Ich kann nur für mich selber sprechen:
Ich war niemals richtig weg von den klassichen Rollenspielen (um den leidigen Begriff "Retro" mal zu umschiffen). Die ganzen Hypes der letzten 15 Jahre habe ich immer vorsichtig betrachtet und mir die Dinge meist (wenn überhaupt) erst zugelegt, als der jeweilige Hype der Realität (oder dem nächsten Hype [oder der Ernüchterung]) gewichen war.
Trotzdem habe ich viel ausprobiert - auch auf den
Treffen...
Im Moment spielen wir Midgard 5 und das wird wohl noch lange so bleiben.
Aber - und ich finde das ist das wesentliche - wir spielen es anders, als wir es in den Neunzigern gespielt haben.
Wir spielen das klassische Rollenspiel, gewürzt mit den ganzen Techniken, die in den letzten 10-15 Jahren im Tanelorn lang und breit diskutiert wurden. Und wir spielen es mit den ganzen Erkenntnissen, die gewonnen wurden.
Deswegen funktioniert es viel besser, die Leute haben mehr Freude am Spiel, nehmen mehr mit.
In den Neunzigern haben wir nicht grottenschlecht gespielt (denke ich), aber wir haben vieles nicht durchschaut und verstanden, warum manche Spielsitzungen im Desaster endeten und warum sich die Diskussionen um das "Warum" und das "wie besser" endlos drehten. Wir haben einfach drauf los gespielt - wie wir es für richtig hielten. Es gab viel, das funktionierte (ohne dass es ein Bewustsein gab, warum) und etliches, das eben nicht funktionierte (auch ohne dieses Bewustsein).
Daneben sind eben viele Techniken im Tanelorn beschrieben worden, die das Spiel massiv bereichern: Screen Framing, Arbeiten mit Flags, Kicker, Fakten schaffen, "Ja, aber..." statt "Nein!", Relation-Maps, etc. etc.
Ein paar Dinge davon haben wir "damals" vielleicht instinktiv genutzt, aber eben nicht bewusst eingesetzt.
Deswegen läuft es heute besser, fühlt sich anders an und liefert mehr positive Rollenspielerlebnisse.
Es hätte bei mir theoretisch statt Midgard 5 auch Das schwarze Auge 5 werden können. Naja halb theoretisch jedenfalls. Ich habe mir beide Systeme angeguckt, "Das schwarze Auge" auch probegespielt. Runequest wäre auch ein Kandidat gewesen, kam etwas zu spät, aber auch da hätte Midgard im Vergleich gewonnen.
Ich glaube, dass eines die "Klassiker" von damals (mit ihren heutigen Inkarnationen) ausmacht:
Sie sind fähig, das man mit ihnen lange Kampagnen spielt. Und sie fordern das sogar teilweise ein.
Als Rollenspieler erwarte ich einen gewissen "Return of Invest". Ich meine das nicht finanziell, denn da kaufen wir ja alles mögliche und lassen uns sogar zu Fan-Finanzierungen verführen.
Das große Gut unserer Zeit ist die "Zeit" geworden - wenn ich mir 500 Seiten Regelwerk antue, dann möchte ich die auch lange nutzen und nicht nach einem One-Shot wieder abgeben. Dazu fehlt mir die Zeit.
Und ich möchte wieder eine Entwicklung im Spiel haben - in den Charakteren, in der Welt, in Werten und in der Art der Abenteuer, die gespielt werden. Ich möchte das nicht so exponentiell wie es bei D&D der Fall ist (deswegen und weil ich kein Spiel mit Fokus auf Taktik spielen möchte) flog D&D und PF auch raus.
Deswegen hab ich mir wieder ein klassisches Rollenspiel gesucht.
Denn die meisten "modernen" Systeme haben bei mir den "nur für kuze Kampagnen oder für One-Shots" Beigeschmack hinterlassen. Ich sage nicht, dass das bei allen der Fall sein muß. Aber es kommt mir so vor.
Und das ist mir zu oberflächlich für ein Hobby, dem ich seit über 30 Jahren treu bin.