Ich bin bei Lorakis immer ein wenig hin- und hergerissen. Einerseits ist vieles daran richtig, richtig gut. Angefangen von der schieren Größe und der Vielzahl verschiedener Sub-Settings über das Konzept der "weißen Flecken" bis hin zu den Twists, mit denen etliche bekannte Themen versehen sind.
Es gibt aber auch Dinge, die mich stören. Klar, ich weiß, dass Lorakis ein Kitchensink-Setting sein soll und muss, damit es vom Ritterspieler bis zum Schatzsucher alle da abholt, wo sie ihre Vorlieben haben. Aber mir wird es dadurch schon wieder zu uneinheitlich: Eisenzeitkultur mit 70.000 Einwohnern wohnt Tür an Tür mit Hochmittelalterkultur mit 1,1 Millionen Einwohnern, ohne überrannt zu werden. Solche Sachen. Ach ja, und für ein Kitchensink sind mir manche Teile des Settings schon wieder zu stark eingeschränkt.
Auch die Qualität der einzelnen Sub-Settings schwankt enorm. Manche sind richtig gut durchdacht und laden ein, dort jahrelang zu spielen, andere sind ziemliche One-Trick-Ponies mit nur einer Grundidee und ansonsten mehr Beschränkungen als Möglichkeiten.
Ein Schwachpunkt des Settings ist für mich auch die Götterwelt in ihrer jetzigen Form. Dabei stört mich im Gegensatz zu manchem Lorakis-Nutzer nicht, dass es so viele sind - damit könnte ich gut leben. Was mich stört, ist dass die Götter der einzelnen Regionen so willkürlich sind. In vielen Kulturen fehlen zentrale Aspekte am "Götterhimmel", die dort unbedingt hingehören würden. Böse Götter kommen zudem so gut wie nicht vor. Und die eine große Gegengottheit, die im Weltenband eingeführt wird, ist ein so dermaßener Abklatsch des Namenlosen bis hin zur Vorgeschichte, dass es mir immer ein bisschen wehtut. Ich weiß ja, dass sich hinter dem Götterhimmel noch viel mehr verbirgt, als man im Weltenband derzeit erkennen kann, aber die obigen Mängel werden auch durch die noch nicht gelüfteten Geheimnisse nicht zu beheben sein.
Auch die Geschichte der Welt bleibt noch blass. Den Nachbarländern fehlt häufig gemeinsame Geschichte, und es gibt im Weltengefüge insgesamt für über 1000 Jahre Geschichte seit dem Mondfall extrem wenig Dynamik. Was auch für die Gegenwart gilt - Lorakis ist zum jetzigen Zeitpunkt eine sehr statische Welt. Was natürlich gerade im Rollenspiel Geschmackssache ist - andere Welten (wie Midgard) leben ja auch gut damit, dass da zwischen den Ländern kaum was passiert.
Alles in allem ist das Jammern auf relativ hohem Niveau, und für ein Kitchensink-Setting gebe ich trotzdem noch eine solide 2. Trotzdem hätte ich mir mehr Homogenität im Weltenentwurf gewünscht - so bleibt irgendwie der starke Eindruck, dass jeder der über zwanzig Autoren weitgehend isoliert an seinem eigenen Lieblingsthema gearbeitet hat, dass aber etwas mehr "gemeinsame Linie" der Welt ganz gut getan hätte. Die richtig guten Sub-Settings reißen es dann aber doch wieder raus - was mich nicht kickt, muss ich ja letztlich nicht benutzen.