In DSA braucht man vielleicht 1 mal im Jahr die Regeln für Kälte/Erfrieren und schon muss man wieder suchen.
Da wäre die Frage, ob das bei der App dann wesentlich schneller ginge - schließlich hat man da solche Randanwendungen auch nicht immer "griffbereit" und muss bei einer improvisierten Anwendung erst mal die Parameter eingeben.
Aber richtig zur Geltung kommt so eine App in meinen Augen erst, wenn der zugrunde liegende Regelkern eine Komplexität und Verschachtelungstiefe hat, die für normale Spieler unangenehm ist. Beispiele sind z.B. sehr feingranulare Schadenssysteme
Kann ich nachvollziehen, aber da frage ich mich auch unabhängig von der Softwareunterstützung, wo der Mehrwert so komplexer Regeln letztendlich ist.
Bei entsprechenden Videospielen sieht man das recht oft, dass Regeln nur deswegen unnötig komplex sind, weil man das ja eh auf den Rechner abwälzt - in der Regel mit ein paar mehr oder weniger absurden Artefakten.
Da brauche ich weder die Illusion von Realismus durch zigtausend Sonderfälle und Kleinigkeiten noch die Vorgaukelei von großer Macht durch immer absurdere Werte und exponentiell ansteigende Schadenszahlen (man denke da nur mal an Diablo 3...).
Aber umgekehrt sind wir ja auch bei vielen anderen Mechanismen daran gewöhnt, das System nicht genau erschließen zu können und einfach zu lernen die Eingabe so zu wählen, dass einem die Ausgabe gefällt (Wer versteht genau wie sein Auto intern arbeitet? Wer rechnet im 3D-Shoter den idealen Winkel für den Granatenwurf aus?).
An den Vergleich mit dem Auto habe ich beim Erstellen des Themas auch gedacht
Allerdings ist das die falsche Ebene.
Analog zur genauen Funktionsweise des Autos müsste ich wissen, wie die App (nicht das abgebildete System) programmiert ist oder wie die Würfel hergestellt und die Bücher gelayoutet und gedruckt werden.
Fürs Auto wäre passender, dass man z.B. die Abmessungen kennt (nicht nach Zahlen, sondern als anwendbare räumliche Vorstellung), dass man weiß, wie der Wendekreis ist, wie sich der Kasten im Extrembereich in der Kurve verhält, wann man noch bremsen kann oder schon ausweichen muss - und vom Modell weg ein paar grundlegende Sachen wie etwa, dass rückwärts einparken weniger Platz braucht.
Bei spezialisierten Fahrzeugen kommt dann ggf. noch mal eine ganze Menge Zeug dazu.
Als "normaler" Anwender muss man das alles nicht unbedingt wissen und können; da kommt es einfach auf den eigenen Anspruch an.
Aber ab einem gewissen Punkt bzw. für bestimmte Sorten von Fahrern ist das Pflichtveranstaltung.
Ebenso muss man nicht wissen, wie der 3d-Shooter programmiert ist oder wie das Granaten werfen auf Softwareebene funktioniert.
Aber man muss wissen, von welchem Punkt der Karte man eine Granate mit welcher Methode (wenn es verschiedene gibt) an welche anderen Punkte bringen kann u.Ä..
Muss der casual gamer auch nicht wirklich können, aber wer turniermäßig spielen will, kommt nicht drumherum, sich das experimentell zu erschließen.
So sehr bin ich schon Gamist, dass ich diesen Anspruch in ähnlicher Weise zumindest für die Systeme habe, die ich oft spiele.
Wer sich ein Rollenspielsystem so weit angeeignet hat, dass er verschiedene Manöver in einer Situation X nach den jeweiligen Boni bewerten kann, der kann es auch selbst anwenden.
Dann ist wirklich nur die Frage, ob ein System in der manuellen Anwendung so umständlich und zeitraubend ist, dass eine App das schneller kann (dazu gleich mehr).
Und mir fallen ziemlich viele Bereiche ein, wo ich diesen Blackbox-Effekt unheimlich nervig finde, weil jeder irgendwelches Halbwissen verbreitet und es damit letztlich für alle Interessierten schwerer macht, die tatsächlichen Zusammenhänge zu erfassen.
Sei das nun beim Thema Sport in vielerlei Ausprägung oder beim regeltechnischen Bereich von MMOs...haarsträubend.
Das brauche ich nirgends, erst recht nicht im P&P.
