Was ich sagen kann, ist, dass ich über die Beschäftigung mit Theorie und die Teilnahme am Diskurs der Forge und Forge-Diaspora (über einige Irrungen und Wirrungen) dazu gekommen bin, mich selbst und meine Spielerlebnisse zielführender zu reflektieren, meine Intentionen zu kennen und klar zu kommunizieren und auch – ja, das ist wichtig – das Geschehen am Spieltisch richtig zu bewerten, also was ist der wirkliche Grund, warum etwas in der Fiktion passiert oder woraus kann ich wirklich irgendwelche Ansprüche gegenüber meinen Mitspielern ableiten (Hinweis: eben nicht kraft Naturrecht aus der Tatsache, dass ich SL bin).
Ein tieferes Verständnis entwickelt man nicht, indem man irgendwo eine in einem Absatz zusammengefasste Theorie liest. Dazu ist intensivere Befassung nötig, aktive Teilnahme am Diskurs und vor allem Analyse von tatsächlich passierten Spielrunden (eigenen und fremden). Und unweigerlich stellt sich zunächst Verwirrung ein, ehe diese ggf. Durchblick weicht. Viele Theorien richten sich im Übrigen eher an Spiel-Entwickler, als an Spieler. Viele Schlussfolgerungen und Erkenntnisse kann man sich auch aneignen, ohne sich vertieft mit den dahinter stehenden Theorien zu befassen. Insofern würde ich nicht generell empfehlen, sich mit Theorie zu befassen, zumal die bestehenden Theorien gerade im Forge-Umfeld historisch gewachsen und alles andere als übersichtlich oder stringent sind.
Die ganz fundamentalen Einsichten, die ich durch meine Umtriebe als sogenannter "Theoretiker" neu gewonnen habe, könnte ich vielleicht – sehr verkürzt – wie folgt zusammenfassen:
Erstens, alles ist auf die am Spiel teilnehmenden Menschen zurückzuführen. Auf der fundamentalsten Ebene steht hinter allem, was passiert, ein Mitspieler und sein Handeln. Jeder ist für sein Handeln verantwortlich, und auf die Akzeptanz der Mitspieler angewiesen. Charaktere, Spielwelt und Spielregeln sind weder gottgegeben, noch Selbstzweck, noch kann auf ihrer Ebene ein Konflikt gelöst werden, der auf der Ebene zwischen den Menschen am Spieltisch besteht. Das geht nur durch direkte und offene Kommunikation zwischen Mitspielern.
Zweitens, für ein gelungenes Spielerlebnis ist entscheidend, dass die Gruppe sich – implizit oder explizit – über den Spielstil einig ist. Das heißt nicht Einseitigkeit, aber es heißt, dass alle am Tisch (für eine gegebene Runde) das gleiche wollen und gut finden. Das positive Feedback und die Wertschätzung der Mitspieler spielen eine entscheidende Rolle für den Spielspaß, weshalb es ein Irrweg ist, zu glauben, man könne Mitspieler mit ganz unterschiedlichen Interessen und Vorlieben in einer Runde vereinen, indem man nur einen "guten SL" hat, der jedem das gibt, was er will. Daraus folgt, dass vielen "Problemrunden" nur dadurch zu helfen ist, dass man sie auflöst.
Und drittens, wenn man besonders intensive und fesselnde Spielrunden erlebt, die einen komplett in ihren Bann schlagen und euphorisch zurücklassen, dann ist dafür der Inhalt der Fiktion verantwortlich und die Dynamik zwischen den Mitspielern, eine Kombination von Wollen und Tun im Grenzbereich des eigenen Könnens, was Psychologen "Flow" nennen. Der Begriff und die Idee der "Immersion" sind irreführend, und insbesondere ist der Gedanke irreführend, durch Verbote (kein OT, keine dummen Witze) diesen erhabenen Zustand erzwingen zu können. Generell lassen sich solche Erlebnisse nicht erzwingen, es lassen sich nur möglichst gute Voraussetzungen dafür schaffen (Auswahl der Mitspieler, Auswahl des Systems, Auswahl des fiktionalen Inhalts, störungsfreie Umgebung, Ausgeruhtheit/freier Kopf). Für die allermeisten Rollenspieler dürfte es unrealistisch sein, solche Erlebnisse für jede einzelne Spielrunde, die man spielt, anzustreben.
Der praktische Nutzen dieser Erkenntnisse ist enorm.