Weil ich dazu keinen Faden gefunden habe, mache ich einfach mal einen. Akte X ist zurück, mit 6 neuen Folgen (und vielleicht noch mehr, je nachdem wie dieses Experiment verläuft). David Duchovny und Gillian Anderson tauchen dazu auch seit Wochen in allen möglichen (Late Night) Talkshows auf und Youtube explodiert geradezu mit lauter Interviews, Rückblicken, Best-Ofs, Analysen und dem ganzen anderen Hype. Weil die beiden eine wirkliche gute Chemie auf dem Bildschirm haben wird auch fleißig spekuliert dass sie ein Paar wären, man fühlt sich als alter Fan direkt ins Jahr 1997 versetzt.
Die Miniseries spielt im selben Universum wie die alten X-Files Episoden, das ist kein Reboot oder dergleichen. Von der alten Garde sind Skinner, der Raucher, die Lone Gunmen sowie Agent Reyes in originaler Besetzung dabei. Hinter der Kamera sind sowohl Chris Carter als auch Glen Morgan und James Wong zurück. Die Welt hat sich bekanntermaßen deutlich verändert und die Aliens haben die Welt noch nicht kolonisiert. Die Beziehung zwischen Mulder und Scully ist immer noch kompliziert, wenn auch aus anderen Gründen als vor 20 Jahren. Genaue Details möchte ich hier noch nicht spoilern, das kann man später im Faden machen, es sollte aber jeder gewarnt sein der hier mitliest dass Spoiler vorkommen können - auf dieses Rumgeieiere mit Spoiler-Tags habe ich absolut keine Lust weil es den Lesefluss extrem hemmt.
Nochmal für alle: rechnet mit Spoilern wenn ihr hier mitlest!
Bisher gab es zwei Folgen, die sich auch extrem voneinander unterscheiden. Die erste Folge etabliert Mulder und Scully im Hier und Jetzt, gibt ein paar vage Einblicke in die Dinge die seit dem letzten Kinofilm von 2008 passiert sind und versucht die alte Aliens-und-Regierungsverschwörung irgendwie mit der heutigen War-on-Terror-Welt zu verbinden, mit moderatem Erfolg. Die zweite Folge springt direkt ins kalte Wasser und Mulder und Scully sind zurück in Action mit einem Fall von Experimenten an mißgebildeten Kindern, die irgendwie vom Verteidigungsministerium gedeckt werden. Keine reine Mythologie-Folge, aber auch keine reine Monster-of-the-Week-Folge, sondern irgendwo dazwischen.
Was mir bisher sehr gefällt:
- die Hauptdarsteller bringen die Charaktere immer noch super rüber, man merkt dass viel Zeit vergangen ist und beide nicht mehr dieselben jungen Agenten von einst und nichtmal mehr die verbittterten Leute aus dem zweiten Kinofilm sind, beide wirken reifer.
- das bewusste Offenlassen von vielen (privaten) Details aus dem Leben von Scully und Mulder, wie z.B. die Sache mit ihrem Sohn.
- die bewussten Anspielungen auf früher, sowohl von Scully und Mulder als auch den anderen Figuren. Sei es beim Treppensteigen oder dem Hinweis auf Abhörtechniken (und zeitgleichem Vergessen den Akku aus dem eigenen Smartphone zu nehmen), es wird mit zwinkerndem Auge darauf hingewiesen dass die Welt sich weitergedreht hat.
- Skinner! 'nough said.
Was mir bisher gar nicht gefällt:
- das Pacing der neuen Serie ist oftmals irgendwie... falsch. Kein X-Files Feeling, irgendwie sehr bemüht und eher unpassend. Vor allem der Sprung vom Ende der ersten Folge zum Beginn der zweiten Folge war enorm, das fühlt sich echt an als wenn da 10 Minuten rausgeschnitten wurden (vom leeren Büro im FBI Gebäude und der Frage "Wo sind die Akten alle geblieben?" direkt zu "Hey, wir sind wieder da! Kistenweise Zeug im Büro und Special Agent und alles, kthxbye"). Dafür dass Carter und Co. selber hinter der Produktion stehen und das kein Team von Anfängern macht, ist das sehr befremdlich. Wie gesagt, nur teilweise so extrem, aber deutlich merkbar.
- im Zusammenhang damit ist der Zuschauer als solcher auch "herabgesetzt" worden, weil man nicht mehr wie früher allwissende Einblicke in die Perspektive der Monster, Gegner oder Gejagten bekommt. Keine Einblendung mehr wie Männer in schwarzen Mänteln Befehle erteilen und Beweise irgendwo einlagern nachdem Mulder und Scully ihr Ding getan haben und weggefahren sind, kein Szenenwechsel mehr der zeigt wie das Monster gerade zu Werk geht (aber mit genug offenen Fragen dass es spannend bleibt). Der Zuschauer weiß genauso viel, eher weniger, als die Helden. Das ist an sich auch in Ordnung, nur für mich irgendwie kein X-Files.
- die Nebenfiguren der ersten Folge waren unglaublich schlecht, aber nicht weil die Schauspieler nichts drauf haben sondern weil das Skript nicht wusste was es mit diesen Leuten anfangen sollte oder wie sie gescheit in die Handlung zu integrieren wären. Der Talkshowmaster wurde mit viel Bling etabliert und verschwand sang- und klanglos auf halber Strecke. Ob der nochmal wiederkommt ist fraglich, das Zeug dazu hätte die Figur locker, ich bezweifle dass die Serie das realisiert. Die junge Frau war ein sehr archetypisches Entführungsopfer und irgendwie konnte ich nicht nachvollziehen warum genau diese Person jetzt alles auf den Kopf stellt, die Reaktion von Mulder war so unfreiwillig komisch übertrieben dass es beinahe peinlich war. Der Militärarzt von Roswell, der plötzlich als Informant etabliert wird, war unnötig wie nur irgendwas. Es gab sooooo viele Figuren aus der alten Serie die diese Rolle hätten übernehmen können, Random Old Guy # 5863 hätte es dazu nicht gebraucht. Zumal dieses "du musst die Wahrheit selber finden!" Gebaren echt nervig war, weil es so grundlos in Szene gesetzt wurde. Das hatten wir in der alten Serie auch mehr als genug.
Insgesamt hängt die neue Miniseries für mich damit aktuell sehr stark an Anderson und Duchovny, der Rest ist stark verbesserungswürdig. Als elender Fanboy habe ich vielleicht auch übertriebene Erwartungen und würde den Kram sowieso gucken, egal in welcher Qualität, aber momentan verbleibe ich moderat enttäuscht und hoffe sehr dass die kommenden 4 Folgen das besser machen.