Und zu guter Letzt: Das Medium App direkt zu verschmähen und nicht zu erforschen ist anachronistisch. Das Hobby Rollenspiel muss sich, ebenso wie alle anderen Hobbys die sich weiter entwickeln wollen zumindest mal mit den Möglichkeiten der neuen Technologien auseinandersetzen (sogar der verdammte Thermomix macht jetzt in App und RFID-Kochbuch). Wir verschenken hier eventuell Potential und die Chance neue Kundenkreise zu erschließen, wenn wir die Idee schon im Vorfeld kategorisch ausschließen.
Da bin ich zugegebenermaßen ein Sonderfall.
Ich bin nämlich ein ganz schlimmer Usability-Nazi und könnte jedesmal explodieren, wenn ich an einem Tablet längere Texte schreiben muss oder mich anderweitig mit irgendwelcher Software rumärgern darf.
Mir geht da
immer irgendwas auf den Keks.
Obendrauf improvisiere ich als SL viel und da ist eine App, der ich kurzfristig verklickern muss, was gerade abläuft, immer eine Bremse gegenüber der altmodischen Vorgehensweise.
Für vorbereitungslastige Leitstile kann es freilich eine große Erleichterung sein.
Aber auch da bin ich skeptisch, was die Tauglichkeit von - einmal weitergedacht - virtuellen Spieltischen und VR-Brillen angeht.
Da ist einfach die Einstiegshürde extrem hoch, bis das so gut aussieht und so leicht bedienbar ist, dass es einen massiven Vorteil bringt.
Wenn ich als SL um die Beschränkungen von Software und visueller Darstellung "herumleiten" muss, ist mir das nicht gut genug.
Und ja, da lege ich ganz bewusst andere Maßstäbe an als für eine mündliche Beschreibung und/oder eine Skizze.
Schließlich muss ich auch Geld und Arbeit reinstecken.
Als Spieler lasse ich es mir noch gefallen, wenn der SL Gelände und Miniaturen aufbaut, auch wenn das für mich als SL so gar nicht mein Ding ist.
Aber die VR-Brille auf der Nase zu haben und mir dann auf dem grafischen Niveau von Wolfenstein 3D oder Doom 1 anzugucken, wie der SL in Echtzeit "mal eben" einen improvisierten Raum einrichtet...da hörts dann auf.
Das überlasse ich in der Entwicklungs- und Selbstfindungsphase gern anderen, und wenn es mal so weit ist, dass ich mir das freiwillig angucke, wird man feststellen, dass man das über Anpassung von "richtigen" Videospielen, quasi aus der anderen Richtung kommend, ein ganzes Stück leichter hätte haben können.
Und dass die ganzen Erleichterungen, die doch nur das Spielen der Rolle hätten befreien und verbessern sollen, zum Spielfokus geworden sind; dieses Problem haben alle mir bekannten Tools wie Roll20 und wie sie alle heißen.
Pen&Paper&Tablet ist nicht meine Sache, aber da stört es mich wenigstens nicht, wenn andere Spieler ihr Tablet für weiß der Geier was nutzen.
Videospiel-Hybriden sind dann aber endgültig nicht mehr mein Bier. Das weiß ich aus dem Bereich der Videospiele, die bei den Rollenspielen wildern - den langen Weg aus der anderen Richtung muss ich da nicht mehr gehen, um zu wissen, dass mir das Ziel nicht gefällt.
Zuletzt:
Gibt es wirklich eine große Gruppe von potentiellen Einsteigern, die nur deswegen nicht spielen, weil es keine guten Apps gibt?
Auch in eine App muss man sich einfuchsen und braucht als absoluter Anfänger den Spielleiter oder anderen Spieler, der sich das ganze Gefuddel mit Charaktererstellung usw. antut.
Denn ein hoch komplexes System mit vielen Optionen ist auch mit App immer noch anstrengend und für den Einsteiger abschreckend.
Entscheidungen von Spielerseite kann man nicht automatisieren - auch mit der besten App fischt ein SR-Neuling immer noch im Trüben und wurstelt letztlich irgendwie einen SC zusammen.
Und fragt sich am Ende, warum man nicht gleich ein Videospiel gespielt hat.
Denn da kann man es viel leichter so machen, dass der Charakter mit einem übersichtlichen Kern anfängt und dann nach und nach weitere Elemente des Spiels
und des Charakters hinzu kommen.
Das können im P&P-Bereich einige Systeme von Haus aus, aber die kranken trotz aller verfügbaren Softwareunterstützung an ihrer irgendwann überbordenden Komplexität - weil man wie gesagt Entscheidungen nicht automatisieren kann.