Na gut, das hat jetzt ein bißchen länger gedauert. Also –
Den grundlegenden Allzweck-Mechanismus, im Spiel irgendwelche Aktionen einheitlich mit Position/Effekt abzuhandeln, finde ich schon ziemlich wief und sehr benutzerfreundlich. Da dieses System praktisch völlig ohne Waffenlisten oder Gegnerwerte auskommt und man alles einfach aus der fiktiven Situation heraus beurteilt, geht das Improvisieren und mechanische Einordnen von Situationen wie von selbst von der Hand; mit den Komplikationen und Effekten erschafft dazu noch jeder Wurf neue Fiktion. Als Spielleiter hangele ich mich oft von Wurf zu Wurf und weiß im Voraus nie, was als nächstes kommt und wie die Fiktion aussieht, bevor der Wurf nicht mit seinen Folgen festgeschrieben ist. Das ist für mich eigentlich die größte Stärke dieses Spiels. Ein Mitspieler, als er neulich zum ersten Mal eine Runde leitete, meinte angenehm überrascht: „Es leitet sich wie von selbst!“ Mit Position & Effekt kann man praktisch alles abdecken, was so kommt, und das innerhalb eines sehr kleinen Spektrums.
Nun steht im Buch zwar was von unterdrückten scoundrels, die ständig mit der Knute geknechtet werden, aber das spielt sich ja hauptsächlich in der Downtime ab, wenn man sich Verwicklungen an den Hals würfelt (und dann z.B. einfach wer von den Blauröcken verhaftet und durchgewalkt wird). Tatsächlich haben die Spieler während eines Scores mit Streß, Teamwork, Ausrüstung, Pushen, Flashbacks und dem Hin-und-Herschieben von Position gegen Effekt phantastisch viele Möglichkeiten, sich in Konflikten durchzusetzen. Was eben noch unmöglich schien, hat auf einmal einen soliden Effekt; angesichts des sicheren Todes steckt man ein bißchen Streß ein oder verbrennt ein Stück Rüstung und weiter geht’s. Wenn die Spieler ausreichend motiviert und erfindungsreich sind, können sie alleine schon durch Agieren in der Fiktion sehr viel erreichen; wenn sie auch noch auf der Metaebene gut zusammenarbeiten und ihre Ressourcen ausnutzen, ist die Gang fast schon eine Naturgewalt. „Riskant, Null Effekt“ heißt ja nur, daß man sich ein bißchen anstrengen muß und ein paar Beulen oder etwas Streß riskiert.
Und das ist ja auch wieder ausdrücklich Ziel des Spiels: Hindernisse sind dazu da, um von der Crew überwunden zu werden, und einen entschlossenen Halunken kann man nicht so einfach aufhalten. Kritisch wird es nur, wenn der Streß zur Neige geht und man riskiert, sich mit einem Trauma aus dem aktuellen Konflikt zu kegeln. (Was ja aber auch nicht schlimm ist; muß der Spielleiter das Männchen halt wieder in die Fiktion einbringen, sobald es gerade geht.) In Blades kommt man wirklich mit sehr viel durch. Mir ist das manchmal ein bißchen zu einfach. Vielleicht habe ich als Spieler eine kleine masochistische Ader.
Dafür gibt es natürlich Ränge (tiers) und die Möglichkeit, eine gegnerische Handlung mit einer Konsequenz vorzulegen und zu verlangen, da erst mal zu widerstehen. Und da hatten wir neulich eine kuriose Situation, die den Spielspaß etwas strapaziert hat:
Am Anfang der Runde, in der freien Spielphase, gerät die Crew in einen kleinen Hinterhalt – eine rivalisierende Gang und dazu noch eine Rote Schärpe (einen Rang höher), die da mal nachhakt. Eine verzweifelte Situation, und ich lege noch dazu vor: „Er hält dir eine Pistole vor die Nase und drückt ab. Would you like to resist?“ Und dann kommt es auf einmal zu der Situtation, daß sich so viel Streß angesammelt hat und Position und Effekt so weit heruntergedrückt sind, daß sie praktisch jede Aktion abwürgen: Mit Verzweifelt/Null Effekt kann man nicht hin und her schieben, man muß also Streß investieren, um von null auf wenigstens geringen Effekt zu kommen. Auf einmal kann kein Spieler mehr agieren, ohne sich sofort rauszuschießen, und auch der Spielleiter kann keinen effektiven Zug machen, ohne jedes Mal ein Männchen aus dem Spiel zu nehmen. Eine vorgelegte Konsequenz nimmt sogar sofort die Figur aus dem Spiel, wenn sie nur versucht, zu widerstehen – kein schönes Gefühl für den Spieler, der dann nur die Wahl hat, entweder die Konsequenz zu schlucken, ohne sich irgendwie wehren zu können, oder aber durch Widerstehen sofort aus der Handlung auszuscheiden und nicht einmal mehr selbst agieren zu können. Er ist hilflos.
Solange man Position/Effek gegeneinander verschieben kann, ist das kein Problem – deshalb kostet Schieben ja auch keinen Streß; es ist fast immer möglich und verhindert so effektive Deprotagonisierung. Nur wenn beide Paramter am unteren Anschlag sind (was durch die kleine Skala gegen höhere Ränge leicht geschehen kann) und Streß knapp wird, kann man Konflikte bereits durch bloßen Einsatz des Konfliktmechanismus verlieren, schlimmstenfalls ohne jede Aktion. Das macht dann keinen Spaß mehr.
Wie gesagt, solange sich alles im normalen Rahmen hält, funktioniert das großartig, aber so Gegendruck geben, wie ich das oft gern möchte, ist nicht immer einfach: meist überwinden die Spieler auch diese Hindernisse mit Leichtigkeit, manchmal würgt man das Spiel ab. Da bedient Blades einfach nicht meine Bedürfnisse.