitraum
in Erinnerung.
Nein. Die Regeln sind garantiert nicht einfach gehalten. Risus ist einfach gehalten. The Pool ist einfach gehalten. SEUCOR ist einfach gehalten. AERA leistet sich ein ziemlich ausladendes Kampf- und Magiesystem, weil man das eben so machte.
Und das sich niemand an gewöhnliche Würfelergebnisse erinnert... Ich erinnere mich da an die Sitzung, wo eine Mitspielerin 4 20en hinterneinander würfelte und zwei Mitglieder der eigenen Gruppe enthauptete.
AERA legt sehr viel Wert darauf, dass die Spieler ihre Aktionen
beschreiben und dass dann aus dieser Beschreibung eine
eventuell fällige Probe wie selbstverständlich resultiert.
Nein, tut es nicht. Apocalyse World tut das vielleicht oder Unknown Armies. Wenn man erst Attribut und Fertigkeit und Schwierigkeit bestimmen muss, ist das keineswegs selbstverständlich. Wenn man aber Wert auf Beschreibung legt, könnte man die auch speziell honorieren wollen, z.B. mit Stunts oder Fanpost o.ä. Diese Methoden waren aber noch nicht erfunden.
Dadurch
gewinnt das System an Vielfalt, da man ein und dasselbe Problem
durch unterschiedliche Herangehensweisen und auch regeltechnisch
auf ebenso diverse Arten lösen kann. Auf diese Weise ist
es für die Spieler einfacher, ihren Charakter hintergrundgetreu in
eine bestimmte Richtung zu spezialisieren, da sie nicht durch
die Regeln eingeschränkt werden.
Das ist offensichtlich Bullshit. Nur dass die Regeln viele, viele Spielwerte haben, heißt nicht, dass ein gegebenes Problem auch mit verschiedenen Wert lösbar ist. Gerade das Gegenteil könnte diesen Effekt. Und "hintergrundgetreu in eine bestimmte Richtung zu spezialisieren, da sie nicht durch Regeln eingeschränkt werden" ist offenbar schief. Es wäre ja überhaupt kein Problem, die Regeln so zu schreiben, dass ihre Anwendung Hintergrundtreue bedeuten würde. Dazu müsste man aber wissen, was dieser ominöse Hintergrund überhaupt ist.
Umgesetzt wurde all das durch ein so genanntes „Erfolgssystem“,
das es den Spielern ermöglicht, bereits vor einer Probe
recht genau die Erfolgschancen abzuschätzen.
Auch hier: Es ist offensichtlich einfacher, die Wahrscheinlichkeit bei 1W20 abzuschätzen als bei einem Poolsystem mit vier Stellschrauben.
Und wenn du jetzt noch fragst, wo das Problem ist, dann weiß ich auch nicht.