Hallo,
da ich selbst SL bin, der jahrelang settingsüchtig unterwegs war, kann ich zumindest subjektiv schildern, worauf ich dabei Wert gelegt habe.
1. Umfang: Wenn das Setting keine kritische Masse an Material überschreitet (sagen wir 100 Seiten), werde ich lustlos und denke mir "das kann ich auch fabrizieren".
2. Bilder: Ganz wichtig ist für mich als Einstieg, welche illustratorische Linie verfolgt wird. Was vermitteln mir die ersten Bilder, die ich dazu sehe? Ist es innovativ oder Klischee? Sehe ich muskelbepackte Barbaren, die mit Äxten gegen Monster kämpfen, Zauberer, die Magie wirken, oder beschauliche Dörfer, Städte usw. (Die Aufzählung ist beliebig und völlig wertfrei).
3. World Hook: Wie schon erwähnt wurde, brauche ich eine Einleitung als SL. Nach dem Motto "Warum ein weiteres Setting?" Hier hoffe ich, wertvolle Grundsätze zu lesen, was das Setting von den Milliarden anderen unterscheidet. Was ist Thema, welches Spielprinzip unterstützt es, welche Szenarien, worum soll es am Spieltisch gehen? Das heißt: auf Rollenspieler zurechtgeschneiderte PR.
Sehe ich hier bereits, dass gar keine rote Linie zu erkennen ist, oder erzählt man mir, was ich in 25 Jahren schon oft gelesen habe, verliere ich Interesse.
4. Vollständigkeit: Wenn ich ein Setting kaufe, möchte ich zumindest das Gefühl haben, ein vollwertiges Produkt in den Händen zu halten. Die Sache muss rund sein, denn ich bin SL und brauche eine Metaperspektive. Ich will keine homöopathischen Dosen des Weltwissens, das ich mir zusammenkaufen muss, sondern eine grobe Gesamtschau mit Oberflächentiefe. Umso besser, wenn einige Regionen genauer beschrieben sind. Weil sie ggf. Startregionen darstellen.
5. Originalität: Je älter man als SL ist, umso mehr Settings kennt man und hat selbst geschrieben. Je banaler die Chose ist, je mehr EDO, je mehr Tolkien, je mehr 08/15, umso schneller lege ich das Setting beiseite. Ein Setting muss mir was Neues bieten.
6. Plothooks: Ein gutes Setting gibt mir pro Seite mindestens eine gute Plotidee. Sehr gute Settings schaffen das in weit größerem Rahmen. Man liest und liest und ersinnt immer weitere Abenteuer. Ein schlechtes Setting ist dull und platt. Zähes Lesevergnügen, bei dem man nach 5,10, 20 Seiten hofft, dass mal etwas erwähnt wird, woraus man ein Abenteuer schmieden kann. Sprich: Keine Weltbeschreibung, sondern eine Settingbeschreibung. Futter für Rollenspieler, nicht für Historiker.
7. Kein Schwarz/Weiß, viele Fraktionen: Ich mag Settings, die nicht dem Gut/Böse-Klischee folgen. Lieber viele Grautöne und gleichzeitig diverse Fraktionen, die ihre Interessen verfolgen.
8. Spannung: Vllt. der für mich wichtigste Punkt, der sich oft aus den Punkten 1-7 ergibt. Ein gut geschriebenes Setting lässt mich als SL und Leser eine Spannungskurve durchlaufen. Solche Settings haben etwas von einem Roman, bei dem diverse Rätsel aufgebaut werden, die sich erst nach und nach erschließen.
9. Lernkurve: Die Lernkurve sollte nicht allzu ungünstig verlaufen. Wenn ich nach 10 Seiten nicht das Gefühl habe "dieses Setting kann ich kognitiv fassen", verliere ich das Interesse. Es gibt Settings, die sind so komplex, dass man richtige Arbeit investieren muss, um sie zu verstehen. Als SL will ich jedoch im Gegensatz zu den Spielern, ein Setting "im Griff" haben. Ein Settingband darf mich hier nicht allzu alleine lassen. Ist das Setting großartig, investiere ich jedoch gerne die Mühe. Ist es eher mittelmäßig, sehe ich das als Zeitverschwendung und schlechten Settingautor-Stil. Was gar nicht geht sind jedoch kindgerechte Settings, deren Didaktik im Vordergrund steht. Der Leser wird an die Hand genommen wie ein Grundschüler, dem die Zahlen von 1 bis 20 erklärt werden.