Wenn ich aber eine PR-Veranstaltung zu einer Sache mache (und der GRT ist eine PR-Veranstaltung!), dann achte ich darauf, dass diese Sache positiv wahrgenommen wird.
Das ist jetzt keine Besonderheit von RPG: In anderen Hobbys mache ich auch Sachen, auf die ich bei einer PR-Veranstaltung verzichten würde.
Das kann ich nachvollziehen. Und es gibt auch Sachen, auf die ich auf dem GRT verzichten würde.
Die Frage ist nur eher, ob ein Weglassen solcher essenziellen, grundlegenden Facetten nicht viel eher eine negative Wahrnehmung hervorruft oder, in unserem Fall, verfestigt, und natürlich auch Chancen übergeht, durch die minimalen Risiken, die man dafür eingehen müsste. Zumal wir halt nicht die gewaltige kritische Aufmerksamkeit haben, mit der mainstreamigere Hobbies und Medien zu kämpfen haben. Ich halte ein negatives Medienecho mit ernsthaften Konsequenzen (vor allem eins, das über einen einzelnen überlesenen Regionalartikel hinausgeht) immer noch für hochgradig illusorisch. Wann gab es das im deutschen Rollenspiel überhaupt das letzte Mal, zumindest auf dieser "Skandalebene" mit Tabus? Kleine Ängste? Hatte das Konsequenzen
für das Hobby?
Aus Interesse: In welchem anderen Medium mit einer so breiten Zielgruppe wie der unseren (!) und einem so breiten Spektrum an Themen (!) würde man ernsthaft in Betracht ziehen, aktuelle realistische Facetten und politische Inhalte auszuschließen, aus Angst vor dem Feedback? Mir fallen nur sehr viel speziellere Kontexte ein. Eher krass im Gegenteil. Eigentlich wird sowas überall gefeiert, und es ist ein Zeichen, das ein Hobby "erwachsen" wird (so zum Beispiel bei Videospielen momentan). Niemand sagt was gegen politische Filme, auch wenn eskapistische Hollywood-Blockbuster massentauglicher sind, was ja auch völlig okay ist. Natürlich kann es da mal Backlash geben, aber Erwachsenwerden tut halt auch weh. Am Ende profitiert das Hobby so oder so davon.
Der GRT hat auch den großen Vorteil, dass er sich nicht nur um die Verkaufszahlen irgendeines Verlags kümmern muss, sondern auch wirklich das Hobby an sich in den Mittelpunkt stellen kann. Ich denke, ein Minimalmaß an Risikobereitschaft gehört dazu, wenn man nicht nur die absolute Oberfläche ankratzen will - und das will der GRT ganz eindeutig nicht, sonst würde er ausschließlich den DSA-Quickstart o.ä. rumschicken.
Und es geht halt echt um ein zahmes Ding, allem Anschein nach. Es redet niemand davon, die Grenzposten zu spielen, die die Flüchtlinge draußen halten sollen (wie etwa in zwei der drei Siegersettings aus der Fate-Weltenbandchallenge ... in a way), oder einen Terroristen, die Anschläge verübt, oder sowas. Wobei, Shadowrun ist sicherlich auch mit dabei. Aber das hat Drachen? :<
Am Ende muss man sich halt vor Augen halten, dass wohl, realistisch gesehen, niemand dieses One-Sheet auf dem GRT spielen und niemand darüber berichten wird - und wenn doch, wird es kaum jemand mitkriegen, zumindest nicht im negativen Sinne. Wenn es scheiße läuft, hätte der SL wohl genau so gut eine Shadowrun-Runde verhauen und damit jemanden anpissen können. Könnte man, wie gesagt, sogar in einem Infokasten auf dem Ding verankern, um sich abzusichern. Dass allerdings jemand zuhause (oder im Laden) durch das Heft blättert und sich denkt "Oha!", ist wesentlich wahrscheinlicher. Dass er sich so stark angegriffen von der bloßen Existenz einer einzelnen thematischen Seite fühlt, dass er das ganze Heft oder gar das ganze Hobby verteufelt, gehört für mich in die Lebenswelt von Hardcore-Fans, nicht von Leuten ohne Ahnung von einem Hobby. Dass so ein One-Sheet auf irgendwelchen "Wutbürger" o.ä. trifft, die dann Schindluder mit ihren imaginären Flüchtlingen treiben und am Ende zu besseren Menschen werden (oder auch nicht), ist eher der Plot für eine unterhaltsame Kurzgeschichte.
Gawd, wall of text, sorry.
tl;dr ... Nein, ich denke die Ängste sind nicht ernsthaft gerechtfertigt/realistisch, und man verkauft das Hobby unter Wert, wenn man vor einem so kleinen Risiko einknickt. Gerade auf dem GRT, der eben nicht der Splittermond/SavageWorlds/DSA-Tag, sondern eine Einführung in ein gesamtes Hobby ist, das für sehr viele Leute weit über Eskapismus hinausgeht.