Nachdem das Thema nebenan im "
Spielleiter-Würgen"-Thread mal wieder aufgekommen ist, und weil es mich schon seit Jahren umtreibt:
ProblembeschreibungAls ich in den 80er-Jahren anfing, Rollenspiele zu spielen, war klar: Alles, was nicht körperliche Aktivität oder zaubern ist, macht der Spieler selbst. Die ersten Rollenspiele hatten nicht einmal Werte für Dinge wie Überreden, Fallen finden oder Suchen. Es war Teil des Spaßes, genau diese Dinge selbst zu erledigen. Egal wie gut oder schlecht: Der Spieler des Barden würde dann eben wirklich eine Ballade am Spieltisch zum Besten geben, und die anderen mussten es ertragen (hatten dafür aber etwas, worüber sie noch Jahre später gemeinsam lachen konnten).
Relativ schnell kamen dann aber Spielwerte für Wissensfertigkeiten, Soziales etc. auf, auch wenn sie anfangs zumindest in unseren Gruppen noch spärlich genutzt wurden. Für mich selbst kam der Kulturschock erst, als ich 2008 nach einem Jahrzehnt Pause wieder anfing, zu spielen. Da hieß es plötzlich ganz knallhart: Das kannst du nicht, das steht nicht auf deinem Charakterbogen. Und zwar auch bei Dingen wie "Suchen", die ich überhaupt nicht mehr nachvollziehen konnte. Der Spieler sagt: "Ich schaue unter dem Schreibtisch nach dem gesuchten Pergament" oder "Ich klopfe die Wand nach Hohlräumen ab", und der Spielleiter entgegnet: "Das geht nicht, weil du die entsprechende Fertigkeit nicht hast".
Nachdem ich mich wieder abgeregt und ein wenig darüber nachgedacht hatte, wurde mir klar, dass es sich hier tatsächlich um ein fundamentales Problem handelt. Wir wollen einerseits einen Charakter darstellen, der nicht wir selbst ist, und in den Genuss kommen, Dinge zu können, die wir nicht können, einfach weil sie auf dem Charakterbogen stehen (z.B. ein Modellathlet sein, gut aussehen, kämpfen oder zaubern). Andererseits will zumindest ich nicht nur würfeln und der Sklave meiner Spielwerte sein, sondern auch nachdenken, rätseln, reden, singen und was weiß ich noch. Läuft also letztlich darauf raus, dass man gerne das, was man selbst kann, auch selbst machen möchte, und das, was man nicht kann, den Spielwerten überlässt. Wenn man das aber tut, kriegt man schnell Spieler, die Dinge verkünden wie: "Klar hab ich 'nen Barden, aber deshalb muss ich doch keine sozialen Fertigkeiten skillen - reden und singen kann ich schließlich selbst! Ich nehm die Punkte lieber für Zauber und Kampf!"
Und spätestens da wird klar, dass man es mit einem echten Problem zu tun hat, das irgendwie am Fundament dessen sägt, was für mich Rollenspiel ausmacht. Setze ich das korrekte Ausspielen des Charakters as written konsequent um, dürfen wir nur noch würfeln, und der Spielleiter erzählt uns eine Geschichte dazu. Setze ich das Ausspielen meiner eigenen Fähigkeiten konsequent um, bevorzuge ich die Spieler, die IRL viele am Spieltisch nützliche Dinge drauf haben und erlaube den Kämpfer-Spielern Dinge (etwas tun, was sie IRL nicht können), was ich z.B. dem Barden-Spieler nicht erlaube.
Und was ist, wenn verschiedene Präferenzen aufeinanderprallen? Der Tag, an dem ein Spielleiter ein Rätsel stellt und dann sagt: "Du darfst da jetzt aber nicht drüber nachdenken - der Jochen hat SO einen hohen Wert auf INT geskillt, der darf jetzt erstmal würfeln, ob er's über seine Spielwerte rauskriegt" wird der Tag sein, an dem ich das Hobby an den Nagel hänge. Eine richtig gute Lösung für das Problem habe ich aber auch nicht...
FrageLanger Rede, kurzer Sinn: Wie löst ihr das Problem "Rollenspiel vs. Würfeln" am Tisch? Insbesondere, wenn ihr traditionelle Systeme (also mit Fertigkeitslisten etc.) verwendet?
Hinweis: Bitte verzichtet hier darauf, euren Spielstil als den einzig wahren und andere Spielstile als total idiotisch darzustellen. Mich interessieren hier lediglich konkrete Lösungen für das Problem des Spieler- vs. Charakterkönnens.P.S.: Ich könnte schwören, dass ich so einen Thread schon mal aufgemacht habe, aber ich finde ihn ums Verrecken nicht mehr wieder - sorry dafür!