Ein komischer Rollenspiel-Historien-Gedanke, der mir beim Lesen des Conan-Quickstarters und einer Turbo-Fate-Runde kam:
Ende der 80er/Anfang der 90er (gefühlt) verbreitete sich der komplexe und kleinteilige Ausbau von Rollenspielsystemen, mal unter simulationistischen, mal unter gamistischen Aspekten. Ich denke da an Sachen wie Shadowru (2. Edition aufwärts), DSA4, spätere D&D-Versionen, Rolemaster (okay die waren wohl früher und in dieser Beziehung einfach ihrer Zeit voraus). Ich glaube, der Impuls dabei war gar nicht unbedingt die Vorstellung, dass man alles in Regeln abbilden können muss (okay, sicher auch), sondern vor allem, die Aspekte, mit denen man regelseitig herumspielen, System Mastery entwickeln oder über die man einfach fachsimpeln und sich Gedanken machen konnte, auszubauen und zu unterfüttern.
Dieser Ausbau stößt natürlich da an seine Grenzen, wo das System, egal, wie durchdacht es sein mag und wie rund es bei vollumfänglicher richtiger Anwendung laufen mag, von Menschen gespielt wird, die (je nach persönlichem Einsatz) nur ein gewisses Maß dieser Komplexität auch wirklich umsetzen können. Folgerichtig war dann auch die Forderung nach echter Modularität einerseits, andererseits die Verschiebung des Blicks auf die allgemeineren Regeln, nach denen Geschichten funktionieren (die die Abbildung kleinteiliger Prozesse tendenziell überflüssig macht), und noch etwas später dann die Rückbesinnung auf einfache Regeln+Rulings (OSR+ Co.).
Nun habe ich das Gefühl, dass die durch die Indies angestoßene Konzentration auf "die Regeln der Geschichte" gerade teilweise eine ähnliche Entwicklung nimmt wie Anfang der 90er die klassischen Systeme, die immer komplexer wurden. Für mich fängt das schon bei Fate an - mit den Aspekte-Schlachten, der durchaus komplexen Punkteökonomie, den Boosts und Fate-Punkten als getrennte Ressourcen. Deutlicher noch zeigt es sich bei einem Hybrid wie dem 2d20-System, da kenne ich jetzt die Quickstarter von Conan und Infinity, die mir mit ihren diversen Spieler- und SL-Pools und noch dazu mit speziellen Kampfwürfeln, die Stunts auslösen können, den Kopf zum Schwirren bringen. Burning Wheel muss man wohl auch nennen, wobei da auf beiden Schienen (klassisch und Indie-mäßig) ziemlich ausdifferenziert wird.
Ich will das jetzt gar nicht unbedingt schlecht machen - abstrakt sind solche Systeme für mich sehr reizvoll, beim Spielen merke ich allerdings, dass mir bereits Turbo-Fate am Tisch eigentlich zu komplex (nicht unbedingt kompliziert) ist, weil es seine so ausdifferenzierte Punkteökonomie hat, die als Mechanismus ganz toll sein mag, die aber auch von Spielern umgesetzt werden muss.
Ist was dran an dieser These? Werden die Erzählspielmechanismen, die ja inzwischen vor allen Dingen verquickt mit klassischen Mechanismen auftauchen, tendenziell immer komplexer, dabei vielleicht auch ausgefeilter und mechanisch interessanter, aber schwerer umzusetzen?